Wenn Meerwasser im Untergrund verschwindet

Ein englisches Ozeanbodenseismometer an Bord des Kieler Forschungsschiffs POSEIDON. Im Mai 2013 legte die POSEIDON insgesamt 78 deutsche und englische Geräte für Untersuchungen des Untergrundes vor der Küste Nordspaniens aus. Foto: Dirk Klaeschen, GEOMAR

Der Meeresboden ist keine undurchlässige Grenzschicht, sondern bietet dem Wasser an vielen Stellen Wege tief in das Gestein des Untergrundes. Dort beeinflusst das Wasser die Zusammensetzung des Gesteins und es sorgt für einen Stoffaustausch zwischen Wasserwelt und Erdkruste beziehungsweise Erdmantel.

Einem internationalen Forscherteam unter Leitung der Universität Southampton und mit Beteiligung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel ist es jetzt gelungen, die Menge des eindringenden Meerwassers an ehemaligen kontinentalen Bruchzonen genau zu bestimmen. Die Studie erscheint heute in der internationalen Fachzeitschrift Nature Geoscience.

Plattengrenzen, tektonische Verwerfungen, geologische Störungen – die angebliche so feste Hülle unserer Erde ist durchzogen von Rissen, Spalten und Öffnungen. Das gilt natürlich auch für den Meeresboden.

Dort bieten diese Störungen dem Meerwasser einen Weg in tiefere Gesteinsschichten, teilweise bis hinunter zum Erdmantel. Diese Prozesse genauer zu kennen ist wichtig, weil das Meerwasser die Zusammensetzung des Gesteins verändern kann. Außerdem transportiert es auf dem Weg zurück Stoffe zum Meeresboden, die dort Grundlage für ganze Ökosysteme werden können.

Einem internationalen Wissenschaftsteam unter Leitung der Universität Southampton und mit Beteiligung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel ist es jetzt erstmals gelungen, einen direkten Nachweis zu erbringen, dass Störungsaktivitäten im direkten Zusammenhang mit der Menge des Meerwassers stehen, das in den Untergrund einsickert. Die Studie erscheint heute in der internationalen Fachzeitschrift Nature Geoscience.

Grundlage der Studie ist eine umfangreiche seismische Forschungskampagne, bei der Projektpartner aus den USA, aus Großbritannien und vom GEOMAR 2013 den Meeresboden westlich von Galizien (Nordspanien) untersucht haben. „Während der Entstehung des Atlantischen Ozeans vor etwa 150 Millionen Jahren wurden Portugal und Spanien von Neufundland getrennt. Spuren dieser Prozesse sind bis heute vor Nordspanien zu finden“, erklärt Co-Autor Dr. Dirk Klaeschen vom GEOMAR die Wahl des Untersuchungsgebietes.

Das US-amerikanische Forschungsschiff MARCUS G. LANGSETH (National Science Foundation) hat während der Kampagne gezielt spezielle Schallwellen in den Meeresboden abgegeben, die von verschiedenen Schichten des Untergrundes unterschiedlich reflektiert wurden. Insgesamt 78 Ozeanbodenseismometer, die das am GEOMAR beheimatete Forschungsschiff  POSEIDON zuvor ausgelegt hatte, erfassten diese seismischen Wellen. „So erhielten wir ein 3-D-Bild des Meeresbodens und der tieferen Strukturen in bis zu 12 Kilometer Tiefe“, erklärt Dr. Cord Papenberg ebenfalls Co-Autor vom GEOMAR. Das untersuchte Gebiet umfasste eine Fläche von 86 mal 22 Kilometer.

Da Meerwasser eine bestimmte Gesteinsart des oberen Erdmantels, sogenanntes Periodit, in eine andere Gesteinsart namens Serpentinit umwandelt, konnten die Wissenschaftler die Menge und die Verteilung des Serpentinits als Indikator für die Wege und Mengen des Meerwassers im Untergrund nutzen. Die Untersuchungen zeigten, dass die Menge des umgewandelten Gesteins am unteren Ende jeder Verwerfung in direktem Zusammenhang mit ihrer Größe und der Dauer der geologischen Störungsaktivität steht.

„Wir wussten bereits, dass der Meeresboden vor Galizien voller Störungen ist und wir wussten auch, dass es dort im Untergrund Serpentinite gibt. Aber wir kannten bisher weder deren Verteilung noch das Verhältnis zur Größe der Störungen“, erklärt Dr. Klaeschen.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler waren außerdem in der Lage, die durchschnittlichen Mengen von Meerwasser abzuschätzen, die an den Verwerfungen bis zum Erdmantel eindringen. Diese Mengen sind vergleichbar mit denen in anderen tektonischen Umgebungen wie mittelozeanischen Rücken. „Dort wird das Wasser im Untergrund stark erhitzt, löst zahlreiche Stoffe aus dem Gestein heraus und lagert sie später am Meeresboden ab, wo sich dabei  die berühmten ‚Schwarzen Raucher‘ bilden können“, erklärt Dr. Klaeschen, „offenbar gibt es an anderen Störungszonen ähnliche aktive Systeme, die bisher aber noch nicht bekannt waren. Weitere Untersuchungen müssen zeigen, wie verbreitet dieses Systeme in den Weltmeeren sind“.

Originalarbeit:
Bayrakci, G., T. A. Minshull, D. S. Sawyer, T. J. Reston, D. Klaeschen, C. Papenberg, C. Ranero, J. M. Bull, R. G. Davy, D. J. Shillington, M. Perez-Gussinye and J. K. Morgan (2016): Fault-controlled hydration of the upper mantle during rifting. Nature Geoscience, http://dx.doi.org/10.1038/ngeo2671

Bildmaterial in höherer Auflösung:

Ein englisches Ozeanbodenseismometer an Bord des Kieler Forschungsschiffs POSEIDON. Im Mai 2013 legte die POSEIDON insgesamt 78 deutsche und englische Geräte für Untersuchungen des Untergrundes vor der Küste Nordspaniens aus. Foto: Dirk Klaeschen, GEOMAR

Die POSEIDON vor der Expedition im Hafen von Vigo, Spanien. Foto: Dirk Klaeschen, GEOMAR

Ansprechpartner:
Jan Steffen (GEOMAR, Kommunikation & Medien), Tel.: 0431 600-2811, presse(at)geomar.de 

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Andreas Villwock idw - Informationsdienst Wissenschaft

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