Welche Emissionen können wir uns noch erlauben, um die globale Erwärmung auf maximal 2°C zu begrenzen?

Dieser Frage gehen Erich Roeckner und seine Koautoren am Max-Planck-Institut für Meteorologie (MPI-M) in einer jetzt erschienenen Veröffentlichung mit dem Titel „Historical and future anthropogenic emission pathways derived from coupled climate-carbon cycle simulations“ in der Fachzeitschrift „Climatic Change“ nach.

Als Erste veröffentlichen sie die Ergebnisse einer Pilotstudie, die im Rahmen des EU-Projekts ENSEMBLES durchgeführt wurde. Die Wissenschaftler berechnen mit einem gekoppelten Klima-Kohlenstoffkreislauf-Modell des MPI-M die CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen, die noch erlaubt sind, um das von der EU angestrebte 2°C-Ziel nicht zu überschreiten. Dazu wenden sie eine Inversmethode an, mit der aus vorgegebenen CO2-Konzentrationen zeitliche Emissionsverläufe rekonstruiert werden können.

Ergebnis: Es müssen signifikante und baldige Maßnahmen getroffen werden, um Emissionen von Treibhausgasen zu vermindern. Nur so kann die globale Erwärmung in diesem Jahrhundert bei nicht mehr als 2°C oberhalb des vorindustriellen Niveaus stabilisiert werden. Im verwendeten Stabilisierungsszenario steigt die „erlaubte“ CO2-Emission von ca. 7 GtC im Jahr 2000 auf einen Maximalwert von ca. 10 GtC im Jahr 2015 an. Danach müssen die Emissionen deutlich reduziert werden, und zwar um 56 % bis zum Jahr 2050 und um fast 100 % gegen Ende dieses Jahrhunderts. Die globale Erwärmung bleibt nach den Berechnungen des MPI-M bis 2100 zwar unterhalb der 2°C-Grenze, längerfristig ist jedoch eine weitere Erwärmung nicht auszuschließen.

Methodik

Ziel der Studie ist es, zukünftige Klimaänderungen und CO2-Emissionen in einem Szenario zu simulieren, in dem die CO2(äquivalent)-Konzentrationen in der Atmosphäre langfristig auf 450 ppm stabilisiert werden. Hintergrund für dieses sogenannte E1-Szenario ist das politische Ziel der EU, die durch den Menschen verursachte globale Erwärmung auf maximal 2°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Das E1-Szenario wurde im ENSEMBLES Projekt mithilfe eines „Integrated Assessment Models“ entwickelt, das u. a. Energieerzeugung, Landnutzung und Kohlenstoffkreislauf beinhaltet sowie ein einfaches Klimamodell. Die mit diesem Modell berechneten Konzentrationen von Treibhausgasen und Aerosolen dienen als Input für die MPI-M Simulationen.

Erich Roeckner und seine Koautoren folgen in ihrer Studie einer Methodik, die das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) für die Simulationen zum fünften Weltklimastatusbericht (Assessment Report 5 – AR5) vorschlägt: Erdsystemmodelle inklusive Kohlenstoffkreislauf werden benutzt, um die anthropogenen CO2-Emissionen abzuschätzen, die mit einem vorgeschriebenen Konzentrationsverlauf vereinbar sind. Die berechneten Emissionen hängen dann allein davon ab, welcher Anteil des anthropogenen Kohlenstoffs im Modell von der Landoberfläche und den Ozeanen aufgenommen wird. In der vorliegenden Studie wurde die „Ensemblemethode“ verwendet: Die Wiederholung der Experimente mit unterschiedlichen vorindustriellen Startterminen erlaubt, anthropogene Klimaänderung und interne Klimavariabilität zu unterscheiden.

Modell

Das für diese Studie genutzte Modell ist eine grob aufgelöste Version (ca. 400 km Gitterabstand) des Erdsystemmodells des MPI-M mit den Subsystemen Atmosphäre einschließlich der Landoberfläche, Ozean inklusive Meereis sowie dem marinen und terrestrischen Kohlenstoffkreislauf. Abgesehen vom Kohlenstoffkreislauf und feinerer Gitterauflösung (200 km Gitter), wurden mit diesem Modell die Berechnungen für den AR4 des IPCC am MPI-M durchgeführt.

Ergebnisse

Abbildung 1a zeigt den zeitlichen Verlauf der vom Modell berechneten CO2-Emissionen im E1-Stabilisierungsszenario. Nach einem Anstieg bis zu einem Maximalwert von etwa 10 GtC im Jahr 2015 folgt eine Abnahme auf 4.5 GtC im Jahr 2050. Dies entspricht einer Reduktion um 56 % in 35 Jahren. Bis zum Ende dieses Jahrhunderts müssen die fossilen CO2-Emissionen gegen Null gehen, um eine langfristige Stabilisierung der atmosphärischen CO2-Konzentration zu erreichen.

Abbildung 1b zeigt die zeitliche Entwicklung der globalen Jahresmitteltemperatur nahe der Erdoberfläche. Bis zum Jahr 2040 steigt die globale Erwärmung noch relativ stark an. Danach nähert sie sich allmählich der 2°C-Grenze. Offenbar ist aber am Ende des Jahrhunderts noch kein Gleichgewichtszustand erreicht, und vermutlich würde die 2°C-Grenze bei Fortsetzung der Simulationen im 22. Jahrhundert überschritten werden.

Analoge Modellsimulationen wurden im Rahmen des ENSEMBLES-Projekts an mehreren europäischen Klimazentren durchgeführt. Eine Zusammenschau der Ergebnisse wurde von T.C. Johns vom Met Office, Hadley Centre, UK, zur Veröffentlichung in der Fachzeitschrift „Climate Dynamics“ eingereicht.

Originalveröffentlichung

E. Roeckner, M.A. Giorgetta, T. Crüger, M. Esch und J. Pongratz: Historical and future anthropogenic emission pathways derived from coupled climate-carbon cycle simulations. Climatic Change, DOI 10.1007/s10584-010-9886-6, (2010). http://www.springerlink.com

Weitere Links: http://ensembles-eu.metoffice.com/index.html

Kontakt:

Dr. Erich Roeckner
Max-Planck-Institut für Meteorologie
Tel.: 040 41173 368
E-Mail: erich.roeckner@zmaw.de
Christina Rieckers
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit – Assistenz
Max-Planck-Institut für Meteorologie
Tel.: 040 41173 387
E-Mail: christina.rieckers@zmaw.de

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