Süßwasserquellen im Meer: Die unsichtbare Wasserressource

Süßwasserquelle im Meer vor Lombok. Wo Süß- und Salzwasser sich vermischen, wird das Wasser schlierig Foto: Imke Podbielski, Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung - ZMT

Olhos de Agua – Wasseraugen – heißt ein beliebter Urlaubsort an der portugiesischen Algarve. Der Name leitet sich von einem besonderen Naturphänomen ab: am Strand zeigen sich bei Ebbe rundliche Quellen, aus denen unablässig Süßwasser hervorsprudelt.

Auch an der Nordsee sprudelt es, so zum Beispiel im Watt vor Sahlenburg am südlichen Ende des Strandes. Es handelt sich in beiden Fällen um küstennahes Grundwasser, das sich durch Gesteins- oder Sandschichten einen Weg gebahnt hat und entlang des Gefälles zum Meer fließt. Dort sickert es häufig nahe der Wasserlinie heraus, kann aber auch in bis zu 50 Metern Meerestiefe austreten, wie vor der kroatischen Insel Braç. Insbesondere in karstigen Küstengebieten mit porösem Kalkgestein kommen solche Quellen vor.

Submarine Süßwasserquellen sind weltweit verbreitet, jedoch leicht zu übersehen. Die Wissenschaft hat ihnen bisher kaum Beachtung geschenkt. „Zu Unrecht“, meint Nils Moosdorf, Geologe am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT).

„Laut bisherigen Schätzungen machen diese besonderen Quellen bis zu 10% der Wassermenge aus, die auf unserem Planeten von den Flüssen ins Meer eingetragen wird.“ Er forscht über ihre Bedeutung für den Menschen und die Küstenökosysteme.

Zusammen mit seinem Team ging er auf Spurensuche nach den unterseeischen Süßwasserquellen und wurde fündig – in historischen Schriften, Reiseführern, Tauchermagazinen, Zeitungsartikeln und mündlichen Überlieferungen aus aller Welt.

Vielfach wurden die Quellen als Trinkwasser genutzt, wie in Bahrain im Persischen Golf. „Ein Mensch kann dort mit einem Fell ins Meer tauchen und es mit frischem Trinkwasser füllen“, ist dort bereits in Berichten aus dem 15. Jahrhundert zu lesen.

In Inselstaaten mit Wasserknappheit, wie Tahiti oder Fidschi, greift die Bevölkerung auch heute noch auf solche Quellen zurück, wenn die Wasserversorgung zusammenbricht. Oft wird das kostbare Regenwasser in Zisternen gesammelt und steht nur zum Trinken zur Verfügung – zum Waschen steigt man in die Süßwasserquellen am Strand.

„Die Quellen sind meist besonders nährstoffreich und ziehen sehr viele Fische an, wie die „Wonky holes“ vor Australien. Das sind deshalb Hotspots für Fischer und Taucher“, berichtet Nils Moosdorf. „In Japan gedeihen Austern aus Aquakultur in der Nähe solcher Quellen besonders gut.“

In Peru wird Wasser auch heute noch aus submarinen Quellen in Lastwagen gepumpt und an Land verteilt, in Griechenland für die Bewässerung von Feldern genutzt. Florida plante in den 1990er Jahren die Erschließung von submarinem Süßwasser in großem Stil, da in der Millionenmetropole Miami das Leitungswasser knapp wird. Eine Quelle dort fördert um die 40 m³ Süßwasser pro Sekunde.

So manchem Schiffbrüchigen haben die unterseeischen Quellen sogar das Leben gerettet, wie der Besatzung des Walfängers Essex, dessen Geschichte Hermann Melville zu seinem Roman „Moby Dick“ inspirierte.

„Frischwasser, das einfach so im Meer sprudelt, hat etwas Magisches und beflügelt die Fantasie der Menschen“, sagt Moosdorf. „Submarine Grundwasserquellen besitzen vielerorts einen großen sinn- und kulturstiftenden Wert für die Menschen. Im alten Griechenland zum Beispiel wurden dem Meeresgott Poseidon Pferde an einer solchen Quelle bei Argos geopfert.“ Moosdorf berichtet auch von Bali, wo der hinduistische Meerestempel Tanah Lot auf einer Süßwasserquelle errichtet wurde. Jährlich pilgern zwei Millionen Menschen dorthin, um mit dem Wasser gesegnet zu werden.

Doch trotz ihrer wichtigen Rolle sind auch submarine Quellen inzwischen bedroht – häufig führt Brunnenbau an Land zu ihrem Versiegen. Andernorts verschmutzen ungeklärte Abwässer und Rückstände aus der Landwirtschaft das Quellwasser. Darunter leiden nicht nur die Menschen, die die Quellen zum Trinken nutzen, sondern auch Küstenökosysteme wie Korallenriffe, die in ihrer Nähe wachsen. Und auch der Meeresspiegelanstieg wird Einfluss nehmen auf die hydraulischen Bedingungen für ein Fortbestehen von submarinen Grundwasserquellen.

„Erst beim näheren Hinsehen offenbart sich der besondere Wert dieser unsichtbaren Wasserressource. Wissenschaftler und Küstenmanager sollten sie daher im Blick haben“, kommentiert Nils Moosdorf seine Forschung.

Publikation
Moosdorf, N., and T. Oehler: „Societal use of fresh submarine groundwater discharge: An overlooked water resource.“ Earth-Science Reviews (2017).
http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0012825216302641

Kontakt
Dr. Till Oehler
Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung
Tel: 0421 / 23800-135
Handy: 01575 1229773
Email: till.oehler@leibniz-zmt.de

Presse
Dr. Susanne Eickhoff
Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT)
Tel: 0421 / 23800-37
Email: susanne.eickhoff@leibniz-zmt.de

Über das Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung:
Das Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung – ZMT in Bremen widmet sich in Forschung und Lehre dem besseren Verständnis tropischer Küstenökosysteme. Im Mittelpunkt stehen Fragen zu ihrer Struktur und Funktion, ihren Ressourcen und ihrer Widerstandsfähigkeit gegenüber menschlichen Eingriffen und natürlichen Veränderungen. Das ZMT führt seine Forschungsprojekte in enger Kooperation mit Partnern in den Tropen durch, wo es den Aufbau von Expertise und Infrastruktur auf dem Gebiet des nachhaltigen Küstenzonenmanagements unterstützt. Das ZMT ist ein Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft.

www.leibniz-zmt.de 

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Dr. Susanne Eickhoff Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT)

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