Ötzi-Forschung: Jetzt geht’s aufs Ganze!

Alles andere als auf Eis gelegt – Ötzi, dem Mann aus dem Eis, stehen turbulente Zeiten bevor. Erstmals in der Geschichte seit dem Fund vor knapp zwanzig Jahren liegt das gesamte Erbgut der weltbekannten Mumie vor. Damit sind die Weichen gestellt, um weitere Rätsel rund um den Eismann in nächster Zukunft aufzulösen.

Um das komplette Ötzi-Erbgut zu erstellen, haben Experten dreier Institutionen ihre Kompetenzen eingebracht: Albert Zink, der Leiter des Instituts für Mumien und den Iceman an der Europäischen Akademie Bozen (EURAC), Carsten Pusch vom Institut für Humangenetik der Universität Tübingen und der Bioinformatiker Andreas Keller vom Biotechnologie-Unternehmen febit in Heidelberg. Gemeinsam setzten sie jetzt einen Meilenstein in der Forschung an der über 5000 Jahre alten Mumie. Die beiden Forscher Zink und Pusch arbeiten schon seit geraumer Zeit zusammen und publizierten zuletzt mit dem ägyptischen Team rund um Zahi Hawass die neuesten Ergebnisse über das Leben und Leiden Tutanchamuns und seiner Familie.

Die Zusammenarbeit mit dem Bioinformatiker Andreas Keller erwies sich für die beiden Humanbiologen als Glücksgriff. Er stellte modernste Sequenzier-Technologien zur Verfügung, mit denen das Forscherteam die Millionen an Sequenzdaten des Ötzi-Genoms entschlüsselte und in kürzester Zeit das schaffte, was mit bisherigen Verfahren nur im Zeitraum von Jahrzehnten zu bewältigen war: Sie entnahmen dem Becken der Eismumie eine Knochenprobe und erstellten mithilfe der neuen Sequenzier-Technologie SOLiD der Firma Life Technologies eine DNA-Bibliothek, die den mit Abstand größten DNA-Datensatz enthält, der jemals vom Mann aus dem Eis erarbeitet wurde.

Die Arbeit am Eismann stellte sich für das Forscherteam zur gleichen Zeit als besondere Pionierarbeit heraus, da an Ötzi die neu entwickelte Technologie erstmals zum Zuge kam. „Wir haben es mit alter DNA zu tun, die obendrein noch stark fragmentiert ist. Nur aufgrund dieser modernsten Technologie mit ihrer geringen Fehlerrate ist es uns Wissenschaftlern gelungen, das komplette Genom von Ötzi in diesem kurzen Zeitraum zu entschlüsseln“, unterstreicht Albert Zink, unter dessen Obhut die Eismumie liegt.

Der spannendste Teil der Arbeit wartet jedoch noch auf die Wissenschaftler: Die riesigen Datenmengen, die nun vorliegen, können nach ihrer bioinformatischen Aufarbeitung viele Fragen beantworten. Gibt es heute noch lebende Nachfahren von Ötzi und wo leben diese? Welche genetischen Mutationen kann man zwischen früheren und heutigen Populationen festmachen? Welche Rückschlüsse kann man aus der Untersuchung von Ötzis Genmaterial und seinen Krankheitsveranlagungen auf heutige Erbkrankheiten oder andere heutige Erkrankungen wie Diabetes oder Krebs ziehen? Wie wirken sich diese Erkenntnisse auf die heutige Forschung in der genetischen Medizin aus?

Nächstes Jahr feiert Ötzi den 20. „Geburtstag“ seiner Entdeckung. Zu diesem Anlass wollen die Forscher ihre Analyse der Daten und ihre daraus gezogenen Erkenntnisse vorstellen – man darf gespannt sein.

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