Neue Erkenntnisse zur Entstehung der Kontinente

Die Kontinentaldrift verändert langsam, aber beständig das Gesicht der Erde. Durch diese Kraft kommt es etwa zur Umverteilung der Landmassen auf unserem Planeten. Vor rund 300 Millionen Jahren zerfiel der Superkontinent Pangäa in mehrere kleinere Kontinente, die sich bis heute mit etlichen Millimetern pro Jahr fortbewegen.

Außerdem entstehen Gebirge, wenn die auf dem Erdmantel „schwimmenden“ kontinentalen Platten zusammenstoßen und sich aufschieben. Kollidieren hingegen ozeanische Platten und taucht dabei eine von beiden unter die andere ab, kommt es zur Ausbildung von Tiefseegräben. So kann auch kontinentale Erdkruste unter ozeanische abtauchen, dabei aufgeschmolzen und zu neuem Gestein „recycelt“ werden.

Vor 3,2 Milliarden setzte die Kontinentaldrift ein

Schon lange rätseln Wissenschaftler, wann auf der allmählich abkühlenden, ursprünglich glutheißen Erde die Kontinentaldrift einsetzte. Einem internationalen Forscherteam ist es unter Beteiligung der Universität Bonn nun gelungen, mit Hilfe von Hafnium-Isotopen den Startschuss für die Bewegungen der Erdkruste zu datieren. „Wir gehen davon aus, dass das Abtauchen von ozeanischen Platten vor ungefähr 3,2 Milliarden Jahren angefangen hat“, sagt der Geochemiker Dr. Elis Hoffmann, der zugleich an den Universitäten Bonn und Köln forscht. „Zu dieser Zeit entwickelten sich die ersten stabilen Kontinente, wie wir sie heute vorfinden.“ Dr. Hoffmann ist Mitglied eines internationalen Forscherteams um den dänischen Wissenschaftler Dr. Tomas Næraa.

Wissenschaftler beprobten uraltes Gestein in Westgrönland

Als Beleg für ihre Ergebnisse diente den Wissenschaftlern 2,8 bis 3,8 Milliarden Jahre altes Kontinentgestein, von dem Dr. Hoffmann in Westgrönland Proben genommen hatte. Die Forscher untersuchten darin die Hafnium- und Sauerstoffisotope des Minerals Zirkon. „Zirkon ist das älteste bekannte Mineral der Erde und typisch für die kontinentale Kruste“, berichtet der Geochemiker. Die 30 bis 40 Kilometer dicke Kruste der Kontinente bildet das Festland. Sie ist leichter als die dünnere ozeanische Kruste und ragt deshalb wie ein Eisberg aus dem Meer daraus heraus. Aus dem Erdmantel entsteht ozeanische Kruste in Form von Basalten. Schmilzt durch die Plattentektonik verdickte Ozeankruste auf und erstarrt dann wieder, kann sie sich dadurch in kontinentale Erdkruste umwandeln.

Wandel in der Dynamik des Erdmantels

An dem Gestein aus Westgrönland konnten die Wissenschaftler nun anhand der Hafnium- und Sauerstoff-Isotope einen Wandel in der Dynamik des Erdmantels nachweisen. Unter Isotop versteht man unterschiedlich schwere Varianten des selben chemischen Elements. Vereinfacht dargestellt verteilen sich die schweren und leichten Sauerstoffisotope zu unterschiedlichen Anteilen in die Gesteinsschmelze und dem zurückbleibenden Gestein. Dieses Verhalten haben sich die Wissenschaftler zu Nutze gemacht. Sie untersuchten nun die Sauerstoff-Isotope an den kontinentalen Zirkonen und stellten dabei Veränderungen in den vor rund 3,2 Milliarden Jahren gebildeten Gesteinen fest, die auf einsetzende Kontinentaldrift zurückzuführen sind.

Das Element Lutetium zerfällt zu Hafnium. „Zirkone bauen nur Hafnium, aber so gut wie kein Lutetium ein“, berichtet der Geochemiker. „Das friert das Signal der Hafnium-Isotope zum Entstehungszeitpunkt ein. Daran lässt sich ablesen, ob aus ozeanischer Kruste auch kontinentale Kruste entstanden ist.“ Die Wissenschaftler wiesen mit dieser Methode anhand des grönländischen Gesteins nach, dass vor 3,9 bis 3,2 Milliarden Jahren kontinentale Kruste nur aus ozeanischer entstanden ist. Erst danach wurden kontinentale Sedimente in größere Tiefen des Erdmantels transportiert und dort aufgeschmolzen. Die Schmelzen reagierten mit Mantelgestein. Schließlich entstand nach weiteren komplexen Schmelzvorgängen neue kontinentale Kruste. „Das ist als Beginn der Kontinentaldrift zu interpretieren“, sagt Dr. Hoffmann. Voraussetzung war damals vermutlich die zunehmende Abkühlung unseres Planeten.

Publikation: Næraa, T., Scherstén, A., Rosing, M.T., Kemp, A.I.S., Hoffmann, J.E., Kokfelt, T.F., Whitehouse, M.J. (2012): Hafnium isotope evidence for a transition in the dynamics of continental growth 3.2 Gyr ago, „Nature“, DOI:10.1038/nature11140.

Kontakt:

Dr. Elis Hoffmann
Steinmann-Institut für Geologie,
Mineralogie und Paläontologie der Universität Bonn
Tel. 0228/737967
E-Mail: hoffjoel@uni-bonn.de

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Johannes Seiler idw

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