Meeresforschung und der brasilianische Regenwald

Brennender Regenwald im Atlantischen Nationalpark Brasiliens. Quelle: Gustavo Luna Peixoto, ICMBio, Rio de Janeiro, Brazil<br>

Die vorliegende Studie legt nahe, dass die Menge an dieser stabilen Form von Kohlenstoff in der Tiefsee durch menschliche Aktivität zunehmen wird, mit unbekannten Folgen auf die Meeresorganismen und den globalen Kohlenstoffkreislauf. Die Ergebnisse wurden jetzt im internationalen Fachblatt Nature Geoscience veröffentlicht.

Die Menschheit nutzt seit Urzeiten das Feuer um Land urbar zu machen. Als im 16. Jahrhundert europäische Siedler nach Brasilien kamen, war dies auch dort bald gängige Praxis und der Anfang vom Ende des atlantischen Regenwalds. Bis Mitte des letzten Jahrhunderts erstreckte sich der Atlantische Regenwald über weite Teile des heutigen Brasiliens, von Amazonien bis in den Süden zur gegenwärtigen argentinischen Grenze. Die Brandrodung hat im Laufe der Jahrhunderte den Regenwald von mehr als 1,3 Millionen auf jetzt nur noch 100000 Quadratkilometer schrumpfen lassen. Dabei blieben 200-500 Millionen Tonnen Holzkohle in den Böden zurück. Diese im Boden gespeicherten Verbrennungsrückstände sind extrem stabile komplexe Kohlenstoffverbindungen. Die Wassermassen während der Regenzeit waschen Teile dieser Kohle aus den Böden, und über Flüsse gelangen diese ins Meer, wo sie die biogeochemischen Stoffkreisläufe für Jahrhunderte und Jahrtausende beeinflussen werden.

Der atlantische Regenwald erstreckte sich früher an der Ostküste des heutigen Brasiliens von 5 bis 28 Grad südlich des Äquators über eine Fläche von 1,3 Millionen Quadratkilometern. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts waren davon noch 95% intakt. Doch der wachsende Bedarf an Landwirtschaft führte zum Einsatz massiver Brandrodung, die erst 1973 endete und nur noch 15% der ursprünglichen Fläche zurückließ. Heutzutage gibt es nur noch 8% der ursprünglichen Fläche, also rund 100000 Quadratkilometer.

Meeresforschung im Regenwald
Dr. Thorsten Dittmar und seine Arbeitsgruppe am Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie verfügen über ein hochempfindliches Massenspektrometer, mit dessen Hilfe sie die komplexen Kohlenstoffverbindungen analysieren und verfolgen können. Die Arbeitsgruppe ist an der Oldenburger Universität als Außenstelle des Max-Planck-Instituts etabliert und beschäftigt sich seit einigen Jahren mit dem Kohlenstoffkreislauf, insbesondere dem gelöstem organischem Material im Meer.
Dr. Dittmar erläutert, wie sie zum Thema Regenwald kamen: „Vor ein paar Jahren konnten wir im Meer die typischen Kohlenstoffverbindungen nachweisen, die bei der Verkohlung von Pflanzen, also der Produktion von Holzkohle entstehen. Wir vermuteten, dass eine der Quellen das Abbrennen von Zuckerrohrpflanzen und Waldbrände in Brasilien sein könnte. So kamen wir als Meeresforscher dazu, Forschung im Regenwald zu machen und Kontakt zu brasilianischen Kollegen aufzunehmen. Die hatten seit Jahren Boden- und Wasserproben um das Gebiet des Paraiba do Sul Flusses genommen.“

Die Forscher waren sehr überrascht, als sie die Bilanzen aufstellten. Es wurden erheblich mehr dieser Kohlenstoffverbindungen während der Regenperioden aus dem Boden gespült, als durch die jährliche Verbrennung nachgeliefert wurde. „Als wir unsere Messwerte aus den Proben der brasilianischen Kollegen über die Jahre mit den Niederschlagsmengen und dem Auftreten von Feuern in einer übersichtlichen Grafik darstellten, war der Zusammenhang klar. Diese Mengen Kohlenstoffs können nur aus den Zeiten der Brandrodung stammen.“
Diese Vermutung konnte dann durch weitere Experimente und Befunde bestätigt werden. Die Brandrodung im großen Stil endete 1973. Das jetzt praktizierte Abrennen der Zuckerrohrplantagen vor der Ernte liefert Verbrennungsrückstände von nur 190-740 Tonnen Kohlenstoff pro Jahr, doch die Menge an Kohlenstoffverbindungen im Paraiba do Sul waren drei bis 16 Mal höher als die jährlich neu entstehenden Mengen. Hochgerechnet auf die gesamte Fläche des ehemaligen Regenwalds schätzen die Forscher, dass 50000 bis 70000 Tonnen jedes Jahr durch Flüsse abtransportiert werden und im Meer landen. Und im Labor konnten die Forscher aus den Bodenproben des früheren Regenwalds die höchsten Konzentrationen löslicher Kohlenstoffverbindungen herauswaschen. Es wurde immer offensichtlicher: Die Konzentrationen im Fluss konnten nicht von den heutigen Zuckerrohrplantagen stammen, da auch flussaufwärts hohe Konzentrationen nachgewiesen werden konnten, in Gebieten mit geringer Dichte an Zuckerrohrplantagen.

Ausblick
„Es gibt Überlegungen unter Wissenschaftlern, Holzkohle als langfristigen Kohlenstoffspeicher zu nutzen, um diesen Kohlenstoff aus dem globalen Kreislauf zu verbannen. Unsere Ergebnisse zeigen aber, dass dieses Verfahren kein nachhaltiges Konzept sein kann, denn dieser Kohlenstoff landet früher oder später im Meer und verändert dort das Ökosystem. Und wir wissen nichts über die Konsequenzen“, zieht Dr. Dittmar Bilanz. „Auch in gelöster Form ist Holzkohle in der Umwelt sehr stabil, denn es wird von Mikroorganismen kaum abgebaut und kann daher in allen Weltmeeren nachgewiesen werden, bis in die entlegensten Bereiche der Tiefsee. Unsere Studie legt nahe, dass diese stabile Form von Kohlenstoff in der Tiefsee durch menschliche Aktivität zunehmen wird, mit unbekannten Folgen auf marine Mikroorganismen und den globalen Kohlenstoffkreislauf.“

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Dr. Manfred Schloesser Max-Planck-Institut

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