Königreich von Diamat neu durchleuchtet

Anfang Mai „durchleuchteten“ der Geophysiker Jörg Fassbinder vom Institut für Geo- und Umweltwissenschaften der Ludwig-Maximilians-Universität München und seine Mitarbeiterin Margarete Schlosser in einer gemeinsamen Kampagne mit dem Deutschen Archäologischen Institut den Boden im äthiopischen Hochland.

Mit einem seltsam anmutenden Gestell in der Hand zogen sie in Sonne und Staub Bahn für Bahn über ein vermutetes Siedlungsareal in Tigray. Bei dem zunächst abenteuerlich aussehenden Gerät handelt es sich um ein hochempfindliches Totalfeld-Magnetometer, d.h. eine tragbare Messstation, die lokale Anomalien des Erdmagnetfeldes detektiert.

Damit wird die Magnetometer-Prospektion als zerstörungsfreie Methode zur Erforschung archäologischer Fundplätze erstmals mit großem Erfolg im äthiopischen Hochland angewandt: Auf einer Fläche von 4 Hektar erfasste Fassbinder in Ziban Adi, so der Name des Fundortes, magnetische Anomalien, um im Untergrund verborgene Strukturen wie Mauerzüge, Gräber, Feuerstellen und Abfallgruben aufzuspüren. Eine besondere Herausforderung stellte dabei die geographische Lage des Ortes nahe dem geomagnetischen Äquator dar, da die magnetischen Feldlinien hier parallel zur Erdoberfläche verlaufen und die komplexen Anomalien archäologischer Strukturen nur schwer nachweisbar sind. Deshalb kam diese seit Jahren weltweit angewandte Prospektionstechnik in Ländern nahe dem Äquator nur selten zum Einsatz.

„Die neuen, von der Arbeitsgruppe Fassbinders entwickelten Auswertungsmethoden griffen mit vollem Erfolg“, berichtet Pawel Wolf, Grabungsleiter vor Ort: „Schon bei den ersten Testgrabungen wurden zerstörte Feldsteinmauern, Begräbnisse, Brandschichten und Siedlungsabfälle wie Tierknochen und Keramikscherben aus unterschiedlichen Zeitepochen gefunden. Darunter befinden sich auch Scherben mit charakteristischen Merkmalen der Keramik der sogenannten äthio-sabäischen Periode aus dem letzten Jahrtausend vor der Zeitenwende.“

Im Jahre 2008 hatten äthiopische Archäologen den aufsehenerregenden Fund eines perfekt erhaltenen Libationsaltars (Altar für Wasseropfer) mit einer altsüdarabischen Königsinschrift im benachbarten Meqaber Ga'ewa, einem zuvor ebenfalls unbekannten Fundort nahe der Stadt Wuqro getätigt. Nach Einschätzung von Kebede Amare, dem Leiter der Kulturbehörde in Tigray, handelt es sich dabei um den südlichsten Fundplatz des Königreiches von Diamat aus dem letzten Jahrtausend v. Chr. Die Königsinschrift ist laut Norbert Nebes von der Universität Jena der erste bekannte Beleg des antiken Namens des 80 km entfernten Ortes Yeha, der vermutlichen Hauptstadt dieses noch kaum erforschten äthio-sabäischen Reiches.

Archäologen des Deutschen Archäologischen Instituts ergraben seit 2008 nicht nur einen Tempel des sabäischen Mondgottes Almaqah in Meqaber Ga'ewa. Sie entdeckten auch weitere Fundorte einer bisher unbekannten Siedlungskammer jener kulturgeschichtlich bedeutenden Epoche. In Ziban Adi, einem der vielversprechendsten, legten sie 2010 die Grundmauern eines weiteren Heiligtums auf einem drei Meter hohen Ruinenhügel frei. Unzählige Keramikscherben auf den umliegenden Getreidefeldern hatten auf eine intensive Besiedlung um den antiken Sakralbau schließen lassen. Bei den Archäologen, denen es hier nicht nur um die Untersuchung des kulturellen Einflusses des altsüdarabischen Königreiches von Saba auf das nördliche Horn von Afrika geht, sondern vor allem um die Erforschung der einheimisch-afrikanischen Kulturkomponenten, erweckt der Siedlungsfund große Hoffnungen, auch Überreste einer gewöhnlichen Ortschaft dieser Zeitperiode untersuchen zu können, aus der bislang nur wenige Fundplätze bekannt sind.

Die Feldarbeiten bei Wuqro finden im Rahmen einer von Ricardo Eichmann geleiteten deutschen-äthiopischen Wissenschaftskooperation zwischen der Orient-Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts, der Tigray Cultural Agency und der Friedrich-Schiller- Universität Jena statt. Die geophysikalischen Messungen beruhen auf einer Kooperation des Deutschen Archäologischen Instituts mit dem Institut für Geo- und Umweltwissenschaften der Ludwigs-Maximilians-Universität München.

Als Ansprechpartner stehen Ihnen Dr. Pawel Wolf pwolf@skydsl.de und Dr. Jörg Fassbinder fassbinder@geophysik.uni-muenchen.de gerne zur Verfügung.
Weitere Informationen:
http://www.geophysik.uni-muenchen.de/ – Institut für Geophysik
http://www.dainst.org – Homepage des DAI

Media Contact

Nicole Kehrer idw

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Geowissenschaften

Die Geowissenschaften befassen sich grundlegend mit der Erde und spielen eine tragende Rolle für die Energieversorgung wie die allg. Rohstoffversorgung.

Zu den Geowissenschaften gesellen sich Fächer wie Geologie, Geographie, Geoinformatik, Paläontologie, Mineralogie, Petrographie, Kristallographie, Geophysik, Geodäsie, Glaziologie, Kartographie, Photogrammetrie, Meteorologie und Seismologie, Frühwarnsysteme, Erdbebenforschung und Polarforschung.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neues topologisches Metamaterial

… verstärkt Schallwellen exponentiell. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am niederländischen Forschungsinstitut AMOLF haben in einer internationalen Kollaboration ein neuartiges Metamaterial entwickelt, durch das sich Schallwellen auf völlig neue Art und Weise…

Astronomen entdecken starke Magnetfelder

… am Rand des zentralen schwarzen Lochs der Milchstraße. Ein neues Bild des Event Horizon Telescope (EHT) hat starke und geordnete Magnetfelder aufgespürt, die vom Rand des supermassereichen schwarzen Lochs…

Faktor für die Gehirnexpansion beim Menschen

Was unterscheidet uns Menschen von anderen Lebewesen? Der Schlüssel liegt im Neokortex, der äußeren Schicht des Gehirns. Diese Gehirnregion ermöglicht uns abstraktes Denken, Kunst und komplexe Sprache. Ein internationales Forschungsteam…

Partner & Förderer