Klimafaktor Boden: Ökosystem bestimmt, wie viel Kohlenstoff entweicht

Bodenprofil

Böden sind gewaltige Kohlenstoffspeicher: Mehr als 3000 Gigatonnen davon halten sie in Form von unterschiedlichen organischen Molekülen fest. Durch Abbauprozesse gelangt der Kohlenstoff wieder in die Atmosphäre, wo er vor allem als Kohlendioxid seine klimaschädliche Wirkung entfaltet.

Warum allerdings manche organische Bestandteile des Bodens wesentlich schneller abgebaut werden als andere, war bislang nicht geklärt. Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena ist zu dem Ergebnis gekommen, dass Umweltfaktoren dafür verantwortlich sind. Die Molekülstruktur der kohlenstoffhaltigen Verbindungen spielt dagegen entgegen bisheriger Annahmen keine Rolle. Die Forscher stützen ihre Annahme auf Daten aus aktuellen Freilandstudien und Laborexperimenten. Die neuen Erkenntnisse könnten helfen, Klimamodelle realitätsnäher zu gestalten.

Im Klimageschehen spielen Böden eine entscheidende Rolle. Sie speichern mehr als dreimal soviel Kohlenstoff wie Pflanzen oder die Atmosphäre. Das Element ist dabei als Bestandteil von verschiedenen organischen Verbindungen eingelagert. Ein Heer von Mikroorganismen baut diese Verbindungen allmählich ab, so dass der Kohlenstoff wieder in die Atmosphäre gelangt. Schätzungsweise 60 bis 80 Gigatonnen entweichen jährlich in Form von Kohlendioxid, ein geringerer Teil als Methan. Entscheidend dafür, ob Böden mehr Kohlenstoff aufnehmen als sie in Form klimaschädlicher Gase abgeben, sind die Auf- und Abbauraten organischen Materials. Warum aber einige der kohlenstoffhaltigen Moleküle schnell zerlegt werden, während andere Jahrhunderte oder gar Jahrtausende überdauern, stellte die Wissenschaftler bisher vor Rätsel – eine große Hürde bei der Entwicklung realistischer Klimamodelle.

Eine internationale Forschergruppe unter Beteiligung von Susan Trumbore, Direktorin am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena, ist nun zu dem Ergebnis gelangt, dass die Abbaugeschwindigkeit in erster Linie von den Wechselwirkungen zwischen den organischen Verbindungen und dem umliegenden Ökosystem abhängt, nicht von der Molekülstruktur. „Der meiste Kohlenstoff liegt ohnehin in Form von einfachen Biomolekülen vor und nicht als komplexe Makromoleküle“, sagt Susan Trumbore. Für ihre Studie haben die Wissenschaftler die Fachliteratur der letzten Jahre gesammelt und ausgewertet. Ihre Zusammenschau präsentieren sie in einem Übersichtsartikel in der Zeitschrift Nature.

Lange Zeit gingen Forscher davon aus, dass für den Abbau organischer Substanzen im Boden die chemische Struktur der kohlenstoffhaltigen Moleküle entscheidend ist. Demnach bieten sehr komplizierte Verbindungen wie etwa Lignin, der Hauptbestandteil von Holz, den abbauenden Mikroorganismen wenig Angriffsfläche und bleiben daher lange bestehen. Einfache Moleküle, wie beispielsweise verschiedene Zucker, sind dagegen wesentlich einfacher zu knacken und werden entsprechend schneller abgebaut.

Neuere Befunde stellen diesen Zusammenhang allerdings infrage: So haben Forscher beobachtet, dass Lignin unter bestimmten Bedingungen schnell zerlegt wird, während einfache Zucker Jahrzehnte überdauern. Dafür können beispielsweise Temperatur, Wassergehalt oder der pH-Wert verantwortlich sein, denn diese Faktoren beeinflussen die Aktivität von Enzymen, die den Abbau ankurbeln.

Wichtig ist auch die Verteilung der Mikroorganismen, die das organische Material verwerten. Zwar wimmelt es im Boden von Bakterien – ein Gramm Erde enthält rund 40 Millionen Zellen –, jedoch versammeln sich diese normalerweise an bestimmten Hotspots, etwa an Wurzeln. Typischerweise besiedeln sie weniger als ein Prozent des Bodenvolumens. Insbesondere in tiefen Bodenschichten sind sie selten, so dass hier das organische Material überdauern kann.

„Die Beobachtungen zeigen, dass es beim Abbau organischer Verbindungen in erster Linie auf die Wechselwirkungen zwischen den Molekülen und ihrer Umgebung ankommt“, interpretiert Susan Trumbore die Ergebnisse. Die Wissenschaftler plädieren dafür, diese Erkenntnis zukünftig in Klimamodellen stärker zu berücksichtigen. „Bisherige Modelle stützen sich meist nur auf einzelne Faktoren wie die Temperatur“, sagt Susan Trumbore.

Demnach sollte organisches Material bei höheren Temperaturen schneller abgebaut werden, wodurch Kohlenstoff aus dem Boden entweicht und das Klima weiter anheizt – ein Teufelskreis. Nach Ansicht der Forscher ist diese Sichtweise aber zu einfach: „Die Temperatur ist nicht immer der entscheidende Faktor“, sagt Susan Trumbore. „Erst wenn wir die komplizierten Vorgänge im Boden im Detail verstehen und in unsere Modelle einbeziehen, können wir bessere Vorhersagen darüber treffen, wie Böden auf die Klimaerwärmung reagieren.“

(MPG)

Die Originaldaten sind veröffentlicht unter:
Michael W. I. Schmidt, Margaret S. Torn, Samuel Abiven, Thorsten Dittmar, Georg Guggenberger, Ivan A. Janssens, Markus Kleber, Ingrid Kögel-Knabner, Johannes Lehmann, David A. C. Manning, Paolo Nannipieri, Daniel P. Rasse, Steve Weiner & Susan E. Trumbore
Persistence of soil organic matter as an ecosystem property
Nature, 6. Oktober 2011, doi:10.1038/nature10386
Kontakte am Max-Planck-Institut für Biogeochemie:
Prof. Dr. Susan Trumbore
Tel.: +49 3641 576-110
E-mail: trumbore@bgc-jena.mpg.de
Susanne Hermsmeier
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Biogeochemie, Jena
Tel.: +49 3641 576-801
E-Mail: sherms@bgc-jena.mpg.de
Dr. Eberhard Fritz
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Max-Planck-Institut für Biogeochemie, Jena
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Weitere Informationen:

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