Kipppunkte im Klimawandel werden absehbar

Früheren Ereignissen plötzlicher klimatischer Veränderungen gingen typische Vorläufer-Signale voraus. Diese Eigenschaften könnten dazu dienen, künftige durch die globale Erwärmung ausgelöste abrupte Übergänge vorherzusagen.

In der Erdgeschichte wurden Phasen mit einem vergleichsweise stabilen Klima häufig von abrupten Übergängen in einen anderen Zustand unterbrochen. So endeten die Kaltphasen im Eiszeitalter meist plötzlich. Vor etwa 34 Millionen Jahren endete plötzlich eine ausgedehnte Phase tropischer Bedingungen, unter denen sich viele der heutigen Arten entwickelten. Das Erdklima ging plötzlich und unumkehrbar in eine kühlere Phase mit Eiskappen an den Polen über. Dieser Übergang wird als Treibhaus-Eiszeit-Übergang bezeichnet.

Wissenschaftler vermuten seit langem, dass solche plötzlichen Übergänge mit Kipppunkten zusammenhängen, an denen Mechanismen positiver Rückkopplung einen sich selbst verstärkenden Wandel herbeiführen. Ein Beispiel für solch einen Mechanismus ist die Eis-Albedo-Rückkopplung. Wenn Eis abschmilzt, nimmt der Boden mehr Sonnenwärme auf, weil darunter dunkleres Felsbett oder Wasser zum Vorschein kommt, was wiederum die Erwärmung verstärkt. Obwohl diese Mechanismen gut verstanden sind, war es bislang schwierig festzustellen, ob die Rückkopplungen echte Kipppunkte darstellten.

Ein Team niederländischer und deutscher Wissenschaftler von der Universität Wageningen und dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung hat nun die geologischen Archive von acht früheren Ereignissen plötzlichen klimatischen Wandels untersucht: das Ende der Treibhaus-Erde vor 34 Millionen Jahren, das Ende des Oberen Dryas, die Bølling-Alleröd-Transition, die Wüstenbildung in Nordafrika und die Endpunkte von vier Kaltphasen im Eiszeitalter.

In der aktuellen Online-Vorabausgabe des Magazins „Proceedings of the National Academy of Sciences“ berichten die Forscher nun, dass diesen Ereignissen plötzlichen Klimawandels subtile, aber typische Veränderungen der Fluktuationsmuster vorangingen. Diese Veränderungen sind nachweislich charakteristisch für Systeme, die sich einem Kipppunkt annähern. Das Ergebnis der aktuellen Studie unterstützt die Theorie, nach der sich das Erdklima in der Vergangenheit plötzlich veränderte, wenn das Erdsystem über kritische Grenzen hinaus belastet und in einen grundsätzlich anderen Zustand gezwungen wurde.

Der Nachweis von Kipppunkten im Klimasystem der Erde sollte auch die Wahrnehmung des heutigen Klimawandels verändern, schreiben die Autoren. Die Projektionen des Weltklimarates IPCC basieren auf der Annahme dass sich der Wandel linear vollziehe. Obwohl einige negative Rückkopplungen im Erdsystem den Wandel dämpfen könnten, zeigen die neuen Ergebnisse, dass das Klima auch einen Kipppunkt überschreiten könnte, nach dem die Veränderungen verstärkt werden. Ob sich das Erdklima als Ganzes bereits einem Kipppunkt annähert, ist mithilfe der neuen Methode allerdings schwer zu beurteilen. Der menschliche Einfluss vollzieht sich so schnell, dass die Datenreihen schlicht zu kurz sind, um sie nach dieser Nachweismethode zu analysieren. Hingegen könnte es sein, dass sich für einzelne Teile des Klimasystems künftige plötzliche Veränderungen nach dieser Methode vorhersagen lassen.

Veröffentlichung:
Slowing down as an early warning signal for abrupt climate change. Vasilis Dakos, Marten Scheffer, Egbert H. van Nes, Victor Brovkin, Vladimir Petoukhov, and Hermann Held. PNAS early online publication, September 2008

Weitere Informationen:

Marten Scheffer
Universität Wageningen
Tel.: +31317-484039, +31344-618393
E-Mail: Marten.Scheffer@wur.nl
Hermann Held
Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung
Tel.: +49 331 288-2564
E-Mail: held@pik-potsdam.de

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