Der Nordatlantik gilt als Schlüsselregion, wenn es um großräumige Klimaschwankungen geht. So werden Veränderungen des Golfstromsystems eine wichtige Rolle beim Entstehen von Eiszeiten zugerechnet. Ein internationales Forscherteam von britischen, amerikanischen und deutschen Wissenschaftlern ist es durch Analysen von Meeressedimenten gelungen nachzuweisen, dass das Wachstum der großen kontinentalen Eisschilde auf der Nordhalbkugel vor 2.7 Millionen Jahren von der Südhalbkugel aus initiiert wurde. Die Studie, an der auch Wissenschaftler des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel beteiligt sind, wurde jetzt in der internationalen Fachzeitschrift Nature Geoscience veröffentlicht.
Auch wenn das Erdklima heute durchaus warm ist, so waren die letzten knapp drei Millionen Jahre meist von eiszeitlichen Verhältnissen geprägt. Während der letzten Hunderttausende von Jahren traten Warmzeiten etwa alle 100.000 Jahre auf.
Zuvor waren die eiszeitlichen Zyklen kürzer, alle 40.000 Jahre war es ähnlich warm wie heute, die dazwischen liegenden Eiszeiten waren jedoch nicht so extrem kalt wie zum Beispiel die letzte Eiszeit. Ein solcher Wechsel zwischen Kalt- und Warmzeiten hat auf der Erde allein in den letzten 2.7 Millionen Jahren 50 Mal stattgefunden.
Während die Wissenschaft sich darüber einig ist, dass die treibende Kraft für diese Wechsel in der Variation der Erdbahnparameter und damit in Variationen der solaren Einstrahlung liegt, wird über die Rolle der Schwankungen der Ozeanzirkulation noch intensiv geforscht.
Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel hat nun Hinweise, dass zumindest die drei größten Eiszeiten zwischen 2.5 und 2.7 Millionen Jahren vor heute durch Veränderungen der tiefen Ozeanzirkulation beeinflusst worden, deren Ursprünge auf der Südhalbkugel liegen.
Die Meeresforscher unter Leitung von Dr. Ian Bailey von der University of Exeter und Prof. Dr. Paul Wilson von der University of Southampton, Großbritannien nutzten in ihrer Studie Fischzähne, die sie in einem Sedimentkern des Nordwestatlantiks fanden. Aus dem in diesen Proben enthaltenen Isotopen des chemischen Elements Neodym konnten die Wissenschaftler auf den Ursprung der Wassermassen vor 2.7 Millionen Jahren schließen.
„Mit der klassischen Kohlenstoffisotopenmethode wären diese Erkenntnisse nicht möglich gewesen“ erläutert Dr. Ian Bailey. „Unsere Ergebnisse unter Zuhilfenahme des Neodym-Isotops zeigen, dass der Nordatlantik in der Übergangsphase zu eiszeitlichen Bedingungen im späten Pliozän nicht die treibende Kraft war“, so Bailey weiter. Die Forscher identifizierten im tiefen Nordwestatlantik Wassermassen, die aus dem südlichen Ozean stammen. Die Tiefenwasserzirkulation war während dieser frühen Eiszeiten offenbar erstaunlich ähnlich wie jene der letzten Eiszeit, obwohl die Eisschilde der Nordhalbkugel vor über 2.5 Millionen Jahren vermutlich noch nicht so ausgedehnt waren wie während der letzten Eiszeit.
„Bisher haben wir immer gedacht, dass die Tiefenwasserproduktion im Atlantik stark vom Frischwassereintrag im Nordatlantik abhängt“, so Prof. Wilson von der University of Southampton. „Die neuen Daten lassen vermuten, dass die Ausbreitung von Wassermassen aus dem Südatlantik einer Vereisungsphase vorausgehen. Weitere Untersuchungen sind noch notwendig, um den gesamten Mechanismus zu verstehen“, so Wilson weiter.
Dr. Marcus Gutjahr, Projektpartner am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel ergänzt, dass das Vorhandensein dieser aus dem Südozean stammenden glazialen Wassermassen im tiefen Nordwestatlantik während der frühen Kaltphasen des Pleistozäns ein bemerkenswerter Fund ist. „Während der letzten Kaltphase unseres Planeten lag eine Tiefenwasserschichtung der nun nachgewiesenen Art nur wenige tausend Jahre vor und war lediglich während des letzten Glazialen Maximums zu finden. Obwohl die Eiszeiten in diesen frühen glazialen Zyklen ganz anders abliefen als die jüngeren, zeigte die Tiefenwasserschichtung ein erstaunlich ähnliches Bild“, so Gutjahr weiter.
Das Vorhandensein dieser stagnanten tiefen Wassermasse kann ferner durchaus dazu geführt haben, dass während dieser Kaltphasen mehr Kohlendioxid aus der Atmosphäre in der Tiefsee gespeichert werden konnte. Das Zusammenspiel von atmosphärischem Kohlendioxidgehalt und atlantischer Tiefenwasserzirkulation ist jedoch sehr komplex. In jedem Fall sind noch weitere Arbeiten notwendig, um dieses Puzzle der eiszeitlichen Zyklen und ihrer Antriebe besser zu verstehen.
Originalarbeit:
Lang, D.L., I. Bailey, P.A.Wilson, T.B. Chalk, G.L. Foster and M. Gutjahr, 2016: Incursions of southern-sourced water into the deep North Atlantic during late Pliocene glacial intensification. Nature Geoscience, DOI: 10.1038/NGEO2688
Ansprechpartner:
Dr. Andreas Villwock (GEOMAR, Kommunikation & Medien), Tel.: 0431 600-2802, presse(at)geomar.de
Dr. Andreas Villwock | idw - Informationsdienst Wissenschaft
Weitere Informationen:
http://www.geomar.de/
Weitere Berichte zu: > Eiszeit > GEOMAR > Helmholtz-Zentrum > Kaltphasen > Ozeanforschung > Ozeanzirkulation > Sedimentkern > Tiefenwasserzirkulation
Das feine Gesicht der Antarktis
13.12.2019 | Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung
Dem Erdklima auf der Spur
13.12.2019 | Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Eine neue Karte zeigt die unter dem Eis verborgenen Geländeformen so genau wie nie zuvor. Das erlaubt bessere Prognosen über die Zukunft der Gletscher und den Anstieg des Meeresspiegels
Wenn der Klimawandel die Gletscher der Antarktis immer rascher Richtung Meer fließen lässt, ist das keine gute Nachricht. Denn dadurch verlieren die gefrorenen...
Vaccinia-Viren dienen als Impfstoff gegen menschliche Pockenerkrankungen und als Basis neuer Krebstherapien. Zwei Studien liefern jetzt faszinierende Einblicke in deren ungewöhnliche Vermehrungsstrategie auf atomarer Ebene.
Damit Viren sich vermehren können, benötigen sie in der Regel die Unterstützung der von ihnen befallenen Zellen. Nur in deren Zellkern finden sie die...
Vaccinia viruses serve as a vaccine against human smallpox and as the basis of new cancer therapies. Two studies now provide fascinating insights into their unusual propagation strategy at the atomic level.
For viruses to multiply, they usually need the support of the cells they infect. In many cases, only in their host’s nucleus can they find the machines,...
More than one hundred and fifty years have passed since the publication of James Clerk Maxwell's "A Dynamical Theory of the Electromagnetic Field" (1865). What would our lives be without this publication?
It is difficult to imagine, as this treatise revolutionized our fundamental understanding of electric fields, magnetic fields, and light. The twenty original...
In einer experimentell-theoretischen Gemeinschaftsarbeit hat am Heidelberger MPI für Kernphysik ein internationales Physiker-Team erstmals eine Orbitalkreuzung im hochgeladenen Ion Pr9+ nachgewiesen. Mittels einer Elektronenstrahl-Ionenfalle haben sie optische Spektren aufgenommen und anhand von Atomstrukturrechnungen analysiert. Ein hierfür erwarteter Übergang von nHz-Breite wurde identifiziert und seine Energie mit hoher Präzision bestimmt. Die Theorie sagt für diese „Uhrenlinie“ eine sehr große Empfindlichkeit auf neue Physik und zugleich eine extrem geringe Anfälligkeit gegenüber externen Störungen voraus, was sie zu einem einzigartigen Kandidaten zukünftiger Präzisionsstudien macht.
Laserspektroskopie neutraler Atome und einfach geladener Ionen hat während der vergangenen Jahrzehnte Dank einer Serie technologischer Fortschritte eine...
Anzeige
Anzeige
Analyse internationaler Finanzmärkte
10.12.2019 | Veranstaltungen
QURATOR 2020 – weltweit erste Konferenz für Kuratierungstechnologien
04.12.2019 | Veranstaltungen
03.12.2019 | Veranstaltungen
13.12.2019 | Biowissenschaften Chemie
LogiMAT 2020: Automatisierungslösungen für die Logistik
13.12.2019 | Messenachrichten
Das feine Gesicht der Antarktis
13.12.2019 | Geowissenschaften