Geographen der Universität Jena erhalten für Klimaforschungsprojekt ihre Bohrkerne aus Tibet

Geographen der Universität Jena erhalten für Klimaforschungsprojekt ihre Bohrkerne aus Tibet

Wer je einen Monsun erlebt hat, kann kaum glauben, dass diese wiederkehrenden Intensivregenfälle jemals aufhören könnten – doch sie können. Gemeinsam mit den umliegenden Himalaya-Gletschern versorgt der Monsun auf dem riesigen tibetischen Plateau bald drei Milliarden Menschen mit Trinkwasser, wie Wissenschaftler schätzen. Der regelmäßige Monsun, der in den tibetischen Gebirgsgletschern gespeichert wird, ist damit die Lebensader für fast die Hälfte der Menschheit.

Doch diese Ader, gespeist aus dem Monsunregen und Schmelzwasser, ist Wandlungen unterworfen und scheint sich mit der Erderwärmung deutlich zu verändern. „Wenn der Monsun ausbliebe, hätte das drastische Folgen“, ist sich Prof. Dr. Roland Mäusbacher von der Universität Jena sicher. Diesen Veränderungen in Vergangenheit und Zukunft geht seit letztem Jahr ein deutsch-chinesisches Wissenschaftlerteam auf dem tibetischen Plateau nach. Im Rahmen des Schwerpunktprogramms 1372 der Deutschen Forschergemeinschaft, in dessen Vorfeld bereits seit 2005 erste Untersuchungen durchgeführt wurden, werden u. a. die geodynamische Entwicklung des Plateaus und die Variabilität des Monsuns erforscht.

Bohren im See auf 4.718 m Höhe

An diesem auf sechs Jahre angelegten Projekt wirken Geographen der Friedrich-Schiller-Universität Jena sowie Partner von der TU Braunschweig, der FU Berlin und des Jenaer Max-Planck-Instituts für Biogeochemie mit. Die Jenaer Geographen haben 2008 in einem See Bohrungen durchgeführt: dem auf 4.718 m über N. N. liegenden „Nam Co“, dem zweitgrößten See Tibets, der ca. fünfmal so groß wie der Bodensee ist. Sie waren dabei die einzigen Wissenschaftler, die 2008 in Tibet forschen durften, wie der Jenaer Teilprojektleiter Mäusbacher erlebt hat. Es gelang ihnen, trotz rauer See und widriger Wetterbedingungen zwei Bohrungen im Seegrund erfolgreich durchzuführen.

Jetzt sind die 11 und 5 m langen und rd. 9 cm dicken Bohrkerne im Institut für Geographie der Uni Jena angekommen, nachdem bereits zuvor an der Uni Köln ein nicht-invasiver Röntgenfluoreszenz-Scan (XRF-Scan) gemacht wurde, der eine qualitative Analyse der enthaltenen Elemente ermöglicht. „Ein spannender Moment“, wie Mäusbacher zugibt, der bereits seit fast zwei Jahrzehnten im Himalaya forscht. Gemeinsam mit den deutschen und chinesischen Partnern sind die Kerne in einer speziellen Schneideanlage, die die Jenaer Geographen gemeinsam mit ihren Kollegen aus der Materialwissenschaft entwickelt haben, in handliche Stücke zerlegt worden. Daraus entnommene Proben werden jetzt an die Partner verteilt, um die eigentlichen Forschungsarbeiten durchführen zu können. In Jena sind dies geochemische und sedimentologische Untersuchungen, die z. B. Auskunft über die Änderung des Salzgehalts geben sollen. Daraus lassen sich Hinweise auf den Wasserhaushalt und damit den Monsun ableiten.

Hoffen auf 40.000 Jahre Klima-Geschichte

Die unscheinbaren grau-braunen „Bohrkern-Stäbe“ haben es aber in sich, wie die Wissenschaftler erwarten. Bisher reichten die ältesten Seeproben des Plateaus gerade einmal 18.000 Jahre zurück. „Wir hoffen, dass wir etwa 40.000 Jahre Klima-Geschichte betrachten können“, sagt Prof. Mäusbacher. Das wäre die älteste Klima-Bibliothek eines tibetischen Sees und damit „eine kleine Sensation“, wie sogar der Physische Geograph zugibt, „wenn wir die Monsungeschichte über diese Periode aufzeigen könnten“.

Doch den vereinten Wissenschaftlern geht es nicht um diesen Weltrekord. Ihnen ermöglichen die in den Bohrkernen enthaltenen Seesedimente einen Einblick in die Klimageschichte am Beispiel des Monsuns. Aus den Sedimenten kann mit aufwendigen Analysen der Zusammenhang zwischen Luftbewegungen, Temperatur und Gletscherveränderungen abgelesen werden. Selbst menschliche Einflüsse, z. B. durch Weidewirtschaft, die den Boden verändert haben, sind für die Spezialisten erkennbar.

Um diese Ergebnisse zu bestätigen, wird es noch in diesem Jahr in einem anderen tibetischen See geophysikalische Untersuchungen und Bohrungen mit nachfolgenden Analysen geben. Damit soll auch die räumliche Variabilität des Monsuns ermittelt werden. „Wir liefern die Daten, die für die Klimamodellierung wichtig sind“, weist Mäusbacher auf den nächsten Forschungsschritt hin. Klimaspezialisten werden ein Modell errechnen und es auf die Vergangenheit anwenden. Wenn das Modell stimmig ist, lassen sich dann auch Prognosen für die Zukunft erstellen. Prognosen, die die aktuelle Tendenz der Erderwärmung einbeziehen, um so für das Tibet-Plateau ein realistisches Klima-Szenario erstellen zu können. Wenn dann „der dritte Pol“, wie die Experten dieses weltgrößte Plateau nennen, gefährdet ist, müssen rasch Maßnahmen geplant werden, um zu einer nachhaltigen Nutzung dieses Ökosystems zu kommen.

Kontakt:
Prof. Dr. Roland Mäusbacher
Institut für Geographie der Universität Jena
Löbdergraben 32, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 948810
E-Mail: crm[at]uni-jena.de

Media Contact

Axel Burchardt idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-jena.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Geowissenschaften

Die Geowissenschaften befassen sich grundlegend mit der Erde und spielen eine tragende Rolle für die Energieversorgung wie die allg. Rohstoffversorgung.

Zu den Geowissenschaften gesellen sich Fächer wie Geologie, Geographie, Geoinformatik, Paläontologie, Mineralogie, Petrographie, Kristallographie, Geophysik, Geodäsie, Glaziologie, Kartographie, Photogrammetrie, Meteorologie und Seismologie, Frühwarnsysteme, Erdbebenforschung und Polarforschung.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue universelle lichtbasierte Technik zur Kontrolle der Talpolarisation

Ein internationales Forscherteam berichtet in Nature über eine neue Methode, mit der zum ersten Mal die Talpolarisation in zentrosymmetrischen Bulk-Materialien auf eine nicht materialspezifische Weise erreicht wird. Diese „universelle Technik“…

Tumorzellen hebeln das Immunsystem früh aus

Neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern. Tumore verhindern aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Wie das genau geschieht, beschreiben jetzt erstmals…

Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit

Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…

Partner & Förderer