Forscher untersuchen den Einfluss des Klimawandels auf ostsibirische Permafrost-Gebiete

Durch starke Tau- und Erosionsprozesse freigelegte Permafrostablagerungen nahe der Siedlung Tabaga in Zentraljakutien. Foto: Dr. Mathias Ulrich/Universität Leipzig

„Derzeit beobachten wir in Zentraljakutien eine Beschleunigung der Tauprozesse, was wiederum die Lebensbedingungen der Bevölkerung beeinflusst. Dies konnten wir anhand geowissenschaftlicher Daten und anthropologischer Studien nachweisen“, sagt Dr. Mathias Ulrich vom Institut für Geographie der Universität Leipzig, der gemeinsam mit Prof. Dr. Otto Habeck vom Institut für Ethnologie der Universität Hamburg sowie Prof. Dr. Susan Crate von der George Mason University in Fairfax, USA, an der Studie gearbeitet hat. Die Ergebnisse haben sie kürzlich im Fachblatt „Anthropocene“ veröffentlicht.

Der Fokus der interdisziplinären Forschungen lag auf Landschaftsformen in Zentraljakutien (Ostsibirien, Russland), die vor mehreren tausend Jahren durch das Tauen des Permafrostes entstanden sind. „Diese Thermokarstsenken bilden offene Graslandschaften innerhalb der borealen Wälder und werden seit Jahrhunderten von der einheimischen Bevölkerung, den Jakuten, zur Weide- und Landwirtschaft genutzt“, erklärt Ulrich.

Im Rahmen der Studie sei erstmals in der Kombination von Sozial- und Geowissenschaften analysiert worden, wie diese Landschaftsformen genau entstanden sind, wie sie sich derzeit und in Zukunft verändern und vor allem welchen Einfluss die derzeitigen Klimaveränderungen auf die Landschaft haben. Untersucht wurde auch, wie die einheimische Bevölkerung in der Vergangenheit und heute mit dieser Landschaft interagiert und wie deren Nutzung in der nahen Zukunft aussehen wird.

„Wir geben in unserer Studie Empfehlungen und zeigen Perspektiven für zukünftige Forschungsansätze auf“, berichtet Ulrich. „Eine Möglichkeit, die Anpassungsfähigkeit der lokalen Bevölkerung zu stärken, liegt insbesondere darin, dass Forscher ihre Erkenntnisse und Informationen zu möglichen Umweltveränderungen in jakutischer oder russischer Sprache direkt mit den betroffenen Bevölkerungsgruppen diskutieren“, erläutert Habeck.

Gemeinsam mit lokalen Experten empfehlen die Forscher, Bereiche in ländlichen Regionen zu identifizieren, die für Bauarbeiten und landwirtschaftliche Aktivitäten ungeeignet sind, da sie ein hohes Risiko hinsichtlich des Tauens des Permafrostbodens aufweisen, oder angemessene Maschinen und Methoden für die Weide- und Landwirtschaft in besonders sensiblen Bereichen zu verwenden.

Eine zentrale Schlussfolgerung der Studie ist die Erkenntnis, dass die Zukunft des Ökosystems und die Art der Landnutzung in Zentraljakutien – und generell in den subarktischen und arktischen Regionen – nicht nur von der Geschwindigkeit und dem Umfang der Umweltveränderung abhängt, sondern auch – und in nicht geringerem Maße – von globalen, nationalen und regionalen sozio-ökonomischen Faktoren.

Hierzu zählen die demographische Entwicklung, der technologische Wandel, die agrarpolitische Dynamik und die kulturelle Bedeutung von Lebensmitteln sowie ländlichen Lebensgrundlagen. Für die zukünftige Forschung ist daher die Kombination von sozial- und geowissenschaftlichen Erkenntnissen und die intensive Kommunikation zwischen Wissenschaftlern, regionalen Experten, Medien und einheimischen Landnutzern unablässig.

Originaltitel der Veröffentlichung in „Anthropocene“:

„Permafrost livelihoods: A transdisciplinary review and analysis of thermokarst-based systems of indigenous land use“
doi.org/10.1016/j.ancene.2017.06.001

Weitere Informationen:

Dr. Mathias Ulrich
Institut für Geographie der Universität Leipzig
Telefon: +49 341 9732962
E-Mail: mathias.ulrich@uni-leipzig.de

http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2213305416301060

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Susann Huster Universität Leipzig

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http://www.uni-leipzig.de

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