Erdbebensimulation: Und sie hob und senkte sich doch

Erst das Beben, dann der Tsunami: Die Katastrophe auf der Insel Sulawesi, Indonesien, im September 2018 kostete mehr als 4000 Menschen das Leben, mehr als 14.000 wurden verletzt; die Erdstöße und mehr noch die Flutwelle verwüsteten die Region rund um die Bucht von Palu.

Auf den Inseln Indonesiens bebt regelmäßig die Erde. Schließlich liegt der Staat in einer der seismisch aktivsten Regionen der Erde, nahe der Bruchkante zweier Kontinentalplatten, dort, wo sich die Australische unter die Eurasische Platte schiebt. Die dabei entstehenden Spannungen führen häufig zu Erdbeben in der Region.

Dass also ein Erdbeben die Insel Sulawesi heimsuchte, das war nichts Ungewöhnliches. Doch eines gab den Forschern in aller Welt Rätsel auf: Wie hatte dem Beben ein Tsunami folgen können? Das Beben mit dem Epizentrum an Land hatte zu horizontalen Verwerfungen des Bodens geführt. Für einen Tsunami aber, eine große Flutwelle, braucht es eine vertikale Bewegung. Was also hatte die Wassermassen nach unten gezogen oder nach oben gedrückt, so dass eine riesige Welle hatte entstehen können?

Ein Team von Geologen, Geophysikern und Mathematikern um Dr. Alice-Agnes Gabriel und Thomas Ulrich vom Lehrstuhl für Seismologie am Institut für Geophysik der LMU hat nun mit gekoppelten Erdbeben-Tsunami-Modellen das Beben und die Flut detailliert simuliert und damit rekonstruiert, welche Dynamiken an jenem Septembertag die Erdkruste vor allem auch unter der engen Meeresbucht, der Palu Bay, im Norden Sulawesis erschüttert haben.

Die Simulationen liefen auf dem Höchstleistungsrechner SuperMUC am Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) in Garching, an der Arbeit beteiligt waren außerdem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Caltech und dem Jet Propulsion Laboratory in Pasadena, USA, sowie von den Universitäten Hamburg, Berlin (FU), Utrecht, Brasilia und Zürich (ETH).

Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass die durch das Erbeben hervorgerufenen Bewegungen des Meeresbodens unter der Palu Bay den Tsunami hatten auslösen können. Erdrutsche an den steilen Hängen der Bucht, wie zunächst von Tsunamiforschern vermutet, spielten dabei eine untergeordnete Rolle, sagt Alice-Agnes Gabriel, Geophysikerin und Mitautorin der Studie.

Die Forscher fanden heraus, dass sich der Meeresgrund unter der Bay entlang einer Bruchkante mit einer schnellen Reißbewegung nicht nur seitwärts verschoben, sondern auch gehoben und abgesenkt hatte, um etwa 1,5 Meter im Schnitt. Begünstigt habe das auch die komplizierte Tektonik unter der Palu Bay. „Wie in einer Art Badewanne muss sich die dadurch ausgelöste Flutwelle in der engen Bucht aufgetürmt haben“, sagt Gabriel.

Thomas Ulrich, Doktorand an der LMU und Erstautor der Studie, betont: „Der Befund, dass die Verwerfungen durch das Erdbeben die entscheidende Rolle für die Entstehung des Tsunamis an der Palu Bay gespielt haben, ist durchaus überraschend.

Wir hoffen, dass unsere Studie dazu beiträgt, die tektonischen Verhältnisse und die Erdbebendynamik genauer zu verstehen, die in ähnlichen Verwerfungszonen lokale Tsunamis begünstigen könnten.“ Zu den Regionen, die in dieser Hinsicht vergleichbar seien, rechnen die Forscher beispielsweise die Bodega Bay und die Tomales Bay in Nordkalifornien. Die Studie wurde von der Volkswagen Stiftung im Rahmen des Projekts ASCETE gefördert.
Pure and Applied Geophysics 2019

Dr. Alice-Agnes Gabriel
Geophysik – Department für Geo- und Umweltwissenschaften
Tel. +49 (0) 89 2180 4214
alice-agnes.gabriel@geophysik.uni-muenchen.de
https://www.geophysik.uni-muenchen.de/Members/gabriel

Coupled, Physics-Based Modeling Reveals Earthquake Displacements are Critical to the 2018 Palu, Sulawesi Tsunami
T. ULRICH, S. VATER, E. H. MADDEN, J. BEHRENS, Y.VANDINTHER, I.VANZELST, E. J. FIELDING, C. LIANG, and A.-A. GABRIEL
Pure and Applied Geophysics 2019
https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00024-019-02290-5

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LMU Stabsstelle Ludwig-Maximilians-Universität München

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