Einst fruchtbar, dann fruchtlos: Ammoniten oder Fluch und Segen vieler Nachkommen

Diese mit Markasit versehenen Ammoniten wurden beim (Um-)Bau des Bahnhofs in Bielefeld gefunden.<br>Bild: Paul Marx / PIXELIO<br>

Während 300 Millionen Jahren waren sie die grossen Überlebenskünstler. Drei grosse Massenaussterben bewältigten sie erfolgreich, um am Ende der Kreidezeit doch noch wie die Dinosaurier auszusterben: Ammonoideen, auch Ammoniten genannt, waren marine Kopffüsser. Man vermutet, dass sie mit heute lebenden Tintenfischen und Nautiliden verwandt sind. Ammonoideen änderten ihre Fortpflanzungsstrategie früh innerhalb der Evolution.

Doch was einst eine erfolgreiche Anfangsstrategie gewesen war, erwies sich am Ende der Kreidezeit möglicherweise als fataler Bumerang. Dies konnte ein internationales Forscherteam unter Leitung von Paläontologen der Universität Zürich in einer kürzlich im Wissenschaftsjournal «Evolution» publizierten Studie nachweisen.

Bereits Embryonen besassen aufgerollte Schalen
Zu Beginn ihrer Evolution besassen Ammonoideen wenig aufgerollte Gehäuse, die sie, wie andere Weichtiergruppen, im Lauf des Erdzeitalters Devon aufzurollen begannen. Die genaue Ursache für diese Veränderung ist unbekannt. Es wird vermutet, dass der Selektionsdruck zugunsten von stärker aufgerollten Gehäusen von den Fressfeinden der Ammonoideen ausging. Wie die Wissenschaftler nun feststellten, betrifft die Gehäuseveränderung auch die Embryonen der Ammonoiden. «Bei den ältesten Ammonoideen waren die embryonalen Schalen wesentlich grösser und weniger stark aufgerollt, als bei späteren Formen», fasst Kenneth De Baets, Paläontologe an der Universität Zürich, die neuesten Erkenntnisse zusammen.
Kleinere Schlüpflinge, mehr Nachkommen
Gleichzeitig zu den immer stärker aufgerollten Gehäusen fanden zwei weitere evolutionäre Trends statt: Die Grösse der Embryonalgehäuse nahm im Lauf der Zeit immer stärker ab – die Schlüpflinge wurden immer kleiner. Parallel dazu stieg die Gehäusegrösse der ausgewachsenen Tiere an, die Tiere wurden insgesamt immer grösser. Daraus schliessen die Forscher, dass die Anzahl Nachkommen bei den Ammonoideen im Lauf des Devons stark anstieg. Bestätigt wird dies durch Funde von umfangreichen Ansammlungen von versteinerten Embryonalschalen am Ende des Devons und jüngeren Ablagerungen.

«Die grosse Zahl an Nachkommen könnte der Schlüssel für die jeweils rasche Wiederausbreitung der Ammonoideen im Anschluss an die grossen Massenaussterben gewesen sein», vermutet De Baets. Gestützt wird seine Hypothese dadurch, dass bei gewissen devonischen Aussterbeereignissen exakt die Gruppen mit eher kleineren, lose aufgerollten Embryonalgehäusen und entsprechend weniger Nachkommen ausstarben. Doch die einst erfolgreiche Reproduktionsstrategie der vielen Nachkommen scheint sich am Ende der Kreidezeit ins Gegenteil verkehrt zu haben: Die Ammonoideen starben aus. Bis heute überlebt haben einzig die Nautiliden: Sie zeichnen sich durch grosse Jungtiere und geringen Nachwuchs aus. Wie genau sich dieser Sachverhalt als günstig für das Überleben der Nautiliden ausgewirkt hat, ist unbekannt. Klar ist gemäss De Baets lediglich, dass die Nautiliden heute mit ihrer Reproduktionsstrategie angesichts der Überfischung extrem gefährdet sind.

Literatur:
Kenneth De Baets, Christian Klug, Dieter Korn, Neil H. Landmann. Early evolutionary trends in ammonoid embryonic development. Evolution, International Journal of Organic Evolution. 14 February, 2012. doi: 10.1111/j.1558-5646.2011.01567.x
Kontakt:
Dr. Kenneth de Baets
Institut Paläontologisches Institut und Museum
Universität Zürich
Tel. +41 44 634 23 47
E-Mail: kenneth.debaeats@pim.uzh.ch

Media Contact

Nathalie Huber Universität Zürich

Weitere Informationen:

http://www.uzh.ch

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Geowissenschaften

Die Geowissenschaften befassen sich grundlegend mit der Erde und spielen eine tragende Rolle für die Energieversorgung wie die allg. Rohstoffversorgung.

Zu den Geowissenschaften gesellen sich Fächer wie Geologie, Geographie, Geoinformatik, Paläontologie, Mineralogie, Petrographie, Kristallographie, Geophysik, Geodäsie, Glaziologie, Kartographie, Photogrammetrie, Meteorologie und Seismologie, Frühwarnsysteme, Erdbebenforschung und Polarforschung.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit

Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…

Durchbruch bei CRISPR/Cas

Optimierte Genschere erlaubt den stabilen Einbau von großen Genen. Großer Fortschritt an der CRISPR-Front. Wissenschaftlern des Leibniz-Instituts für Pflanzenbiochemie (IPB) ist es erstmals gelungen, sehr effizient große Gen-Abschnitte stabil und…

Rittal TX Colo: Das neue Rack für Colocation Data Center

Rittal TX Colo: Flexibel, skalierbar und zukunftssicher Mit der zunehmenden Digitalisierung und künftig auch immer mehr KI-Anwendungen steigt der Bedarf an Rechenleistung signifikant – und damit boomt der Colocation-Markt. Unternehmen…

Partner & Förderer