Wie beeinflusst die schwankende Sonnenstrahlung unser Klima?

Beeinträchtigt sie die Datenübermittlung von Satelliten? Mit SolACES, einem Gerät für die exakte Messung solarer EUV-Strahlung, leisten Fraunhofer-Forscher einen wesentlichen Beitrag, um diese Fragen zu beantworten.

10. Oktober 2007: Am Kennedy Space Center in Florida hat die Welt letztmalig Gelegenheit, das europäische Weltraumforschungslabor Columbus zu besichtigen, bevor es am 6. Dezember mit der Raumfähre Atlantis ins All transportiert wird. Ein Fraunhofer-Forschungsprojekt wird mit dabei sein: SolACES (SOLAR Auto-Calibrating EUV / UV Spectrophotometers). Es ist eines der drei Module von SOLAR, einer externen wissenschaftlichen Plattform des europäischen Forschungslabors Columbus, das an die Internationale Raumstation ISS angedockt wird. SOLAR soll helfen herauszufinden, wie die Sonne unser Klima beeinflusst. „Um genau zu sein, ist das Ziel von SOLAR, exakte Messungen der Sonnenstrahlung zu liefern. Mit einer Genauigkeit, die bislang nicht möglich war“, erklärt Dr. Gerhard Schmidtke vom Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM in Freiburg. Der Forscher hat über die letzten zehn Jahre das Projekt SolACES als Principal Investigator wissenschaftlich geleitet.

Er und sein hoch motiviertes Team haben Optik, Mechanik, Elektronik des kompletten Geräts entwickelt, aufgebaut und mit Unterstützung von EADS Astrium in Friedrichshafen nach den anspruchsvollen Standards der bemannten Raumfahrt auf die extremen Weltraumbedingungen getestet. Die Geldgeber, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR in Bonn sowie die europäische Weltraumbehörde ESA, begleiten das Vorhaben mit fachkundigem Personal.

SolACES soll die extreme Ultraviolettstrahlung EUV der Sonne messen, die im Spektralbereich zwischen 16 und 220 Nanometer liegt und stark variiert. Zwei weitere Module ergänzen das Spektrum: SOVIM – entwickelt in der Schweiz – wird die integrale Strahlung der Sonne über den gesamten Bereich des Sonnenspektrums messen. SOLSPEC – der französische Beitrag – wird die Sonnenstrahlung zwischen 170 Nanometer Wellenlänge (Ultraviolett) und 3000 Nanometer (Infrarot) spektral aufgelöst vermessen. Mit diesen Messungen möchten die Wissenschaftler mehr über die Ursachen des irdischen Klimawandels herausfinden: Welches Muster liegt den natürlichen Schwankungen der solaren Energieproduktion zugrunde, die bestimmten Zyklen folgt? Wie lassen sich diese Schwankungen von Einflüssen trennen, die von menschlichen Aktivitäten ausgehen?

„Die Messunsicherheiten bisheriger Instrumente im Spektralbereich unter 100 Nanometern lagen bei 20 bis über 400 Prozent. SolACES erreicht hier Werte von deutlich unter 10 Prozent“, unterstreicht auch Dr. Raimund Brunner vom IPM, der für die technologische Umsetzung der wissenschaftlichen Anforderungen zuständig ist. Die hohe Präzision wird erreicht, indem sich das Modul im Orbit regelmäßig selbst kalibriert – in einem Rhythmus von 3 bis 15 Tagen. „Autokalibrierung ist eine unabdingbare Voraussetzung für genaue Messungen über einen langen Zeitraum. Denn im Weltraum verändern sich die optischen Eigenschaften der Oberflächen wie zum Beispiel der Gitter, Spiegel und Detektoren sehr stark. Folge davon ist, dass sich die Photonenausbeute ändert und die Spektrometer ungenaue Messergebnisse liefern.“ Herzstück der automatischen Kalibrierung sind zwei neuartige Ionisationskammern. Das sind mit den einatomigen Edelgasen Neon bzw. Xenon gefüllte Kammern, in denen die Gase durch die Absorption der EUV-Strahlung ionisiert werden. Das heißt, jedes EUV-Photon löst ein Elektron vom Atom ab. Werden durch spezielle Filter enge Spektralbereiche aus dem Sonnenlicht ausgeblendet und in die Kammern gelenkt, so erzeugen die Photonen messbare elektrische Ströme. Diese Ionisationsströme lassen die absolute Bestimmung der aktuellen Intensität der einfallenden Sonnenstrahlung und damit die Nachkalibrierung der Spektrometer zu. Insgesamt sind 42 dieser Filter in einem drehbaren Rad angeordnet, um den vorgegebenen Spektralbereich nacheinander zu überdecken.

„Mit SolACES wollen wir noch weitere Aspekte erkunden, etwa wie die solare EUV-Strahlung 'das Wetter' unserer oberen Atmosphäre beeinflusst“, so Dr. Schmidtke. Diese Strahlung ist die Hauptenergiequelle für die Thermo- und Ionosphäre, die sich über den Höhenbereich von zirka 85 bis 1 000 Kilometer oberhalb der Erdoberfläche erstrecken. Was hier passiert, spielt eine wichtige Rolle bei der Wechselwirkung des Systems Erde/Sonne. Die kontinuierlichen und exakten Messungen der Sonnenstrahlung sollen unser Verständnis vertiefen, welchen Einfluss die variable Aktivität der Sonne auf diesen erdnahen Raum hat. „Ein interessanter Aspekt ist dabei, mit der genaueren Bestimmung der eingestrahlten Energie die Modelle der Thermosphäre und Ionosphäre zu verbessern“, erläutert Schmidtke. „Damit lassen sich die Bahnen von Satelliten, die sich in diesen Sphären bewegen, besser berechnen. Auch mögliche Kollisionen mit Weltraummüll ließen sich besser vorhersehen als bisher.“ Die solare EUV-Strahlung steuert auch die Elektronendichte der Ionosphäre. Somit beeinflusst sie die Ausbreitung der elektromagnetischen Signale von Navigationssystemen wie GPS zur Erde. Die Daten von SolACES können hier helfen, die ständig wachsenden Anforderungen an die Genauigkeit künftiger Navigationssysteme wie Galileo zu erfüllen.

Erste Messdaten werden zu Beginn des kommenden Jahres erwartet, nachdem die Astronauten die SOLAR-Nutzlast an der Columbus-Station befestigt haben.

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Marion Horn idw

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