Mit High-Tech gegen High-Risk

LMU leitet internationales Forschungsprojekt zu Erbeben und Vulkanausbrüchen

Die zuverlässige Vorhersage von Erdbeben und Vulkanausbrüchen bedeutet für die Forschung trotz großer Fortschritte in der Vergangenheit weiterhin eine große Herausforderung. Die Geowissenschaftler der Universität München intensivieren nun ihre Arbeit auf diesem Gebiet in einem breit angelegten Projekt: Erfolgreich haben sie sich um die Förderung des „Internationalen Qualitäts-Netzes Georisiken“ (IQN) beworben, das vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) im Rahmen des Zukunftsinvestitionsprogramms der Bundesregierung mit 500.000 Euro aus UMTS-Erlösen gefördert wird.

Das IQN Georisiken wird an der LMU von den Bereichen Geophysik, Mineralogie, Petrologie und Geochemie des künftigen Departments für Geo- und Umweltwissenschaften getragen. Der Verbund mit internationalen Partnern in neun Ländern, darunter Indonesien, China, Japan, USA, in denen es sowohl aktive Vulkane als auch Regionen mit hohem Erdbebenrisiko gibt, bietet hier die Möglichkeit, die an der LMU entwickelten technischen Methoden einzusetzen und weiter auszubauen. Die Münchner Wissenschaftler liefern also die High-Tech-Tools, um die High-Risks mit Hilfe wissenschaftlicher Daten erforschen zu können. Zum Auftakt des IQN Georisiken treffen sich alle beteiligten Partner vom 7. – 9. Februar 2002 in München.

Auch für die Studierenden bringt dieses Forschungsprojekt große Vorteile: „Wir nutzen die Chance zur Internationalisierung der Lehre und bereiten derzeit einen neuen Bachelor- und einen Masterstudiengang Geowissenschaften vor“, erklärt Professor Heiner Igel. Der Geophysiker leitet gemeinsam mit dem Vulkanologen Professor Bruce Dingwell das IQN Georisiken an der LMU. Außerdem wird das Projekt Georisiken das bestehende Studienangebot erweitern. International renommierte Wissenschaftler bieten eigene Blockkurse an. Mit den IQN-Programmen sollen gezielt die „besten Köpfe“ aus dem Ausland, also hochqualifizierte ausländische Doktoranden, Postdoktoranden und Gastwissenschaftler an deutschen Hochschulen in Teams zusammengeführt werden. Der DAAD will so die Expertise deutscher Forscher und damit Deutschland als attraktiven Wissenschaftsstandort weltweit positionieren.

Erdbebenvorhersagen –
Detaillierte 3D-Simulationen sind gefragt

Dass die zuverlässige kurzfristige Vorhersage von Erdbeben nicht in Sichtweite ist, liegt nicht an fehlenden Forschungsprogrammen. Die letzten Jahrzehnte intensiver Erforschung des Erdbebenprozesses haben vielmehr gezeigt, dass der Bruchvorgang abhängig von kleinskaligen (Beschaffenheit einer Verwerfungsfläche im Zentimeter-Bereich) bis großskaligen (Aufbau tektonischer Spannungen im Kilometer-Bereich) Phänomenen ist, die sich schwer voneinander trennen lassen. Während sich durch heutige Satellitenbeobachtungen (Global Positioning System GPS) die Deformation der Erdoberfläche mit großer Genauigkeit beobachten lässt, ist ein detailliertes 3D Modell der Erdkruste notwendig, um den Spannungsaufbau im Innern der Erde zu verfolgen. Ein solcher Spannungsaufbau, der zu großen Erdbeben führen kann, findet zum Teil über Jahrhunderte statt.

Was Erdbebenvorhersage so enorm schwierig macht, sind die minimalen Veränderungen des lokalen Spannungsfeldes beispielsweise durch die Folgen starker Regenfälle oder durch Veränderungen des Grundwasserspiegels. Diese minimalen Veränderungen können jedoch Bruchprozesse auslösen, deren Verlauf wiederum von der Detailstruktur des Untergrundes und den Bedingungen an der Bruchfläche (z.B. viel oder wenig Flüssigkeit im Porenraum) abhängt. „Über den Bruchprozess selber wissen wir noch viel zu wenig“, so Igel.

Da Erdbebenvorhersage nicht möglich scheint, wird eine noch junge Technik immer wichtiger: die Simulation realistischer Erdbebenszenarien auf modernen Supercomputern wie dem Bundeshöchstleistungsrechner am Leibnizrechenzentrum in München. Erst in den letzten ein bis zwei Jahren wurden Simulationen möglich, bei denen die seismische Wellenausbreitung in einer aktiven Region mit realistischen Eigenschaften berechnet werden kann.

Beispiel 1: das Kölner Becken

Das Kölner Becken ist eine der gefährdetsten Regionen in Zentraleuropa. Im Jahre 1992 fand dort ein Beben der Stärke 5.9 auf der Richterskala statt, das zu Schäden von mehreren Hundert Millionen Mark geführt hatte. Das Epizentrum lag damals im holländischen Roermond. Um ein Erdbeben in dieser Region auf einem Supercomputer zu simulieren, wird ein 3D Modell der Erdkruste mit möglichst genauer Information über die Schichtung auf einem Gitter mit bis zu 100 Millionen Punkten definiert. Auf diesem Gitter werden die physikalischen Gleichungen, die die seismische Wellenausbreitung beschreiben, berechnet. Diese Rechnungen erlauben, den Zeitverlauf der Schwingungen in der gesamten Region darzustellen. Vergleiche mit Beobachtungen des Bebens im Jahre 1992 haben gezeigt, dass wichtige Charakteristika der Schwingungen korrekt reproduziert werden. Dies eröffnet die Chance, langfristig zuverlässige Voraussagen zu machen, wie der Boden in einer seismisch aktiven Region nach einem Erdbeben schwingen wird.

Beispiele 2 und 3 : Peking und Los Angeles

Derzeit bemühen sich die LMU-Forscher in erster Linie herauszufinden, wie zuverlässig diese im Computer berechneten Vorhersagen sind und welche strukturellen Details der Erdkruste bekannt sein müssen, um zu sinnvollen Ergebnissen zu kommen. Dazu sind beobachtete Seismogramme von großer Bedeutung. Im Rahmen des IQN Georisiken sind Erdbebensimulationen für die Region Los Angeles in Zusammenarbeit mit der University of Southern California, Los Angeles, und für den Raum Peking in Zusammenarbeit mit der Peking Polytechnischen Universität und dem China Seismological Bureau vorgesehen. Fernziel ist, mit Hilfe dieser Erbebensimulationen Zonen mit erhöhter Gefährdung zu identifizieren und in Zusammenarbeit mit Erdbebeningenieuren Maßnahmen zum Schutz von besonders gefährdeten Gebäuden zu definieren.

Weltweit einzigartig –
Die Münchner Vulkanologie


Vulkanausbrüche kündigen sich in der Regel durch zahlreiche Phänomene im Vorfeld an wie zum Beispiel starke Deformation der Erdoberfläche durch Einströmen von Magma. Trotz dieser „Alarmzeichen“ ist es äußerst schwierig, genaue Vorhersagen über Art, Größe und Dauer eines Ausbruchs zu machen. Vulkanausbrüche können sehr unterschiedliche Formen annehmen. Während Ausbrüche zum Beispiel auf Hawaii wenig explosiv sind und die Lavaströme sehr dünnflüssig sind, gibt es andere Vulkane wie etwa der Vesuv in Italien oder der Merapi in Indonesien, deren Ausbrüche von so genannten pyroklastischen Strömen (heiße Glutlawinen) begleitet sind, die enorm gefährlich sind für die umliegende Region.

Der Ausbruchtyp hängt stark von den physiko-chemischen Eigenschaften der aufsteigenden Magma ab. Um die Größenordnung solcher Ausbrüche zu bestimmen, werden die Magma-Eigenschaften untersucht. Hier spielt die an der LMU betriebene experimentelle Vulkanologie zur Deutung von Vulkanüberwachungssignalen eine Schlüsselrolle. Beides, Überwachung und Simulationen, gewinnen immer größere Bedeutung im Katastrophenschutz um Vulkane.

Für langanhaltende Aktivitätsphasen wie beim Montserrat, liefert die experimentelle Vulkanologie Daten und Ergebnisse, die sofort in die aktuelle Überwachung einfließen können. Allerdings muss die Beschreibung des vulkanischen Systems auf jeden Vulkan maßgeschneidert werden. Im weltweit einzigartigen Fragmentierungslabor der Vulkanologie-Gruppe der LMU München werden Magmen unter hohem Druck und Temperatur zum Explodieren gebracht. Die Ergebnisse erlauben Aussagen über die Explosivität der Magmen und damit den Ausbruchstyp der untersuchten Vulkane.

„Die Zusammenarbeit mit den Partnern des IQN-Georisiken besonders in Indonesien, Südamerika und Japan wird uns erlauben, die Forschungen auf weitere Hochrisikovulkane auszuweiten und – durch Vergleich mit Beobachtungen – die Zuverlässigkeit der Vorhersagen durch die Laborexperimente zu verbessern“, erklärt der Vulkanologe Dingwell.

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Cornelia Glees-zur Bonsen idw

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