Tropenwelt der Kreidezeit als Beispiel für Erderwärmung

Jährliche Temperaturkontraste in verschiedenen Breiten während warmer und kalter Episoden der Kreide. Das blau-rote Feld kennzeichnet die heutigen jahreszeitlichen Temperaturschwankungen.

> Anatomie des Klimas einer Treibhausphase der Erdgeschichte
> RUB-Geologe berichtet in NATURE

Wie könnte das Erdklima in Zukunft aussehen, wenn sich die Atmosphäre weiterhin erwärmt? Um diese Frage zu beantworten, untersuchen Forscher die Kreidezeit, eine sehr warme Phase der Erdgeschichte, die ca. 120 bis 65 Millionen Jahre zurückliegt. Anhand der geochemischen Zusammensetzung der Schalen großwüchsiger, schnell wachsender Muscheln konnten Wissenschaftler der Ruhr-Universität um Dr. Thomas Steuber (Institut für Geologie, Mineralogie und Geophysik) gemeinsam mit Kollegen aus Marseille und Amsterdam jetzt erstmals die Veränderung der jahreszeitlichen Temperaturschwankungen des Meerwassers in dieser Zeit rekonstruieren. Über ihre Ergebnisse berichten sie in der aktuellen Ausgabe von NATURE.

Tropenparadies am Mittelmeer

Die Erderwärmung ist in aller Munde – schließlich sind damit verbundene Wetterphänomene wie die immer häufigeren und katastrophalen tropischen Stürme eine aktuelle Bedrohung. „Dabei sind die in jüngster Vergangenheit beobachteten globalen Temperaturveränderungen ziemlich unbedeutend, wenn man die Kreidezeit berücksichtigt“, erklärt Dr. Thomas Steuber: Vor 100 Millionen Jahren waren die Polarregionen von Wäldern bedeckt. Die Jahresmitteltemperaturen in der Nähe des Nordpols lagen bei 20°C und in den polaren Flüssen tummelten sich Krokodile. Das Meerwasser der tropischen Breiten war bis zu 36°C warm. Afrika und Europa lagen damals weiter auseinander als heute, und die Küsten des heutigen Mittelmeers, das damals als breiter Ozean den Indischen Ozean über die Karibik mit dem Pazifischen Ozean verband, waren von ausgedehnte Riffgürteln und Karbonatplattformen umsäumt – tropische Urlaubsparadiese, wie es sie heute nur in Australien und im karibischen Raum gibt.

Kontroverse Diskussion um warmes Klima

Diese Phase der Erdgeschichte untersuchen Klimaforscher besonders intensiv, weil sie möglicherweise als extremes Beispiel für die prognostizierten Umweltveränderungen in der absehbaren Zukunft dienen kann. „Wie das Klima auf einer Erde ohne vereiste Pole und mit stark erhöhten CO2-Konzentrationen der Atmosphäre letztendlich funktioniert, wird allerdings noch sehr kontrovers diskutiert“, so Thomas Steuber. Um Temperaturen in der Kreidezeit zu rekonstruieren, untersuchen die Forscher die Schalen von Muscheln aus dieser Zeit, Fundstücke von der Karibik bis zur arabischen Halbinsel. Die Muscheln bauten je nach Wassertemperatur unterschiedliche Mengen verschiedener Sauerstoffisotope in ihre Schale ein. Da sie ca. vier Zentimeter pro Jahr wuchsen, lässt sich gut auf jahreszeitliche Temperaturänderungen rückschließen.

Polkappen in kühleren Phasen

Die neuen Daten über saisonale Temperaturschwankungen im Meerwasser für einen 120 bis 65 Millionen Jahre zurückliegenden Zeitabschnitt der Kreide liefern Informationen über den globalen Wärmetransport zwischen Tropen und höheren Breiten, ein wichtiger Faktor in globalen Klimamodellen. „Die Ergebnisse belegen, dass die Maxima der Meerwassertemperaturen im tropischen Meerwasser der Kreidezeit nur geringfügig höher waren als heute“, fasst Steuber die Ergebnisse zusammen. „Die jahreszeitlichen Temperaturkontraste während der warmen Episode der Kreide waren aber deutlich niedriger als heute, weil die saisonalen Temperaturminima viel höher lagen als heute.“ Das steht mit hohen Temperaturen in polaren Breiten in Einklang. Andererseits gab es auch kühlere Zeitabschnitte, deren jahreszeitliche Temperaturspannen ziemlich genau mit den heutigen übereinstimmen, so dass die Forscher für bestimmte Abschnitte der Treibhauswelt der Kreide durchaus mit der Existenz polarer Eiskappen rechnen.

Titelaufnahme

T. Steuber, M. Rauch, J.-P. Masse, J. Graaf und M. Malkoc: Low-latitude seasonality of Cretaceous temperatures in warm and cold episodes. In: Nature 437, 1341-1344 (27 October 2005) | doi: 10.1038/nature04096

Weitere Informationen

Dr. Thomas Steuber, Institut für Geologie, Mineralogie und Geophysik, Fakultät für Geowissenschaften der Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-22307, E-Mail: thomas.steuber@rub.de

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Dr. Josef König idw

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