Meere im Innern der Erde?

Gestein (Peridotit) vom mittelatlantischen Rücken mit den Hauptmineralen Olivin und Pyroxen. Mikroskopische Aufnahme einer 25 mm dicken Gesteinsscheibe im Durchlicht bei gekreuzten Polarisatoren. Die Farben (Interferenzfarben) hängen von der Art des Minerals und dessen Orientierung ab. Die Bildbreite entspricht etwa 0,5 mm. Abbildung: Institut für Geologie und Mineralogie

Wasser aus Steinen zu holen, ist eine Vorstellung, die etwas Märchenhaftes an sich hat: vom Zauberstab berührt, öffnet sich der Fels und gibt das kühle Nass frei. Ganz so wundersam sieht die Welt in den Augen von Geologen nicht aus; dennoch liefern ihre Entdeckungen Grund genug zur Verwunderung. Scheinbar „trockene“ Gesteine könnten demnach große Wasservorräte bergen, und zwar am meisten dort, wo Fachleute bis vor kurzem am wenigsten vermuteten: in den Tiefen des Erdmantels. Am Institut für Geologie und Mineralogie untersucht Prof. Dr. Esther Schmädicke die Wasserspeicherkapazität von Mineralen, die lange als extrem wasserarm galten.

Bisher ist man davon ausgegangen, daß im Erdmantel unterhalb von 100 bis 150 km Tiefe kein Wasser mehr vorhanden sein dürfte. Diese Annahme liegt nahe, weil Minerale, die als Wasserspeicher bekannt sind, dem mit dem Abstand von der Erdoberfläche wachsenden Druck nur begrenzt standhalten können. Selbst die wasserführenden Minerale mit der größten Druckstabilität, wie Amphibol und Phlogopit, zerfallen, sobald der Druck einen Wert von 30 bis 40 Kilobar übersteigt, wie es in der genannten Tiefe der Fall ist.

Die gewaltige Kraft dieser „Presse“ wandelt Amphibol zum wasserfreien Pyroxen. Dabei wird Wasser abgegeben, was dazu führen kann, dass Gestein im Erdmantel schmilzt, also Magma entsteht. Der größte Teil des Erdmantels, der bis an die Grenze zum Erdkern in 2900 km Tiefe reicht, sollte demnach nahezu wasserfrei sein, da er nur aus Gesteinen mit „trockenen“ Mineralen wie Olivin und Pyroxen sowie deren Hochdruckäquivalenten besteht.

Hoher Druck schafft mehr Defekte

Nach neueren Erkenntnissen ist es allerdings möglich, dass die Gitter dieser Minerale als Fremdkörper Bausteine von Wasser enthalten, sogenannte Hydroxyldefekte, Gruppen aus je einem Sauerstoff- und Wasserstoff-Atom. Der Anteil der OH-Defekte bewegt sich zwischen 10 ppm, zehn Teilchen auf eine Million, und mehreren 100 ppm. Welche Faktoren den Einbau solcher Fehlstellen in ein Mineralgitter begünstigen, kann mit Hilfe von Experimenten geklärt werden.

Für solche „geheimen“ Wasservorräte gilt nicht, dass sie durch steigenden Druck aus dem Gestein vertrieben werden. Im Gegenteil deuten erste Ergebnisse der experimentellen Petrologie darauf hin, daß die OH-Aufnahmekapazität von Mineralen zunimmt, wenn der Druck wächst.

Das würde bedeuten, dass auch tiefere Bereiche des Erdmantels als Wasserspeicher fungieren können. Die Konzentrationen könnten dort um eine Größenordnung höher liegen, als sie bisher bei den Versuchen zu messen waren. Trotz der auch dann noch relativ geringen Anteile von Wasser im Gestein hätte der Erdmantel aufgrund seines Volumens die Kapazität, eine Wassermenge zu beherbergen, die die aller Ozeane bei weitem übersteigt.

Die Frage, ob die experimentell ermittelte Speicherkapazität auch den tatsächlichen Wassergehalten im Erdmantel entspricht, kann heute noch niemand beantworten. Zu einer Tiefe von mehr als 150 km vorzudringen, ist nicht möglich; der größte Teil des Erdmantels entzieht sich einer direkten Untersuchung.

Immerhin können aus vergleichsweise geringen Tiefen Fragmente des Erdmantels durch Laven an die Erdoberfläche transportiert werden. Darüber hinaus wurden an den mittelozeanischen Rücken Bereiche entdeckt, in denen die ozeanische Kruste stellenweise fehlt und die Gesteine des Erdmantels an der Oberfläche liegen. Analysiert man die Wassergehalte in solchen Proben, kann zumindest das Wasserreservoir des obersten Erdmantels abgeschätzt werden. Die Dichte der Hydroxyldefekte in Mantelmineralen dürfte die physikalischen Eigenschaften des Erdmantels, wie elektrische Leitfähigkeit oder Fließverhalten, erheblich beeinflussen und auch für Plattentektonik, Konvektion im Erdinnern, Wärmetransport und Magmatismus eine große Rolle spielen.

In Erlangen sollen Gesteine vom Mittelatlantischen Rücken (siehe Abbildung) analysiert werden, die im Rahmen des „Integrated Ocean Drilling Program“ (IODP) im Bereich 14-16º nördlicher Breite erbohrt wurden. Dieses Tiefseebohrprogramm, an dem Wissenschaftler aus über 20 Ländern beteiligt sind, dient der Erforschung von bislang unzugänglichen Bereichen des Meeresbodens.

Media Contact

Ute Missel idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-erlangen.de/

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