Auf dem Mars gab es vor wenigen Millionen Jahren noch Gletscher

Copyright für beide Abbildungen: ESA/DLR/FU Berlin (G. Neukum)

Ergebnis aus Mars Express-Aufnahmen / Eis könnte noch heute unter Marsstaub vorhanden sein / Hinweise auf Klimawandel in jüngerer Zeit?

Die Marsoberfläche wurde bis vor wenigen Millionen Jahren auch in mittleren Breiten und sogar in Äquatornähe von Gletschern geprägt. Noch heute könnte Wassereis in geringer Tiefe als „fossiles“ Überbleibsel dieser Gletscher anzutreffen sein. Das geht aus zwei Artikeln hervor, die heute in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht werden. Die Aussagen stützen sich auf die Auswertung von hochauflösenden Bildern der Marsoberfläche, die von der Mission „Mars Express“ der europäischen Weltraumorganisation ESA mit der HRSC-Kamera aufgenommen wurden. Das internationale HRSC-Wissenschaftlerteam wird von dem Planetenforscher Prof. Dr. Gerhard Neukum von der Freien Universität Berlin geleitet.

Die Oberflächenstrukturen des Mars wurden in Aufnahmen der deutschen High Resolution Stereo Camera (HRSC) identifiziert, die seit mehr als einem Jahr an Bord der Mars Express Sonde den Roten Planeten umkreist und unseren Nachbarplaneten in hoher Auflösung, in Farbe und in „3D“ fotografiert. Sie zeigen Fließformen, die vermutlich von Gletschern oder „Blockgletschern“ – einer Mischung aus Eis und Gesteinsbruchstücken unterschiedlicher Größe – gebildet wurden.

Zahlreiche konzentrische Höhenrücken erinnern an Endmoränen: Geröllwälle, die ein wachsender Gletscher vor sich mit sich transportiert und dann nach seinem Rückzug zurückbleiben. Außerdem sind parallel verlaufende, streifenartige Strukturen zu sehen, die von den Autoren als Mittelmoränen interpretiert werden, welche die Fließrichtung der Gletscher anzeigen. An Stellen, wo die Gletscher über steilere Geländeabschnitte führten, sind Spalten zu erkennen: In ähnlicher Weise entstehen in Gletschern auf der Erde Spalten in einem Eisbruch, wo die Zugspannungen innerhalb des Eises wegen des größeren Gefälles und des unebenen Geländes zunehmen.

Weitere glaziale Merkmale sind längliche, mehrere Kilometer lange parallele Riefen und lang gezogene Hügel, die auf den Oberflächen von Bergrücken in einiger Entfernung zu den möglicherweise vergletscherten Gebieten beobachtet werden. Die Hügel ähneln so genannten Drumlins, Strukturen, die unter dem Eis durch das Aufgleiten des Gletschereises und dadurch bedingtes Zusammenschieben abgeschürften Materials entstehen. Auf der Erde treten Drumlins in ehemaligen eiszeitlichen Regionen wie dem bayerischen Voralpenland auf. „Wir sehen hier eine ganze Reihe glazialer Strukturen in einem konsistenten räumlichen Zusammenhang. Das festigt unsere Überzeugung, hier tatsächlich frühere Marsgletscher zu sehen“, sagt der Planetengeologe Ernst Hauber vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin.

Besonders interessant ist das Alter der glazial geprägten Oberflächen. Diese sehen in weiten Gebieten der von den Autoren entdeckten ehemaligen Vergletscherung ziemlich „intakt“ aus, denn typische Anzeichen für massiven Eisverlust – wie zum Beispiel „Toteishohlformen“, wie sie heute in vielen ehemalig vergletscherten Gebieten anzutreffen sind – fehlen fast vollständig. Die statistische Auswertung der Anzahl von Kratern, die dort durch Meteoriteneinschläge entstanden sind und zur Altersbestimmung der Flächen herangezogen werden, zeigt, dass die Landschaft in ihrer heutigen glazialen Ausprägung zum Teil erst vor einigen Millionen Jahren entstanden ist. In der Planetengeologie gelten solche Alter als extrem jung.

Eis ist an der Marsoberfläche in diesen Breitengraden unter der gegenwärtigen, extrem dünnen Marsatmosphäre über längere Zeiträume nicht stabil. Es würde bei dem herrschenden geringen Luftdruck sublimieren, also direkt vom festen in den gasförmigen Zustand übergehen, und dann aus der Atmosphäre ins All entweichen – auch wenn es heute am Äquator des Mars in der Theorie kalt genug ist für die Existenz von Gletschern: Selbst an einem Sommertag steigt die Temperatur maximal auf etwa 20 Grad Celsius; in den Nächten und vor allem im Winter sinken die Temperaturen oft auf unter minus 50 Grad Celsius ab. Die Gletscher müssen sich also bis vor wenigen Millionen Jahren in einer damals anderen, einer wärmeren und vielleicht auch dichteren Atmosphäre gebildet haben und wurden dann inaktiv oder bildeten sich mangels Eisnachschub zurück. Seither werden sie von einer dünnen Oberflächenschicht aus Staub vor Sublimation geschützt. Staub ist auf dem Mars fast allgegenwärtig und würde auch erklären, warum das möglicherweise in nur wenigen Metern Tiefe noch heute vorhandene „fossile“ Eis nicht von anderen Instrumenten wie beispielsweise Spektrometern entdeckt werden kann.

Treffen die Schlussfolgerungen der Forscher zu, weisen die Resultate auf einen Klimawechsel auf dem Mars innerhalb der letzten Millionen Jahre hin. Derart dramatische Klimawechsel werden seit geraumer Zeit in der Marsforschung diskutiert und könnten ihre Ursache in einer im Lauf der Jahrmillionen um große Neigungswinkel schwankenden Polachse des Mars haben, ein seit längerem bekanntes Phänomen. Die Entschlüsselung der Klimageschichte des Mars ist eine der Hauptfragen, die mit den aktuellen Marsmissionen wie Mars Express geklärt werden soll. Die Forscher interessiert vor allem, wann und über welche Zeiträume auf dem Mars Wasser und Eis vorhanden waren.

Das Kameraexperiment HRSC auf der Mission Mars Express der Europäischen Weltraumorganisation ESA wird vom Principal Investigator Prof. Dr. Gerhard Neukum (Freie Universität Berlin), der auch die technische Konzeption der hochauflösenden Stereokamera entworfen hat, geleitet. Das Wissenschaftsteam besteht aus 45 Co-Investigatoren aus 32 Instituten und zehn Nationen. Die Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) unter der Leitung des Principal Investigators (PI) Gerhard Neukum entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Die Kamera wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben, wo die systematische Datenprozessierung erfolgt.

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Ilka Seer idw

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