Südhalbkugel wichtiger für Klima als angenommen

Meerestemperaturen und Gletscherdaten lassen Forscher umdenken

Der Südozean könnte eine größere Rolle bei kurzfristigen Klimaänderungen spielen, als bisher angenommen. Dies fanden Potsdamer und Bremer Geowissenschaftler jetzt anhand von einmaligen Meeressedimenten aus chilenischen Küstengewässern heraus. Die Ablagerungen dokumentieren sowohl die Klimageschichte des Meeres, als auch die des chilenischen Hinterlandes. Zusammen mit Kollegen aus Norwegen und den USA berichten die Geowissenschaftler in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift Science am 25. Juni 2004 über ihre Erkenntnisse.

Während und nach der letzten Eiszeit schwankten die Temperaturen innerhalb weniger Tausend Jahre mehrfach – und das gleich um einige Grad Celsius. Aus grönländischem Eis und nordatlantischem Meeresschlamm kennen Wissenschaftler diese heftigen Veränderungen des Klimas gut. Im wohl erforschten Nordatlantik vermuteten sie bis jetzt auch den Motor des weltweiten Klimageschehens. Allerdings sind sich die Forscher noch nicht einig, ob die Südhalbkugel während der letzten 50.000 Jahre dem Klimarhythmus der Nordhalbkugel folgte oder einen gegensätzlichen Rhythmus hatte. Denn: Während die Antarktis warm war, wenn es im Norden kalt war und umgekehrt, scheinen zum Beispiel die Gletscher in Nord- und Südamerika gleichgeschaltet gewesen zu sein.

Die jetzt vorliegende Studie wirft Licht auf diese Frage. „Unsere Daten zeigen uns erstmals, dass die Antarktis das Klimageschehen der Südhalbkugel wesentlich stärker und großräumiger beeinflusst, als bisher angenommen“, erläutert Frank Lamy vom Geoforschungszentrum Potsdam und Erstautor der Studie. „Die Meeressedimente, die wir untersucht haben, zeigen deutlich, dass vor Chile die Temperaturen des Oberflächenwassers mit dem Klimageschehen der Antarktis eng zusammenhängen.“ Ko-Autor Jérôme Kaiser vom DFG-Forschungszentrum Ozeanränder in Bremen fügt hinzu: „Nicht nur das: Auch die Wassertemperaturen aus anderen Ozeangebieten rund um die Südhalbkugel scheinen von der Ausdehnung des antarktischen Meereises abzuhängen „.

Auswirkungen hat das Meereis auch auf die Gletscher des Patagonischen Eisschildes. Allerdings reagieren diese auf veränderte Meerestemperaturen um bis zu 1.000 Jahre verzögert. Dies zeigten die Analysen der Meeressedimente. Sie enthalten Erosionsprodukte des Gletschers und dokumentieren so den Schmelzwassereintrag. Dies könnte die widersprüchlichen Ergebnisse für die Nord- und Südhalbkugel während der letzten 50.000 Jahre erklären. „Unsere Daten lassen vermuten, dass zumindest die patagonischen Gletscher zu langsam reagieren, um solch abrupte Klimawechsel verlässlich nachzuzeichnen“, sagt Lamy.

Die untersuchten Meeressedimente wurden im Rahmen des internationalen „Ocean Drilling Programs (ODP) erbohrt. Sie gewähren erstmals einen detaillierten Einblick in das weitgehend unerforschte Klimageschehen des Südost-Pazifik während der letzten Eiszeit. Die jetzige Studie bestätigt Daten aus Klimamodellen, die einen stärkeren Einfluss der Südhalbkugel auf das globale Klimageschehen postuliert haben. Solche Einblicke in die Vergangenheit ermöglichen genauere Prognosen für das Klima der Zukunft. Dementsprechend ist eine der größten Herausforderungen moderner Klimaforscher die Ursachen schneller Klimaumschwünge und deren Konsequenzen zu verstehen.

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