Spurengasen auf der Spur: DLR nimmt mit seinen Partnern erfolgreich Tropengewitter unter die Lupe

Wissenschaftler messen in Brasilien mit Forschungsflugzeug „Falcon“ neuen Stickoxid-Spitzenwert

Von einer einzigartigen Kampagne im Süden Brasiliens ist in dieser Woche die „Falcon“ des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) zurückgekehrt. Das in Oberpfaffenhofen stationierte Forschungsflugzeug hat erstmalig in den Tropen über einem Kontinent einen kompletten Satz von Messdaten über die Zusammensetzung der Atmosphäre im Beriech starker tropischer Gewitter gemessen. Die Messungen sind Teil des durch die Europäische Kommission (EC) geförderten Projekts „TROCCINOX“ (Tropical Convection, Cirrus and Nitrogen Oxides Experiment). Vorrangiges Ziel der Kampagne, an der Wissenschaftler aus Deutschland, Frankreich, der Schweiz, Russland, England, Italien und Brasilien beteiligt waren: das Verständnis der Stickoxid-Produktion in Gewittern im Zusammenhang mit dem globalen Ozongehalt und dem Treibhauseffekt zu verbessern. Das Flugzeug hat dazu mit verschiedenen Sonden und Messinstrumenten in der Nähe von tropischen Gewittern unter anderem von Blitzen verursachte Stickoxide und andere Spurenstoff-Konzentrationen gemessen.

Das Hauptaugenmerk des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt liegt dabei auf Stickoxiden (NOx). Herausgefunden werden soll, in welchem Verhältnis vom Menschen verursachte Stickoxide (vor allem jene des Kraftfahrzeug- und Flugverkehrs) zu denen der in der Natur auftretenden stehen. Eine hohe Konzentration an Stickoxiden führt in der freien Atmosphäre zu einer Erhöhung der Ozonkonzentration. Gleichzeitig wird dabei Methan abgebaut. Ozon und Methan sind Treibhausgase. Insofern beeinflussen Gewitter auch den Treibhauseffekt.

Der Löwenanteil der „natürlichen“ Stickoxide entsteht in Gewittern. Wenn ein Blitz seine enorme, in einem Kanal gebündelte Energie freisetzt, werden Temperaturen von mehr als 30.000 Grad Celsius erreicht. Die Luft wird dabei buchstäblich verbrannt. Der Beitrag von allen Gewittern auf der Erde zu Stickoxiden in der Atmosphäre ist nur sehr ungenau bekannt. Bisherige Arbeiten lieferten Schätzwerte zwischen zwei und zwanzig Megatonnen Stickstoff pro Jahr.

Von dem Flughafen nahe der Stadt Gaviao Peixote aus bewältigte die Falcon in den vergangenen Wochen eine Reihe von Messflügen, bei denen mehrfach hochreichende Gewittertürme angeflogen wurden.
Bei den ersten Messungen erlebten die Klimaforscher eine Überraschung. Die Stickoxid-Konzentrationen in den von den Gewittern beeinflussten Gebieten sind niedriger, als von einigen Klima-Modellen vorhergesagt – ob dies ein Indiz für einen möglicherweise überschätzten Beitrag von Gewittern zur Stickoxidproduktion ist, muss die weitere Auswertung der Messungen im Vergleich zu den Modellrechnungen zeigen. Zugleich konnten die DLR-Forscher in Brasilien aber auch einen neuen Stickoxid-Spitzenwert in der Umgebung eines Blitzes messen. Mit 60 nmol/mol wurde die bisherige gemessene Rekordspitze (25 nmol/mol) um mehr als das Doppelte übertroffen.

Wichtige Erkenntnisse ergab auch das französische Schwesterprojekt „HIBISCUS“. Es fand zeitgleich in Brasilien statt und wurde vom „French Centre National de la Recherche Scientifique“ (CNRS) koordiniert. In großer Höhe erfolgten ebenfalls in der Nähe von Gewitterfronten Ballon-Messungen von Spurengasen. Betreiber der Ballons ist das „Centre National d’etudes spatiales“ (CNES). Unterstützung erhielten die Europäer bei den Kampagnen von brasilianischen Forschern, die in dem Partnerprojekt „TroCCiBras“ mit einem weiteren Forschungsflugzeug Spurengas-Messungen in niedrigeren Höhen vornahmen. Beide EU-Projekte – TROCCINOX und HIBISCUS – liefen in Kooperation mit dem Meteorologischen Forschungsinstitut der Universität von Sao Paulo (IMPet/UNESP). Schließlich fanden im Rahmen des Projekts auch Vergleichsmessungen mit Satellitenmessungen statt. Diese Vergleichsmessungen liefern wichtige Daten zur Überprüfung der Genauigkeit der Satellitenmessungen, insbesondere des europäischen Umweltsatelliten ENVISAT. Die Satellitenmessungen werden genutzt, um von den lokalen Messungen auf die Zusammensetzung der Atmosphäre global zu schließen. Hierbei leistete insbesondere eine Wasserdampf-Lidar des DLR an Bord der Falcon wichtige Dienste, das in dieser Form auf keinem anderen Messflugzeug der Welt verfügbar ist. Das Lidar misst die Absorption von Laser-Licht durch Wasserdampf bei zwei optischen Wellenlängen. Damit wurden von der Falcon aus, die in Höhen bis 12.500 Metern flog, die Eigenschaften der Wolken und die Konzentration von Wasserdampf bis in Höhen von 17 Kilometern vermessen.

Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass dank der Messungen in Brasilien der Beitrag von Gewittern zur Luftqualität und ihr Einfluss auf das globale Klima auf der Erde deutlich genauer bestimmt werden kann, als bisher.

In einer zweiten Messphase von TROCCINOX ist der gemeinsame Einsatz des russischen Höhenforschungsflugzeugs „Geophysica“ und der „Falcon“ geplant. Die „Geophysica“ kann dank ihrer außergewöhnlichen Konstruktion (Länge 22,86 Meter / Spannweite 37,46 Meter) bis in eine Höhe von 21 Kilometern (zehn Kilometer höher als ein Verkehrsflugzeug) über den Bereich der so genannten Tropopause aufsteigen und so auch den Beitrag der Gewitter in Höhen oberhalb von 13 Kilometern messen, der mit der Falcon alleine nicht erfasst werden kann.

Ansprechpartner:

Professor Dr. Ulrich Schumann
Direktor des DLR-Instituts für Physik der Atmosphäre
Tel.: 08153/28-2520, Fax: -1841

Media Contact

DLR

Weitere Informationen:

http://www.dlr.de

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