"Polarstern" fährt zum 18. Mal in die Antarktis


Erster Teil des umfangreichen Forschungsprogramms ist ein Eisenexperiment

Am 29. September läuft das eisbrechende Forschungsschiff des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung, „Polarstern“, von Bremerhaven zu seiner achtzehnten Reise in die Antarktis aus. Nach einem Monat Generalüberholung in der Lloyd-Werft Bremerhaven ist das Schiff für die fast neun Monate dauernde Reise gut gerüstet. Der erste Fahrtabschnitt führt nach Kapstadt und wird zur Erprobung von wissenschaftlichen Geräten und für atmosphärische Messungen genutzt.

Ein Düngungsversuch mit Eisen ist Schwerpunkt des zweiten Fahrtabschnitts vom 25. Oktober bis zum 3. Dezember. Er gilt dem Überprüfen der Hypothese „Eisenmangel begrenzt Planktonwachstum in landfernen Meeresgebieten“. 56 Physiker, Chemiker und Biologen aus Deutschland, den Niederlanden, England, Japan, Spanien und den USA werden das teilweise von der Europäischen Union finanzierte Experiment „Eisenex“ südlich von Südafrika durchführen. „Eisenex“ soll fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse über die Wirkung der Eisendüngung liefern. Auf dieses Verfahren setzen einige Interessengruppen, um das Treibhausgas Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entfernen, im Meer zu binden und dadurch den globalen Treibhauseffekt zu verringern. Es sind jedoch grundlegende Fragen der Eisendüngung noch nicht gelöst und die ökologischen Konsequenzen einer großflächigen Meeresdüngung noch nicht abschätzbar.

Es wird vermutet, dass die Zufuhr von Eisen im offenen Meer durch windgetragenen Staub aus den Wüstengebieten der Erde geschieht. Die Forscher auf „Polarstern“ werden einen solchen Staubeinfall simulieren, indem sie im Südatlantik bei 50° Süd ein Gebiet von zehn Kilometer Durchmesser mit Eisen „düngen“ und einige Tonnen gelöstes Eisensulfat vom fahrenden Schiff aus verteilen. Frühere Polarsternfahrten haben gezeigt, dass das Meer im Untersuchungsgebiet tatsächlich reich an Pflanzennährstoffen wie Nitrat, Phosphat und Silizium, aber arm an Eisen ist.

Die biologischen, chemischen und physikalischen Prozesse in diesem Gebiet sollen drei Wochen lang verfolgt werden. Der Erfolg des Experiments hängt entscheidend vom Wetter und den Meeresströmungen ab. Aufgabe der Physiker ist es, ein geeignetes Gebiet zu finden und den gedüngten Fleck während des Experiments zu verfolgen. Die Chemiker werden rund um die Uhr die Konzentration von Eisen, anderen Nährstoffen und Kohlendioxid messen, während die Biologen sich den verschiedenen Organismen des Planktons – Algen, Protozoen (Planktontierchen), Bakterien und anderen Tieren – widmen werden.

Derartige Eisendüngungsexperimente sind bereits dreimal durchgeführt worden: zweimal im Äquatorialen Pazifik und einmal im Südlichen Ozean. Einige der Teilnehmer an „Eisenex“ waren damals auch dabei. Bei den bisherigen Experimenten wuchsen die Planktonalgen schnell und bauten in wenigen Tagen zehnmal mehr Biomasse auf als im benachbarten, ungedüngten Wasser. Die Ergebnisse haben eine Reihe von Fragen aufgeworfen, die während „Eisenex“ untersucht werden sollen. So vermehrten sich in allen gedüngten Gebieten nur Kieselalgen, obwohl das Wachstum anderer Algen ebenfalls durch die Eisenzufuhr angeregt wurde. Es wird vermutet, dass die Kieselalgen gegen den Wegfraß von einzelligen Planktontierchen (Protozoen) besser geschützt sind und sich stärker vermehren. Kieselalgen sind die bevorzugte Nahrung größerer Planktonkrebschen (Zooplankton), die wiederum die Grundlage der marinen Nahrungskette bis hin zu den Fischen darstellen. Eine Eisendüngung könnte somit auch das Fischwachstum anregen.

Eine weitere Konsequenz der Eisendüngung ist die verstärkte Aufnahme des Treibhausgases Kohlendioxid durch das Meer. Planktonalgen wachsen, indem sie im Wasser gelöstes Kohlendioxid mit Hilfe von Sonnenlicht zu Biomasse umwandeln (Photosynthese). Dadurch entsteht ein Defizit im Kohlendioxidgehalt des Oberflächenwassers, das durch Aufnahme aus der Atmosphäre wieder ausgeglichen wird. Regt man das Planktonwachstum, z. B. durch Eisendüngung, an, wachsen mehr Algen und das Meer nimmt mehr Kohlendioxid auf. Ein Absinken der Algen zum Meeresboden bewirkt, dass das aufgenommene Kohlendioxid im Meer verbleibt – gewissermaßen gespeichert wird. Werden dagegen die Algen im Oberflächenwasser durch Planktontierchen und Bakterien wieder zu Kohlendioxid abgebaut und dieses an die Atmosphäre abgegeben, gibt es keine „Kohlendioxidspeicherung“. Das Schicksal der durch die Düngung erzeugten Algenbiomasse ist somit entscheidend für die Wirkung auf den Kohlendioxidhaushalt.

Nach dem Eisenexperiment stehen ozeanographische und biologische Untersuchungen im Weddellmeer, die Versorgung der Neumayer-Station sowie biologische und geowissenschaftliche Untersuchungen im Amundsenmeer und in der Bellingshausensee auf dem Fahrtprogramm der „Polarstern“. Das Schiff wird voraussichtlich am 6. Juni 2001 wieder in Bremerhaven eintreffen.

 

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Dipl.-Ing. Margarete Pauls idw

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