Modell zur präziseren Regenvorhersage

„Kräht der Hahn auf dem Mist, ändert sich das Wetter oder es bleibt wie es ist.“ Wettervorhersagen sind heute in der Regel aussagekräftiger als diese alte Bauernregel. Irrtümer kommen trotzdem vor. Radarstationen warnen zwar früh vor Hagel oder Gewitter, messen aber die Regenmenge nicht hundertprozentig genau. Dr.-Ing. Markus Quirmbach entwickelte ein Modell, das Niederschläge präziser vorhersagt. Das Abwassersystem lässt sich somit rechtzeitig auf die Gefahr eines Überflutens vorbereiten. Seine Doktorarbeit „Nutzung von Wetterradardaten für Niederschlags- und Abflussvorhersagen in urbanen Gebieten“, Teil eines DFG-Verbundprojektes, veröffentlicht der Lehrstuhl für Hydrologie, Wasserwirtschaft und Umwelttechnik der RUB (Prof. Dr. rer. nat. Andreas Schumann) in der aktuellen Ausgabe seiner Schriftenreihe. RUBIN/News stellt die Ergebnisse vor – auch im Internet unter http://www.ruhr-uni-bochum.de/rubin/rbin1_03/index.html.

Schattbach-Belastung reduziert

Ziel war es herausfinden, unter welchen Bedingungen welche Methode der Niederschlagsmessung genauere Ergebnisse liefert. Quirmbach verglich die Angaben eines Wetterradars mit denen eines Regenschreibers und untersuchte beide auf Vor- und Nachteile. Als Untersuchungsraum wählte Quirmbach ein Gebiet von knapp vier Quadratkilometern um den Schattbach nahe der RUB – und zwar den Teil des kleinen Gewässers, der mit der Kanalisation verbunden ist. Aus dem Kanalnetz gelangt bei starken Regenfällen verschmutztes Mischwasser in den Schattbach und stört dort das ökologische Gleichgewicht. Durch eine gezielte Steuerung des Kanalsystems, also dem Öffnen und Schließen bestimmter Leitungen, könnte das überschwappende Mischwasser und damit die Belastung des Baches reduziert werden. Dafür ist es notwendig, möglichst früh zu wissen, wie hoch die Welle bei einer bestimmten Regenintensität wird, um das Kanalnetz auf die zusätzliche Wassermenge einzustellen.

Vergleich mit Regenschreiber

Der Ingenieur nutzte den Wetterradar in Essen, eine von 16 Stationen des Deutschen Wetterdienstes, die alle fünf Minuten in einem Umkreis von 100 Kilometern Niederschläge ermitteln. Der Vorteil des Radars ist seine flächendeckende Messung. Allerdings kann es zu Abweichungen der Werte kommen. Denn das Wasser, das oben die Wolke verlässt, landet nicht unbedingt in gleicher Menge und Form auf der Erde. Schon ein starker Windstoß kann das Ergebnis verändern. „Außerdem werden beim Wetterradar elektromagnetische Wellen benutzt, die von den Wassertropfen reflektiert werden. Diese Daten werden dann erst in Regen „umgerechnet“. Der Niederschlag wird also nur indirekt gemessen und die Angaben hängen zum Beispiel von der Tropfengröße ab“, erklärt der 34-Jährige. Wenige große Tropfen reflektieren die Messwellen genauso wie viele kleine Regentropfen. Letztere ergeben aber auf dem Boden eine größere Niederschlagsmenge. Deshalb verwendete Quirmbach zusätzlich hochwertige Regenschreiber, die – zeitlich kontinuierlich, aber lokal begrenzt – die tatsächlich gefallene Menge des Niederschlags erfassen.

Gefahr ab fünf Millimetern Niederschlag

Mit den so gewonnenen Daten konnte Quirmbach die Abweichungen der Radardaten ermitteln und einen Faktor berechnen, der die Mengenangaben bereinigt. Steht nun ein starker Regen bevor, kann der Ingenieur anhand der Radarwerte vorhersagen, wie viel Wasser tatsächlich auf der Erde landen wird. Quirmbach fand heraus, dass die Kanalisation am Schattbach ab fünf Millimeter Niederschlag in der Stunde, was einem relativ heftigen Regen entspricht, überläuft und verschmutztes Mischwasser in den Bach fließt.

Noch zu teuer für Kommunen

Bei der Gegenüberstellung der Messmethoden stellte er fest, dass Regenschreiber genauere Werte angeben, sofern sie sehr engmaschig – einer pro 16 Quadratkilometer – aufgestellt werden. Auch ihr Standort ist relevant für die Resultate, da sich in Extremfällen die Niederschlagsintensität innerhalb weniger Quadratkilometer im ein Vielfaches verändern kann. Sind Dichte und Qualität der Regenschreiber geringer, so wie es in der Praxis überwiegend der Fall ist, sind Radarniederschlagswerte gerade für große Einzugsgebiete geeigneter, zumal die Daten aufgrund berechenbarer Wolkenbewegungen früher verfügbar sind. Erst die Kombination beider Messarten verbessert die richtige Prognose und dadurch die Möglichkeit, das Abflussnetz auf ein starkes Regenereignis einzustellen. Noch wird das System nicht für die kontrollierte Stadtentwässerung eingesetzt, da nicht alle Kommunen ihre Kanalisation steuern und die Radardaten zu teuer sind.

Weitere Informationen

Dr.-Ing. Markus Quirmbach, dr. Papadakis GmbH Ingenieurgesellschaft für Hydrologie, Siedlungswasser- und Wasserwirtschaft, Hattingen, Tel. 02324/55300, E-Mail: m.quirmbach@drpapadakis.de

Themen in RUBIN 1/2003

Themen in RUBIN: Zur Situation im Irak (Gastkommentar von Peter Scholl-Latour); Humanitäre Hilfe im Schatten des Regimewechsels im Irak; Glückliche Maschinen – eine philosophische Betrachtung zu den Maschinen des Künstlers Jean Tinguely; Faszination Diamant: Zauber und Geschichte eines Edelsteins; Das kindliche Gehirn schützen, Nervenzellen ersetzen; Wenn Berührung weh tut – Neue Wege in der Schmerztherapie; Formgedächtnislegierungen – Metalle erinnern sich; „Cat Walk“ und Westernheld – was Bewegung ausdrückt; Kanal voll: Wenn Bäume in Rohren Wurzeln schlagen; News. RUBIN ist in der Pressestelle der Ruhr-Universität Bochum zum Preis von 2,50 Euro erhältlich.

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Dr. Josef König idw

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