Feuer unter dem Eis

Erstmals konnte ein internationales Forscherteam in der Tiefe des eisbedeckten Arktischen Ozeans Anzeichen von explosivem Vulkanismus nachweisen.

Wie die Wissenschaftler einer von der amerikanischen Woods Hole Oceanographic Institution (WHOI) geleiteten Expedition zum Gakkel-Rücken in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals Nature berichten, entdeckten sie mit einer speziell entwickelten Kamera in 4000 Meter Wassertiefe ausgedehnte Ascheschichten am Meeresboden, die auf einen gigantischen Vulkanausbruch hindeuten.

„An Land sind explosive Vulkanausbrüche nichts Ungewöhnliches und stellen eine große Bedrohung für ganze Landstriche dar“, erläutert Dr. Vera Schlindwein vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft, die als Geophysikerin an der Expedition teilnahm und mit ihrem Team seit vielen Jahren die Erdbebenaktivität im Arktischen Ozean untersucht. „Im Jahr 79 n. Chr. explodierte der Vesuv und begrub das blühende Pompeji unter einer Schicht von Asche und Bimsstein.

Weit entfernt im Arktischen Ozean, bei 85° N 85 °E, ereignete sich 1999 nahezu unbemerkt eine ähnlich heftige Vulkanexplosion – hier allerdings unter einer Wasserschicht von 4 Kilometer Dicke.“ Bisher sind die Forscher davon ausgegangen, dass explosiver Vulkanismus in Wassertiefen von mehr als 3 Kilometern wegen des großen Umgebungsdrucks nicht vorkommen kann. „Nie zuvor wurden in Meerestiefen von mehr als 3000 Metern pyroklastische Ablagerungen und damit Zeugen von explosivem Vulkanismus gefunden“, bestätigt Robert Sohn, Mitarbeiter der WHOI und leitender Wissenschaftler der im Sommer 2007 mit dem schwedischen Eisbrecher Oden durchgeführten Expedition.

Ein Großteil des Vulkanismus der Erde findet an den so genannten Mittelozeanischen Rücken und damit völlig unbemerkt am Meeresboden statt. Dort driften die Erdplatten auseinander, flüssiges Magma dringt in die Lücke und bildet in unzähligen Vulkanausbrüchen laufend neuen Meeresboden. Begleitet von kleinen Erdbeben, die an Land nicht registriert werden, fließt Lava auf den Meeresboden. Die unspektakulären Ausbrüche halten in der Regel nur wenige Tage oder Wochen an.

Der Gakkel-Rücken im Arktischen Ozean öffnet sich mit 6 bis14 Millimetern pro Jahr so langsam, dass gängige Theorien Vulkanismus für unwahrscheinlich hielten – bis 1999 eine Serie von 300 starken Erdbeben über 8 Monate einen Vulkanausbruch bei 85°N 85°E in 4 Kilometer Wassertiefe signalisierte. Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts wurden auf diesen Erdbebenschwarm aufmerksam und berichteten im Fachjournal EOS im Jahr 2000 über dessen ungewöhnliche Eigenschaften.

Seit 2006 untersucht Vera Schlindwein mit ihrer Nachwuchswissenschaftlergruppe die Erdbebenaktivität solch ultralangsamer Rücken nun intensiv. „Das Meer über dem Gakkel-Rücken ist ganzjährig mit Eis bedeckt. Um kleine Erdbeben, die die aktiven geologischen Prozesse begleiten, aufzeichnen zu können, müssen wir unsere Seismometer auf driftenden Eisschollen aufbauen.“ Die ungewöhnliche Messmethode erwies sich als erfolgreich: In einem ersten Test im Sommer 2001 – während der „Arctic Mid-Ocean Ridge Expedition (AMORE)“ mit dem Forschungseisbrecher Polarstern – zeichneten die Seismometer Knallgeräusche im Minutentakt auf, die vom Meeresboden aus der Vulkanregion stammten.

„Das war eine seltene Zufallsaufzeichnung einer submarinen Eruption in unmittelbarer Nähe“, so Schlindwein. „Ich habe 2001 zwar postuliert, dass der Vulkan immer noch aktiv ist. Dass die aufgezeichneten Knallgeräusche aber von aktuellen vulkanischen Explosionen stammen könnten, hatte ich aufgrund der Wassertiefe von 4 Kilometern für wenig wahrscheinlich gehalten.“

Nach ihrer Teilnahme an der Oden-Expedition 2007, während der Schlindweins Team gezielte Erdbebenmessungen in der aktiven Vulkanregion durchführte, sieht die Wissenschaftlerin dies anders: „Unsere Arbeiten konzentrieren sich nun darauf, die explosiven Vulkanepisoden von 1999 und 2001 anhand der sie begleitenden Erdbeben zu rekonstruieren und zu verstehen.

Wir wollen wissen, welche geologischen Besonderheiten dazu führten, dass ein so hoher Gasdruck aufgebaut werden konnte, der eine Vulkanexplosion in dieser Wassertiefe überhaupt ermöglichte.“ Wie Robert Sohn vermutet sie, dass explosive Vulkanausbrüche an den wenig erforschten ultralangsamen Rücken viel verbreiteter sind, als je angenommen wurde.

Das Alfred-Wegener-Institut forscht in der Arktis, Antarktis und den Ozeanen der mittleren sowie hohen Breiten. Es koordiniert die Polarforschung in Deutschland und stellt wichtige Infrastruktur wie den Forschungseisbrecher Polarstern und Stationen in der Arktis und Antarktis für die internationale Wissenschaft zur Verfügung. Das Alfred-Wegener-Institut ist eines der fünfzehn Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands.

Media Contact

Margarete Pauls idw

Weitere Informationen:

http://www.awi.de

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