Unterwegs in die Arktis und zu den Orkney Inseln

Nach nur dreiwöchiger Werftzeit in Bremerhaven läuft der Forschungseisbrecher Polarstern des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft am Donnerstag, den 12. Juni in die Arktis aus.

Die insgesamt rund vier Monate dauernde Expedition ist in drei Fahrtabschnitte unterteilt und führt über die Grönlandsee nach Spitzbergen bis in die Framstraße. Im dritten Fahrtabschnitt ist die Durchfahrt der Nord-West-Passage bis in die ostsibirische See geplant. Zwei Tage zuvor, am Dienstag, den 10. Juni verlässt das Forschungsschiff Heincke die Insel Helgoland mit Richtung Orkney Inseln. Im Mittelpunkt der Forschungen stehen meeresbiologische Untersuchungen im Nordatlantik.

Forschungsschwerpunkt des ersten Fahrtabschnitts der Polarstern sind ozeanographische Messungen in der Grönlandsee. Die Arbeiten im Rahmen des Internationalen Polarjahres werden von Dr. Gereon Budéus, Ozeanograph am Alfred-Wegener-Institut, geleitet und sollen neue Erkenntnisse über die Auswirkungen des Klimawandels liefern. Er und seine Kollegen haben spezielle Verankerungen entwickelt, die einmal täglich von etwa 100 Metern Wassertiefe bis auf den Grund in 3700 Meter Tiefe absinken und wieder auftauchen.

Dabei messen sie die Temperatur und den Salzgehalt des Wassers, die wichtigsten Größen, um Wasserkörper und Strömungsmuster zu identifizieren. Diese Verankerungen arbeiten seit mehreren Jahren und werden nun geborgen, um die aufgenommenen Daten auszulesen und neue Verankerungen auszubringen. Die bisherigen Untersuchungen zeigten, dass im Becken der Grönlandsee eine besondere Süßwasserzufuhr die Struktur des Wasserkörpers verändert hat. Diese Beobachtung ist weltweit einzigartig und die Auswirkungen der Veränderung sollen nun erforscht werden.

Ein weiteres Projekt beschäftigt sich mit der Bewegung des grönländischen Festlandes. Wissenschaftler der Universität Dresden messen, wie stark sich das Land hebt, weil das auf ihm lastende Gewicht durch das Abschmelzen der Gletscher abnimmt. Dazu setzen sie hoch auflösende GPS-Empfänger ein, die während des ersten und zweiten Fahrtabschnitts auf Grönland ausgebracht werden, um Bewegungsraten der Erdkruste zu ermitteln. Damit sie ausreichend genau messen können, werden die Empfänger erst im zweiten Fahrtabschnitt wieder geborgen.

Der zweite Abschnitt vom 4. Juli bis 10. August führt unter der Leitung von Prof. Dr. Gerhard Kattner, Chemiker am Alfred-Wegener-Institut, von Spitzbergen nach Reykjavik (Island). Auch hier dreht sich alles um den Einfluss des Klimawandels auf die polaren Gebiete. So wird die Produktion von Methan, einem klimarelevanten Atmosphärengas, bestimmt. Woher die Wassermassen vor Grönland stammen, klären Wissenschaftler, indem sie die Nährsalzkonzentrationen analysieren. Biologische und ozeanographische Langzeituntersuchungen, die seit 1999 im so genannten „AWI-Hausgarten“ regelmäßig zu verstehen helfen, wie Lebewesen darauf reagieren, dass sich die Eiskante verlagert, werden fortgesetzt.

Wenn es die Eisbedingungen erlauben, führt der dritte und letzte Fahrtabschnitt ab 21. August von Reykjavik durch die Nord-West-Passage in die ostsibirische See. Geowissenschaftler um Fahrtleiter Dr. Wilfried Jokat möchten die tektonische Entwicklung der Schnittstelle eines unterseeischen Rückens, des Mendelejew-Rückens, mit dem Festlandsockel des ostsibirischen Schelfs untersuchen. Außerdem wollen die Forscher über Sedimente, die auf dem Meeresboden lagern, bestimmen, welche Temperaturbedingungen nach der letzten Eiszeit oder auch im Mesozoikum, dem Erdmittelalter, herrschten. Über die Nord-Ost-Passage fährt Polarstern dann wieder Richtung Heimathafen Bremerhaven, wo sie am 12. Oktober zurück erwartet wird.

Am Dienstag, den 10. Juni wird das Forschungsschiff Heincke zu meeresbiologischen Untersuchungen von Helgoland aus zu den Orkney Inseln im Nordatlantik aufbrechen. Im Fokus der insgesamt zwölf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an Bord stehen dabei die Nesseltiere, zu denen zum Beispiel auch die Quallen zählen. Nesseltiere besitzen zur Verteidigung und für die Nahrungsaufnahme so genannte Nesselzellen, die mit einer winzigen Harpune unter hohem Druck hochwirksame Gifte in ihr Beutetier schießen.

Das Gift einiger Arten kann auch beim Menschen zu allergischen Hautreaktionen, in einzelnen Fällen sogar durch Lähmung des Atemapparates zum Tod führen. In Zusammenarbeit mit dem GKSS Forschungszentrum in Geesthacht sollen der Ursprung sowie die chemische Zusammensetzung der Gifte aufgeklärt werden. Weiterhin stehen auch eingewanderte Arten aus wärmeren Gebieten im besonderen Interesse der Forscherinnen und Forscher. Heincke wird am 3. Juli wieder auf Helgoland erwartet.

Das Alfred-Wegener-Institut forscht in der Arktis, Antarktis und den Ozeanen der gemäßigten sowie hohen Breiten. Es koordiniert die Polarforschung in Deutschland und stellt wichtige Infrastruktur wie den Forschungseisbrecher Polarstern und Stationen in der Arktis und Antarktis für die internationale Wissenschaft zur Verfügung. Das Alfred-Wegener-Institut ist eines der fünfzehn Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands.

Im Internationalen Polarjahr 2007/2008 erforschen mehr als 50.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus über 60 Ländern die Polargebiete. Ihr Ziel ist es, die Rolle der Arktis und Antarktis für das Klima und die Ökosysteme der Erde zu untersuchen. Deutschland hat mit dem weltweit leistungsfähigsten Forschungseisbrecher Polarstern, mehreren Polarstationen und zwei Polarflugzeugen sehr gute Voraussetzungen, um in der Arktis und Antarktis zu forschen. Die Schwerpunktthemen, zu denen Deutschland in besonderer Weise beitragen kann sind: Polargebiete im Wandel des Weltklimas, Wandernde Kontinente, Vorstoß in unbekannte Regionen und Entwicklung innovativer Technologien.

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Dipl.-Ing. Margarete Pauls idw

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