Aquaplaning im Gesteinsuntergrund

Die Nazca-Platte schiebt von Westen mit mehr als 6 cm pro Jahr gegen die Südamerikanische Platte. Dabei werden enorme Spannungen aufgebaut, die sich in schweren Beben entladen. Abb.: M. Moreno et al./GFZ

Das schwerste Erdbeben, das jemals gemessen wurde, ereignete sich an einem Herbstsonntag vor 58 Jahren bei Valdivia in Chile. Am 22. Mai 1960 um 15.11 Uhr Ortszeit bebte die Erde dort zehn Minuten lang. Messgeräte weltweit registrierten eine Momentmagnitude von 9.4 bis 9.6. Mehr als ein halbes Jahrhundert später, am 25. Dezember 2016, gab es das erste große Beben, das sich in der gleichen geologischen Bruchzone ereignete.

Es hatte eine Magnitude von 7.6. Ein internationales Team unter Leitung des Deutschen GeoForschungsZentrums (GFZ) hat jetzt einen Mechanismus identifiziert, der vermutlich beiden Beben zu Grunde liegt. Marcos Moreno vom GFZ berichtet darüber gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen in der Fachzeitschrift „Nature Geoscience“. Das Team nutzte für seine Arbeit nicht nur geologische Daten, sondern auch Radar-Satellitenaufnahmen, GPS-Messungen und Schwerefeld-Daten.

Der Studie zufolge lag der Bebenherd von 2016 an der unteren Grenze einer Gesteinsunebenheit, die zwei Erdkrustenplatten miteinander verhakt – ungefähr so wie bei einem Klettverschluss. Über längere Zeit betrachtet, bewegt sich die so genannte Nazca-Platte mit 68 Millimetern pro Jahr gegen die Südamerikanische Platte und taucht unter diese ab – sie wird „subduziert“.

Dieser Vorgang geschieht aber nicht gleichmäßig, sondern in Etappen: Die meiste Zeit sind die beiden Erdplatten an den jeweiligen Grenzen der Platten ineinander verhakt, während die weiter entfernten Regionen weiter „schieben“. Dadurch baut sich eine enorme Spannung auf, der sich immer wieder plötzlich in gewaltigen Erdbeben entlädt. Den Ergebnissen des Teams zufolge hatte das 1960-er Beben seinen Ursprung an der oberen Grenze der verhakten Zone. Die Bruchzone ist seitdem wieder „verheilt“.

In ihrer Arbeit stellen die Forscherinnen und Forscher ein mechanisches Modell vor, wonach sich die größte Spannung an der unteren Grenze der Unebenheiten nach und nach aufbaut. Das 2016-er Beben löste diese Spannung. Je nach Ausmaß der Unebenheit, und abhängig von den Reibungsparametern an den Grenzflächen beider Platten, prognostiziert das mechanische Modell des Teams die Zeitdauer, in der es zu erneuten Brüchen in der Tiefe oder in flacheren Zonen kommt.

Die Spanne von 56 Jahren zwischen beiden großen Beben weist nach dem Modell darauf hin, dass der Druck von Flüssigkeiten (hauptsächlich Wasser) an der Untergrenze der verhakten Zone dem des umgebenden Gesteins – dem so genannten lithostatischen Druck – nahekommt.

Dagegen ist der Wasserdruck an der oberen Grenze etwas niedriger. Steigt nun der Wasserdruck so hoch, dass er dem lithostatischen Druck gleichkommt, dann setzt ein Effekt wie Aquaplaning ein und das verhakte Gestein löst sich – mit potenziell verheerenden Folgen.

Die Forscherinnen und Forscher gehen davon aus, dass sich ihr Modell auch auf andere Subduktionszonen weltweit anwenden lässt, wo gegenwärtig Erdkrustenplatten miteinander verhakt sind.

Titel der Originalarbeit in „Nature Geoscience“ von Marcos Moreno et al.:
Chilean megathrust earthquake recurrence linked to frictional contrast at depth
DOI: 10.1038/s41561-018-0089-5

Media Contact

Josef Zens Helmholtz-Zentrum Potsdam - Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ

Weitere Informationen:

http://www.gfz-potsdam.de/

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Geowissenschaften

Die Geowissenschaften befassen sich grundlegend mit der Erde und spielen eine tragende Rolle für die Energieversorgung wie die allg. Rohstoffversorgung.

Zu den Geowissenschaften gesellen sich Fächer wie Geologie, Geographie, Geoinformatik, Paläontologie, Mineralogie, Petrographie, Kristallographie, Geophysik, Geodäsie, Glaziologie, Kartographie, Photogrammetrie, Meteorologie und Seismologie, Frühwarnsysteme, Erdbebenforschung und Polarforschung.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Erstmals 6G-Mobilfunk in Alpen getestet

Forschende der Universität Stuttgart erzielen leistungsstärkste Verbindung. Notrufe selbst in entlegenen Gegenden absetzen und dabei hohe Datenmengen in Echtzeit übertragen? Das soll möglich werden mit der sechsten Mobilfunkgeneration – kurz…

Neues Sensornetzwerk registriert ungewöhnliches Schwarmbeben im Vogtland

Das soeben fertig installierte Überwachungsnetz aus seismischen Sensoren in Bohrlöchern zeichnete Tausende Erdbebensignale auf – ein einzigartiger Datensatz zur Erforschung der Ursache von Schwarmbeben. Seit dem 20. März registriert ein…

Bestandsmanagement optimieren

Crateflow ermöglicht präzise KI-basierte Nachfrageprognosen. Eine zentrale Herausforderung für Unternehmen liegt darin, Über- und Unterbestände zu kontrollieren und Lieferketten störungsresistent zu gestalten. Dabei helfen Nachfrage-Prognosen, die Faktoren wie Lagerbestände, Bestellmengen,…

Partner & Förderer