1,5 Milliarden Menschen werden vom Wasser aus den Bergen abhängig sein

Der Rosegbach im Oberengadin (Schweiz) ist Teil des Donaueinzugsgebietes, wo gegenwärtig über ein Drittel der 46 Millionen Tieflandbewohner vom Wasser der Gebirge abhängen Daniel Viviroli

Wasser ist eine der Schlüsselressourcen der Zukunft: Viele Tieflandregionen auf der ganzen Welt sind von den Zuflüssen aus Berggebieten abhängig, nicht zuletzt auch wegen der stark angestiegenen Bewässerung in der Landwirtschaft. Eine Studie unter der Leitung der Universität Zürich quantifiziert erstmals diese Abhängigkeit, indem sie Wasserangebot und -verbrauch in den Tiefländern den Zuflüssen aus den Gebirgen gegenüberstellt. Basierend auf einem hochauflösenden globalen Modell liefert die Studie rund um den Globus detaillierte Informationen über die Abhängigkeit von den Wasserressourcen der Gebirge. Die Analysen wurden flächendeckend mit Hilfe eines regelmässigen Rasters durchgeführt und anschliessend für jedes Flusseinzugsgebiet mit einer Fläche von über 10.000 km2 miteinander verglichen. Dies ermöglicht sehr differenzierte Einblicke in die jeweiligen regionalen Unterschiede und Besonderheiten.

Abhängigkeit steigt trotz sinkendem Pro-Kopf-Verbrauch

«Bisher konzentrierte man sich vor allem auf die Flussgebiete, die in den Hochgebirgen Asiens entspringen», sagt Daniel Viviroli vom Geographischen Institut der Universität Zürich. «Doch auch in vielen anderen Regionen sind landwirtschaftlich intensiv genutzte Gebiete sehr abhängig vom Wasser aus den Berggebieten. Dies ist etwa im Nahen Osten und in Nordafrika sowie in Teilen von Nordamerika, Südamerika und Australien der Fall», ergänzt der Erstautor.

Diese Abhängigkeit ist seit den 1960iger Jahren massiv gestiegen – trotz einer effizienteren Wassernutzung und sinkendem Pro-Kopf-Verbrauch. Waren damals nur 7 Prozent der Tieflandbevölkerung substanziell von den Beiträgen der Gebirge abhängig, werden es Mitte dieses Jahrhunderts 24 Prozent sein. Das entspricht rund 1,5 Milliarden Menschen in den Tieflandgebieten. Besonders im Fokus stehen dabei etwa die Einzugsgebiete von Ganges-Brahmaputra-Meghna, Yangtze und Indus in Asien, von Nil und Niger in Afrika, Euphrat und Tigris im Nahen Osten sowie des Colorado in Nordamerika. Für ihre Berechnungen gingen die Forschenden von einem mittleren Szenario aus, was das Bevölkerungswachstum sowie die technologische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung betrifft.

Funktionierende Ökosysteme und Klimaschutz

«Damit die Gebirge auch weiterhin als Wassertürme der Erde dienen können, braucht es eine nachhaltige Entwicklung. Es sollte ein zentrales Interesse der Tieflandbewohner sein, diese Funktion der Gebirge zu sichern», sagt Viviroli. Beispielsweise sollen landwirtschaftliche Übernutzung verhindert und funktionierende Ökosysteme sichergestellt werden. Daneben spielt der Klimaschutz eine entscheidende Rolle: Wegen steigender Temperaturen treten die Schmelzwasserspitzen aus schneebedeckten Gebirgen schon heute teilweise mehrere Wochen früher auf und sind damit für die Sommerlandwirtschaft weniger gut nutzbar. Es werden daher Anpassungen des Wassermanagements notwendig sein, gegebenenfalls auch neue Infrastruktur wie etwa Dämme und Kanäle.

«Technische Lösungen gehen jedoch mit grossen ökologischen Beeinträchtigungen einher, und manche Flüsse wie beispielsweise der Indus haben zudem kaum noch Ausbaupotential», sagt Viviroli. Für die Zukunft werde es entscheidend sein, dass Tiefland- und Bergregionen trotz politischer, kultureller, sozialer und wirtschaftlicher Unterschiede eng zusammenarbeiten.

Literatur
Daniel Viviroli, Matti Kummu, Michel Meybeck, Marko Kallio, Yoshihide Wada:
Increasing dependence of lowland populations on mountain water resources. Nature Sustainability 2020. DOI: 10.1038/s41893-020-0559-9

Daniel Viviroli
Geographisches Institut
Universität Zürich
Tel. +41 44 63 55174
E-Mail: daniel.viviroli@geo.uzh.ch

Literatur
Daniel Viviroli, Matti Kummu, Michel Meybeck, Marko Kallio, Yoshihide Wada:
Increasing dependence of lowland populations on mountain water resources. Nature Sustainability 2020. DOI: 10.1038/s41893-020-0559-9

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Melanie Nyfeler Universität Zürich

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