Technologie der TU Ilmenau gewinnt Innovationspreis Thüringen 2012

Das System wurde am Fachgebiet der TU Ilmenau „Virtuelle Welten und Digitale Spiele“ von dessen Leiter Prof. Wolfgang Broll und dem Informatiker Jan Herling entwickelt. Prof. Broll, Chef der Firma fayteq, ist über den Preis begeistert: „In unserer Technologie steckt sehr viel Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Dieser Preis zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“

Die Verwendung des Diminished Reality-Systems ist denkbar einfach: Während der Videostream auf einem Monitor angezeigt wird, wählt man den Gegenstand, den man entfernen möchte, lediglich aus und schon verschwindet er. Dabei geht die Technologie in zwei Schritten vor: Um zu ermitteln, welcher Teil des Gesamtbildes ersetzt werden muss, wird das Objekt, nachdem es manuell ausgewählt wurde, automatisch in jedem einzelnen der 25 Bilder pro Sekunde des Livestreams erkannt. Seine Umrisse definieren nun jenen Bildbereich, dessen einzelne Bildpixel ersetzt werden müssen. In einem zweiten Schritt wird der so definierte Bildbereich nun, ebenfalls automatisch, mit Bildinformationen ausgefüllt, die dem restlichen Bild aus der Umgebung des Objektes entnommen werden. Das Diminished Reality-System leistet beide Aufgaben innerhalb weniger Millisekunden und kann daher nicht nur für statische Fotos, sondern insbesondere auch für Live-Videostreams eingesetzt werden.

Aufgrund ihrer Echtzeitfähigkeit ist die Technologie weltweit einzigartig. Ihr größtes Potenzial liegt im Bereich von Live-Übertragungen, in denen in Zukunft vollkommen neue Werbeformen wie zielgruppenorientierte Werbung möglich sein werden. So könnte in einem Fußballspiel die Bandenwerbung oder sogar die Trikotwerbung der Spieler individuell angepasst werden. Auch überall dort, wo die Qualität der erzielten Videoergebnisse im Vordergrund steht, ergeben sich durch die Diminished Reality-Technologie ganz neue Möglichkeiten. In professionellen Filmen müssen oft ganze Szenen nachgedreht oder aufwändig Bild für Bild retuschiert werden, weil etwas im Bild ist, das bei der Aufnahme übersehen und erst am Schneidetisch entdeckt wurde, beispielsweise ein Mikrofon. Mit Hilfe der Diminished Reality-Technologie könnten solche Gegenstände in Sekundenbruchteilen entfernt werden.

Der potenzielle Markt für das neue Verfahren ist gigantisch, weil es in zahllosen Bereichen eingesetzt werden kann: In der Videospieleindustrie, der Architektur, der Produktions- und Fertigungsindustrie oder auch im Internethandel. Wollte man beispielsweise bisher wissen, wie ein neues Möbelstück in der eigenen Wohnung wirkt, musste man dazu im heimischen Wohnzimmer mit dem Prospekt in der Hand viel Vorstellungskraft besitzen. Diminished Reality ermöglicht es jetzt einfach mit Hilfe eines Tablet-PCs, der sozusagen als „Fenster in die Welt“ benutzt wird, Möbel aus der Ansicht der Wohnung herauszulöschen. Nun kann die quasi leere Wohnung mit neuen Möbeln aus einem digitalen Katalog neu eingerichtet werden.

Die Ilmenauer Forscher arbeiten daran, Diminished Reality für Smartphones der aktuellen Generation verfügbar zu machen. Damit kann dann jeder die Technologie nutzen, egal, wo er sich befindet, entweder nur als Spaß-App oder auch, um beispielsweise den störenden Baukran aus dem Urlaubsvideo zu entfernen.

Nicht nur im privaten Bereich, auch in der Industrie sind Anwendungen der Diminished Reality-Technologie denkbar, etwa wenn Lagerhallen oder Fließbänder umgebaut oder verändert werden sollen. Völlig neue interaktive Film- und Fernsehformate könnten entstehen, in denen Zuschauer während der Ausstrahlung von Kino- oder Fernsehfilmen beliebige Objekte entfernen oder verändern. In Computerspielen wäre es möglich, die echte Umgebung der Spieler dynamisch in das Spiel einzubeziehen, was vollkommen neue Formen von digitalen Spielen, insbesondere im Outdoor-Bereich, möglich macht. Städteplaner würden in die Lage versetzt, aus der Sicht der Eigentümer alte baufällige Gebäude zu entfernen und sofort durch neue Bauwerke, Parks, oder Straßen zu ersetzen. Ingenieure wären in der Lage, ihre Planung bereits vor Ort zu optimieren, und somit Zeit und Kosten zu sparen. Museen könnten Besuchen neuen Interaktionsmöglichkeiten mit den ausgestellten Kunstwerken ermöglichen: Um Techniken der Künstler sichtbar zu machen oder künstlerische Merkmale aufzudecken, ließen sich Plastiken verändern oder Elemente aus Bildern entfernen.

Der Thüringer Innovationspreis wurde 2012 vom Thüringer Wirtschaftsministerium, der Stiftung für Technologie, Innovation und Forschung Thüringen (STIFT), dem TÜV Thüringen und der Ernst-Abbe-Stiftung zum 15. Mal vergeben. Auch in den vergangenen zwei Jahren war der Innovationspreis Thüringen in der Kategorie „Kommunikation & Medien“ nach Ilmenau gegangen. Im vergangenen Jahr erhielt die Audanika GmbH, eine Ausgründung des Fraunhofer-Instituts für Digitale Medientechnologie (IDMT), das auf dem Campus der TU Ilmenau angesiedelt ist, die Auszeichnung für SoundPrism, einem elektronischen Tool zum Komponieren, und 2010 gewann das Fraunhofer IDMT mit einem Flachlautsprecher.

Kontakt:
Prof. Wolfgang Broll
Leiter Fachgebiet Virtuelle Welten und Digitale Spiele
Telefon: +49 3677/69-4735
E-Mail: wolfgang.broll@tu-ilmenau.de

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Bettina Wegner idw

Weitere Informationen:

http://www.tu-ilmenau.de

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