Max-Bürger-Preis für Altersforschung geht an Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena

Der Max-Bürger-Preis 2010 der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (DGGG) wird an die drei Forschungsgruppenleiter Dr. Alessandro Cellerino, Prof. Dr. Christoph Englert und PD Dr. Matthias Platzer vom Leibniz-Institut für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena vergeben. Gemeinsam gelang ihnen die wissenschaftliche Einführung und Nutzung eines kurzlebigen Fischs als innovatives und zukunftsträchtiges Tiermodell zur Erforschung von Alterungsmechanismen. Erste spannende Ergebnisse mit dem neuen Modell präsentierten Cellerino, Englert und Platzer bereits in renommierten Wissenschaftsjournalen.

Neben der internationalen Spitzenstellung ihrer Forschung konnten die Preisträger mit dem interdisziplinären und kooperativen Charakter des Programms und der erfolgreichen Nachwuchsförderung punkten. „Der Prachtgrundkärpfling wurde bei uns in einer beispielhaften Kooperation zwischen drei Arbeitsgruppen charakterisiert“, freut sich Prof. Peter Herrlich, Direktor des FLI. Wichtig war in der Anfangsphase die finanzielle Unterstützung durch den „Pakt für Forschung und Innovation“ der Leibniz-Gemeinschaft. Sie ermöglichte in einer zweijährigen Anschubfinanzierung auch die Beschäftigung von Nachwuchsforschern.

Der Preis wird am 15.09.2010 offiziell vergeben, bei der feierlichen Eröffnung des 10. Jahreskongresses der DGGG im Virchow-Klinikum der Charite in Berlin. Er wird ausgehändigt von DGGG-Präsident Prof. Clemens Tesch-Römer. „Unsere Gesellschaft ist sehr stolz, dass wir in diesem Jahr den Preis an Altersbiologen verleihen dürfen, die international hoch anerkannte Forschung betreiben. Dies zeigt, wie wichtig die Altersbiologie in Deutschland geworden ist“, so Tesch-Römer. Die Laudatio hält Prof. Andreas Simm von der DGGG, gefolgt von einem Vortrag der Preisträger.

Zum prämierten Forschungsprogramm:
Der aus Afrika stammende, unter Aquarianern wegen seiner Farbenpracht beliebte Prachtgrundkärpfling (Nothobranchius furzeri) ist für die Altersforschung aus mehreren Gründen interessant: Angepasst an das Leben in kleinen Tümpeln, die nur in der Regenzeit entstehen und danach wieder austrocknen, wird er nur wenige Monate alt und hält damit unter den Wirbeltieren den Rekord der kürzesten Lebensspanne. Das Altern des kleinen Kärpflings kann daher in einem relativ kurzen Zeitfenster beobachtet und erforscht werden, sehr viel schneller als bei länger lebenden Nagetieren. Gleichzeitig ist er evolutionär dem Mensch sehr viel ähnlicher als andere kurzlebige Forschungsobjekte wie Hefepilze, Fruchtfliegen und Fadenwürmer.

Mit diesen Vorzügen war der Kärpfling heißer Kandidat für ein neues Tiermodell in der Altersforschung. Nur an Tiermodellen lassen sich hochkomplexe Prozesse wie die Alterung in ihrer Gesamtheit studieren. Und sie geben Hinweise darauf, ob experimentelle Befunde aus den Labors auf einen Gesamtorganismus und damit gar auf den Menschen übertragbar sind. Daher hatten Wissenschaftler der drei FLI-Forschungsgruppen zunächst kürzer- und längerlebige Nothobranchius-Varianten aus unterschiedlichen Regionen im südlichen Afrika isoliert, deren Lebensspanne an unterschiedlich lange Regenzeiten angepasst war. In den Zuchtbecken der Jenaer Labors fanden die Forscher, dass mit der kürzeren Lebensspanne auch Leistungsverluste und Alterserkrankungen bereits nach wenigen Wochen eintraten.

In Kreuzungsexperimenten zeigte sich dann, dass die unterschiedliche Alterung der Fisch-Varianten vererbbar und damit auch genetisch gesteuert ist. Die drei Forschungsgruppen konzentrierten sich danach auf ihre Spezialgebiete. Die Gruppe des Genom-Experten Matthias Platzer nutzte die kurzlebigen und langlebigen Varianten um über vergleichende Genomanalysen Bereiche zu kartierten, die für diese Unterschiede verantwortlich sind. „Damit können wir hoffentlich auf neue Gene stoßen, die – zumindest beim Fisch – die Alterung beeinflussen“, so Platzer. Alessandro Cellerino und seine Mitarbeiter konnten zeigen, dass Resveratrol, ein pharmakologisch relevanter Wirkstoff aus Trauben und Rotwein, auch bei N. furzeri lebensverlängernd wirkt. „Wir fanden außerdem, dass sich eine reduzierte Kalorienzufuhr auf die verschiedenen N. furzeri-Varianten unterschiedlich auswirkt“, sagt Cellerino. Grund hierfür, so der Neurobiologe, seien offensichtlich Stressreaktionen im Gehirn. Die Gruppe des Entwicklungsgenetikers Christoph Englert untersuchte die Verkürzung der Chromosomenenden (Telomere) während der Zellteilung, die in manchen Geweben mit der begrenzten Lebensspanne einhergeht. Bei der kürzerlebigen Variante blieben die Telomere überraschenderweise immer gleich lang. „Wir vermuten, dass die Telomere ihre Länge zwar behalten, ihre Funktion aber verlieren können“ so Englert zu den neuen Erkenntnissen.

Die Zucht der kleinen Kärpflinge unter Laborbedingungen ist anspruchsvoll. Doch die kurze Lebensspanne und die genetische Nähe zu den restlichen Wirbeltieren, inklusive dem Mensch, zahlen sich für die Forscher aus. Daher werden die Fische aus den FLI-Zuchtbecken auch bei den internationalen Forscherkollegen stark angefragt. Man darf also gespannt sein, welche Geheimnisse des Alterns dem kleinen Kärpfling noch entlockt werden.

Hintergrundinfo
Die Deutsche Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (DGGG) kann auf eine über 60jährige Geschichte zurückblicken, in der sich – unter wechselnden Namen und in stetiger Fortentwicklung – Alternsforscher in Deutschland organisiert haben. Sie wurde im Jahr 1938 vom Internisten Max Bürger in Leipzig als „Deutsche Gesellschaft für Altersforschung“ gegründet. Mit dem Max-Bürger-Preis ehrt die DGGG Wissenschaftler, die ein Forschungsprogramm mit hoher nationaler und internationaler Anerkennung etabliert und damit die Entwicklung der Gerontologie und Geriatrie bedeutsam befördert haben. Die Interdisziplinarität des Programms und dessen Bedeutung für die Nachwuchsförderung sind weitere Kriterien der Preisvergabe. Näheres unter www.dggg-online.de.

Das Leibniz-Institut für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena ist das erste deutsche Forschungsinstitut, das sich seit 2004 der biomedizinischen Altersforschung widmet. Über 300 Mitarbeiter aus 25 Nationen forschen zu molekularen Mechanismen von Alterungsprozessen und altersbedingten Krankheiten. Näheres unter www.fli-leibniz.de.

Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören zurzeit 86 Forschungsinstitute und wissenschaftliche Infrastruktureinrichtungen für die Forschung sowie drei assoziierte Mitglieder. Die Ausrichtung der Leibniz-Institute reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Sozial- und Raumwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute arbeiten strategisch und themenorientiert an Fragestellungen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Bund und Länder fördern die Institute der Leibniz-Gemeinschaft daher gemeinsam. Näheres unter www.leibniz-gemeinschaft.de.

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Dr. Eberhard Fritz idw

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