Mathematiker der Freien Universität erhält hochdotierten Förderpreis

Der Mathematiker Dr. Frank Noé von der Freien Universität Berlin ist mit einem hochdotierten Förderpreis des Europäischen Forschungsrats ausgezeichnet worden. Der ERC Starting Grant umfasst eine Förderung von rund 1,4 Millionen Euro über fünf Jahre.

Im ERC-Projekt „pcCell“, deutsch: „Physikalisch-chemische Prinizipien zellulärer Informationsverarbeitung“, soll das Prinzip der sogenannten Dynamischen Ordnung untersucht werden. Ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftlern um Frank Noé kombiniert Methoden der Mathematik, Physik und Informatik, um neue Erkenntnisse über Lebensprozesse zu finden.

Ein Beispiel solcher Lebensprozesse ist die Informationsübertragung von Nervenzellen: Die Zellen des menschlichen Nervensystems gleichen Leitungen, die über Stecker, sogenannte Synapsen, verbunden sind. Bis zu 1000 Signale pro Sekunde werden an einer Synapse übertragen, obwohl der Mechanismus der Signalübertragung kompliziert ist: Kleine Fettbläschen, „Vesikel“, verschmelzen mit der Außenwand der Senderzelle und entleeren in den Spalt zwischen den Nervenzellen Botenstoffe, „Neurotransmitter“, die von der Empfängerzelle erkannt werden.
Um für die nächsten Signale bereit zu sein, muss die Senderzelle die verschmolzenen Vesikel wiederherstellen und mit Neurotransmittern beladen. Jede solche Aktion erfordert ein komplexes und genaues Zusammenspiel von Hunderten von Molekülen, insbesondere Eiweißen (Proteinen), die in der richtigen Anzahl und Reihenfolge zusammenwirken müssen.

Frank Noé und sein Team suchen im ERC-Projekt pcCell Antworten auf die Frage, auf welche Weise diese Moleküle zueinanderfinden. Die klassische Vorstellung geht auf Robert Brown zurück, einen schottischen Botaniker aus dem 18. Jahrhundert: Er beobachtete, dass auf dem Wasser schwimmende Blütenpollen eine ständige zufällige Bewegung ausführen, die „Brownsche Bewegung“ oder „Diffusion“. Diese benötigt keine spezielle Antriebsenergie außer Wärme und ist ein wesentlicher Faktor im Mikrokosmos. Diffusion ermöglicht es Proteinen, ständig in Bewegung zu bleiben und so einander zu finden und zu interagieren. Allerdings ist Diffusion ziellos. Ist sie also ausreichend für die komplexe Koordinierung vieler Moleküle bei der Herstellung von neuronalen Vesikeln in einer solch kurzen Zeit?

Im ERC-Projekt soll das Prinzip der „Dynamischen Ordnung“ untersucht werden. Ein Beispiel für eine Dynamische Ordnung: Ein Besucher geht auf einen Jahrmarkt, und am Eingang fällt ihm eine Person auf, die ihm unbekannt ist. Die Wahrscheinlichkeit, diese Person nach einer Stunde auf dem Jahrmarkt wiederzutreffen, ist sehr klein, denn das wäre ein seltenes Ereignis. Wenn der Besucher mit einer befreundeten Person den Jahrmarkt betritt, ist die Wahrscheinlichkeit, diese nach einer Stunde auf dem Jahrmarkt wiederzutreffen, sehr groß: Beide Partner bleiben vermutlich in der Nähe voneinander, ihre Laufwege sind also koordiniert. Trotzdem können sich beide ungehindert bewegen: Die Prinzipien der Bewegung des Einzelnen sind in beiden Fällen die gleichen, die Prinzipien der Bewegung des Paars sind in beiden Fällen unterschiedlich. Solche Partnerschaften kann es auch zwischen Molekülen geben.

Frank Noé und sein Team gehen davon aus, dass Molekülpartnerschaften die Regel sind und diese die Signalverarbeitung in Zellen so effizient machen, dass menschliches Leben und Denken überhaupt möglich ist. Molekülpartnerschaften sind extrem schwer nachzuweisen, da mehrere Moleküle gleichzeitig mit sehr hoher Auflösung lokalisiert werden müssen. Kein Mikroskop ist dafür leistungsfähig genug. Deshalb kombinieren die Wissenschaftler um Frank Noé im ERC-Projekt Theorie, Computersimulationen und neuartige Messtechniken, um die vorgeschlagenen Molekülpartnerschaften untersuchen zu können.

Weitere Informationen
Dr. Frank Noé, Gruppenleiter „Computational Molecular Biology“, Freie Universität Berlin / DFG-Forschungszentrum Matheon, Telefon: 030 838-75354, E-Mail: frank.noe@fu-berlin.de

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Kerrin Zielke idw

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