„Leidenschaftlicher Denker und eigenwilliger Geist“: Prof. Dr. Kurt Flasch erhält Lessing-Preis für Kritik

Die Jury des mit insgesamt 20.000 Euro dotierten Preises ehrt damit „einen leidenschaftlichen Denker und eigenwilligen Geist, der die spätantike und mittelalterliche Philosophie für die Gegenwart neu erschlossen hat“. Teil des Preises ist ein mit 5.000 Euro dotierter Förderpreis, für den Prof. Flasch die Kölner Philosophiehistorikerin Dr. Fiorella Retucci ausgewählt hat.

Prof. Flasch war von 1970 bis zu seiner Emeritierung 1995 Universitätsprofessor für Geschichte der Philosophie unter besonderer Berücksichtigung der Philosophie der Antike und des Mittelalters an der RUB. Die Preisverleihung fand am 2. Mai in Wolfenbüttel statt.

Unabhängig und originell

Die Jury unterstreicht in ihrer Begründung, dass sich Flaschs von keiner Schulrichtung bestimmte Fragestellungen stets durch ihre Unabhängigkeit und Originalität auszeichnen. „In der Frage vermeintlicher Deutungshoheiten fordern sie die kritische Einlassung mit der Gesellschaft und ihren politischen Instanzen“, heißt es von Seiten der Juroren. „Philosophie darf praktisch sein und soll sich aktuellen Problemen stellen.“ Mit der 2000 erschienenen Studie „Die geistige Mobilmachung. Die deutschen Intellektuellen und der Erste Weltkrieg“ habe Flasch ein Feld der jüngeren Zeitgeschichte betreten und gezeigt, in welchem Ausmaß der Erste Weltkrieg auch als Krieg des Geistes und als Sündenfall der akademischen Elite Deutschlands zu begreifen ist.

Von Nietzsche inspiriert

Seine stark von Nietzsche inspirierte Sicht auf die intellektuelle Entwicklung der europäischen Philosophie fasste Flasch 1995 in seiner Bochumer Abschiedsvorlesung unter dem Titel „Warum ich nicht mehr Christ sein kann“ zusammen, die zugleich den eigenen Werdegang reflektiert. „Witz und Esprit seiner Lehrveranstaltungen und öffentlichen Vorträge sind legendär“, lobt die Jury. Flasch sei es damit gelungen, auch junge Menschen für seine unkonventionellen Themen zu begeistern. Große Anerkennung hat der „Grandseigneur der Geistesgeschichte des Mittelalters“ auch durch seine fundierten Quellen-Kenntnisse, seine Editorentätigkeit und seinen brillanten Stil gefunden. Mit Lessing verbinde Kurt Flasch die Überzeugung, Wahrheit nicht als „Besitz“ zu verstehen. Wie der Aufklärer entwickle er seine Themen aus den weitgespannten Zusammenhängen der Geistesgeschichte, schreibe auf die Öffentlichkeit zu und verdanke, wie Lessing, seinen streitbaren Urteilen auch Gegner.

Prof. Dr. Kurt Flasch

Kurt Flasch wurde 1930 in Mainz geboren. Er studierte ab 1950 Philosophie, Geschichte Gräzistik und Germanistik an der Albertus-Magnus-Akademie in Walberberg bei Bonn und an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. Hier wurde er 1956 promoviert, die Habilitation folgte 1969. Von 1970 bis 1995 war Flasch Ordinarius für Philosophie im Philosophischen Institut der Ruhr-Universität Bochum.

Der Lessing-Preis

Der Lessing-Preis für Kritik, vergeben alle zwei Jahre von der Lessing-Akademie Wolfenbüttel und der Braunschweigischen Stiftung Nord/LB öffentliche, wird, analog zur kritischen und risikofreudigen Tätigkeit Lessings, nicht für nur fachspezifische Kritik, sondern für Kritik in einem umfassenderen Sinn verliehen. Zur Jury gehören die Literaturkritikerin und USA-Korrespondentin der Neuen Züricher Zeitung Andrea Köhler, der Göttinger Germanist Wilfried Barner, der Göttinger Historiker Hans Erich Bödeker, der frühere Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Werner Knopp, und der Direktor der Herzog August Bibliothek, Helwig Schmidt-Glintzer. Der Preis wird am 2. Mai 2010 in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel überreicht. Bisherige Preisträger waren Karl Heinz Bohrer (2000), Alexander Kluge (2002), Elfriede Jelinek (2004), Moshe Zimmermann (2006) und Peter Sloterdijk (2008).

Weitere Informationen

Stefan Duefel, Philosophisches Institut der RUB,
Stefan.Duefel@ruhr-uni-bochum.de

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Dr. Josef König idw

Weitere Informationen:

http://www.ruhr-uni-bochum.de/

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