Leibniz-Nachwuchspreise prämieren Entdeckung des Trojanischen Pferds der Malaria-Erreger und gute Nachrichten für die Demokratie

Auf ihrer Jahrestagung in Rostock hat die Leibniz-Gemeinschaft die herausragenden Doktorarbeiten der beiden Wissenschaftler Dr. Angelika Sturm vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNI) in Hamburg und Dr. Alexander Petring vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) mit dem jeweils 3000 Euro dotierten Nachwuchspreis ausgezeichnet.

Angelika Sturm (29) erhielt die Auszeichnung in der Kategorie Natur- und Technikwissenschaften für ihre Forschung an den Erregern der Malaria, den Plasmodien. Sie konnte erstmals ein völlig neues und bisher nicht bekanntes Stadium im komplexen Vermehrungszyklus des Malariaparasiten identifizieren und in ihrer Dissertation „Parasit-Wirtszell Interaktionen während der Malaria Leberphase“ beschreiben.

Durch die Anopheles-Mücke übertragene Einzeller, so genannte Plasmodien, infizieren zunächst Leberzellen. In einer einzelnen Leberzelle können sich daraus innerhalb weniger Tage zehntausende Merozoiten entwickeln. Gelangen diese in die Blutbahn, infizieren sie rote Blutkörperchen und es kommt zum sogenannten erythrozytären Vermehrungszyklus, der für die schweren Krankheitsverläufe der Malaria verantwortlich ist. Während der erythrozytäre Vermehrungszyklus bereits gut erforscht werden konnte, war es bisher unklar, wie eine von tausenden Parasiten befallene Leberzelle vom Immunsystem nicht erkannt und entsprechend vernichtet werden kann. Unbekannt war auch, wie es den Parasiten von den Leberzellen aus gelingt, durch die Wände der Blutgefäße in die Blutbahn einzudringen.

Erstmals konnte Angelika Sturm diese Fragen beantworten: Die Parasiten täuschen das Immunsystem, indem sie die Signale der sterbenden Zelle abfangen und so die Erkennung und Eliminierung der Zelle durch die weißen Blutkörperchen verhindern. Gleichzeitig veranlassen sie die Leberzelle Membranausstülpungen, so genannte Merosomen, zu bilden, die bis in die Blutbahn hineinreichen: Wie in einem trojanischen Pferd passieren die Parasiten so die Wände der Blutgefäße. Dort werden sie anschließend abgeschnürt und in den Blutstrom freigesetzt, wo sie unmittelbar die roten Blutkörperchen infizieren. Dieser neu entdeckte Täuschungsmechanismus des Parasiten in der sterbenden Zelle und der Weg der Merozoiten in die Blutbahn bieten neue Ansatzpunkte zur Entwicklung von Medikamenten oder Impfstoffen. Die Ergebnisse der Arbeit wurden in äußerst referierten Fachzeitschriften veröffentlicht, u.a. in der Science.

Neben der inhaltlichen Erkenntnis besticht Angelika Sturms Doktorarbeit auch durch ihre wissenschaftliche Methode: Die oben genannten Vorgänge beobachtete sie in Mäusen, die mit gentechnisch veränderten, grün fluoreszierenden Parasiten infiziert waren. Der Einsatz der sogenannten Intravitalmikroskopie ermöglichte ihr zudem Beobachtungen im lebenden Organismus.

Angelika Sturm forscht nach Ihrer erfolgreichen Promotion als Post-Doc am Institut für Mikrobiologie der Monash-Univerität in Melbourne, Australien.

Alexander Petring (33) vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung verfasste mit seiner Dissertation „Die Reformtätigkeit von Wohlfahrtsstaaten: Akteure, Konstellationen und Institutionen“ die beste Arbeit in der Kategorie Geistes- und Sozialwissenschaften. Ihm gelang der Ansatz für eine allgemeine sozialwissenschaftliche Theorie politischer Reformtätigkeit, die es bisher weder im deutschen noch im angelsächsischen Sprachraum gibt.

In besonders innovativer Art und Weise erklärt und beschreibt er staatliches Handeln in der Sozialpolitik. Wie es zu Reformen kommt und welche Institutionen (u.a. Föderalismus, Mehrheitsdemokratie, Konsensdemokratie) und Akteure (u.a. Regierungskoalitionen, Regierungen) dabei eine entscheidende Rolle spielen, konnte er analytisch und empirisch in komplexen Interaktionsmodellen zeigen: Dafür arbeitete er 7000 Gesetzestexte und Reformpakete aus 18 OECD Staaten auf, die in 20 Jahren während Reformen in der Renten- und Arbeitslosenversicherung entstanden.

Einige der überraschenden Befunde von Alexander Petring stehen weit verbreiteten Auffassungen entgegen. So gilt häufig, dass Demokratien mit einem Zweiparteiensystem reformaktiver sind. Petrings internationaler Vergleich hingegen zeigt, dass zahlreiche Länder, die dem Regierungstyp der so genannten Konsensdemokratie nahe kommen, ein vergleichbares Reformniveau erlangen.

Ebenfalls wird angenommen, Einparteienregierungen seien besonders reformfreudig. Wie aus den Ergebnissen jedoch hervorgeht, ist die Wahrscheinlichkeit, dass unpopuläre Reformmaßnahmen umgesetzt werden, unter Koalitionsregierungen größer als unter Einzelregierungen. Erstaunlich erscheint auch, dass Reformen zur Arbeitslosenversicherung besonders häufig von Regierungskoalitionen in Angriff genommen werden, die ideologisch weit voneinander entfernt stehen. Das dahinter liegende Handlungsmuster, das sogenannte blame sharing, entkräftet öffentliche Kritik dadurch, dass das Regierungshandeln unter anderem durch ideologisch heterogene Fürsprecher legitimiert wird.

Alexander Petring liefert den Nachweis, dass die verschiedenen Demokratiemodelle in den OECD Staaten keinen Einfluss auf die Reformlogik haben. Entscheidend sind demnach die Regierungen und Regierungskoalitionen als zentrale Bestimmungsfaktoren, die die Macht zu Reformen haben, was, wie der Autor schreibt, „eine gute Nachricht für die Demokratie“ ist.

Alexander Petring forscht weiterhin am WZB und ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe „Demokratie: Strukturen, Leistungsprofil und Herausforderungen“ tätig. Seine Dissertation ist im Verlag VS Verlag für Sozialwissenschaften erschienen.

Der Nachwuchspreis der Leibniz-Gemeinschaft wird jährlich für die besten Doktorarbeiten aus Leibniz-Instituten in den Kategorien „Geistes- und Sozialwissenschaften“ und „Natur- und Technikwissenschaften“ vergeben, die mit jeweils 3000 Euro dotiert sind. Die Auswahl über die Preisträger trifft eine zwölfköpfige Jury unter der Leitung von Prof. Dr. Joachim Treusch (Präsident der Jacobs University Bremen) aus den Vorschlägen der wissenschaftlichen Fachsektionen der Leibniz-Gemeinschaft.

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Christoph Herbort-von Loeper idw

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