Krankheitssignale richtig deuten

Die Ärztin Mirjam Christ-Crain untersucht, welche körpereigenen Botenstoffe bei Lungenentzündungen oder Schlaganfällen frühzeitig Aussagen über den Krankheitsverlauf zulassen und somit klare Entscheidungsgrundlagen für die Behandlung dieser Krankheiten liefern.

Für ihre wegweisenden Arbeiten erhält sie den mit 100'000 Franken dotierten Nationalen Latsis-Preis, den der Schweizerische Nationalfonds (SNF) im Auftrag der Latsis-Stiftung jährlich vergibt.

Auf den ersten Blick haben Lungenentzündungen und Schlaganfälle nichts gemein. Doch beide Erkrankungen können einigermassen glimpflich oder aber lebensgefährlich verlaufen. Und in beiden Fällen ist die Vorhersage aufgrund von äusserlichen, klinischen Zeichen sehr schwierig – ein genauerer Blick auf das Geschehen im Körperinneren tut Not.

Hier kommt die moderne Endokrinologie – die Lehre von den Hormonen – ins Spiel. Die 34-jährige Mirjam Christ-Crain, Oberärztin und SNF-Förderprofessorin am Universitätsspital Basel, bezeichnet ihr Arbeitsgebiet als „erweiterte Endokrinologie“, weil sie sich nicht nur für Diabetes oder Schilddrüsenerkrankungen, mit denen sich Endokrinologinnen typischerweise beschäftigen, sondern auch für andere Krankheiten interessiert. In ihren Arbeiten hat sie erstmals aufgezeigt, dass der Gehalt an Stresshormonen im Blut frühzeitige Aussagen über den Krankheitsverlauf zulässt und somit klare Entscheidungsgrundlagen für die Behandlung von Lungenentzündung oder Schlaganfall liefert. Hierfür wird Christ-Crain nun mit dem Nationalen Latsis-Preis 2009 ausgezeichnet. Diesen renommierten, mit 100'000 Franken dotierten Preis vergibt der SNF im Auftrag der Latsis-Stiftung jährlich für aussergewöhnliche wissenschaftliche Leistungen von jungen Forschern und Forscherinnen.

Die richtige Dosis Stress
Auf ihrer Suche nach Krankheitssignalen, deren Kenntnis eine Vorhersage des Verlaufs einer Lungenentzündung erlaubt, ist Christ-Crain auf Stresshormone gestossen. Sie hat bemerkt, dass Patienten mit einem erhöhten Stresspegel – also mit einer erhöhten Konzentration von Stresshormonen wie beispielsweise Cortisol – einen schlechteren Krankheitsverlauf und ein erhöhtes Sterberisiko aufweisen. Ein zu hoher Cortisol-Gehalt hemmt die Immunantwort des Körpers, was sich bei Lungenentzündungen fatal auswirkt. „Der Stresslevel sollte nicht zu hoch, aber auch nicht zu tief sein“, sagt Christ-Crain. Denn der Körper ist auf ein Mindestmass an Stresshormonen angewiesen, um solch eine grosse Belastung wie eine Lungenentzündung zu überstehen.

Die im Grunde genommen gleiche Fragestellung verfolgt Christ-Crain auch bei Patienten, die einen Schlaganfall erlitten. „Wie stelle ich objektiv fest, welcher Patient sich schnell erholt, und welcher hingegen einem erhöhten Risiko ausgesetzt ist, an den Folgen des Schlaganfalls zu sterben?“ Auch hier findet sie einen Zusammenhang: Je grösser die Menge der im Blut zirkulierenden Stresshormone, desto grösser die Wahrscheinlichkeit eines schlechten Verlaufs. „Mit einem Stresshormon-Test könnten wir in Zukunft vielen Patienten erlauben, früher nach Hause zu gehen, und nur diejenigen im Spital behalten, bei denen wir eine Verschlechterung des Zustands befürchten müssen“, sagt Christ-Crain.

Immer aufwendiger
Für ihre ersten Studien hat Christ-Crain einen enormen Einsatz leisten müssen: „Mit einem 100-Prozent-Pensum in der Klinik blieben für die Forschung nur die Abende und die Wochenenden übrig. Es war eine sehr intensive Zeit.“ In der Zwischenzeit sei die Durchführung von Studien mühsamer und aufwendiger geworden, denn das Umfeld habe sich bürokratisch aufgebläht. Das schrecke den akademischen Nachwuchs von der klinischen Forschung ab. Dass sich die Anstrengungen jedoch lohnen, und dass dieser Weg sogar mit der Gründung einer Familie vereinbar ist, lebt Christ-Crain vor: Sie ist Mutter zweier Kinder und freut sich, dass der Nationale Latsis-Preis dieses Jahr an eine forschende Ärztin verliehen wird: „Es zeigt, dass der SNF als höchste wissenschaftliche Instanz in der Schweiz diese wichtige Forschung anerkennt und wertschätzt.“

Die Preisverleihung findet am 14. Januar 2010 im Berner Rathaus statt.

Mirjam Christ-Crain
Nach ihrem Medizinstudium in Basel und Wien begann Mirjam Christ-Crain im Jahr 2001 ihre Forschungen in der Gruppe von Beat Müller am Universitätsspital Basel. Sie untersuchte einen Botenstoff, der sich vor allem bei bakteriellen, und viel weniger bei viralen Atemwegsinfektionen anhäuft. Damit zeigte sie auf, wie der Antibiotika-Verbrauch halbiert werden kann, ohne Einbussen in der Wirksamkeit der Behandlung zu riskieren. Dann forschte Mirjam Christ-Crain am St. Bartholomew's Spital in London auf dem Gebiet der Stresshormone. Im Jahr 2007 habilitierte sie in Basel. Seither ist sie als Oberärztin, seit diesem Jahr auch als SNF-Förderprofessorin in der Abteilung Endokrinologie des Universitätsspitals Basel tätig.

Ein Fotoporträt von Mirjam Christ-Crain kann in hoher Auflösung heruntergeladen werden unter: www.snf.ch > Medien > Medienmitteilungen

Adresse der Preisträgerin:
Prof. Dr. med. Mirjam Christ-Crain
Klinik für Endokrinologie, Diabetes und Metabolismus
Bereich Medizin
Universitätsspital Basel
Petersgraben 4
CH-4031 Basel
Tel. +41 (0)61 328 70 80
E-Mail: mirjam.christ-crain@unibas.ch

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idw

Weitere Informationen:

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