Geisteswissenschaften digital

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Helge Braun, hat am heutigen Freitag in Gießen die Förderzusage für die Annotierte und georeferenzierte Online-Biographie GeoBib übergeben.

In einem fächerübergreifenden Forschungsprojekt der Universität Gießen und dem Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung in Marburg arbeiten Geisteswissenschaftler gemeinsam mit Informatikern am Aufbau einer Bibliothek zur deutsch- und polnisch-sprachigen Holocaust- und Lagerliteratur.

Ein Großteil dieser historisch wichtigen Quellen, die als erste die Verbrechen des Holocaust und der Konzentrationslager aufgreifen, kann heute nur mit enormem Aufwand beschafft werden. Im Rahmen von GeoBib werden die bis 1949 verfassten Texte systematisch aufgenommen und mit biografischen Informationen zu den Verfassern, Georeferenzdaten (Orte, Lager, Gettos etc.) und weiteren Quellen versehen. Das BMBF stellt rund eine Million Euro für das Projekt zur Verfügung.

„Mit diesem Projekt leisten Geisteswissenschaftler gemeinsam mit Informatikern einen wichtigen Beitrag, um mit innovativen Methoden diesen Teil der deutsch-polnischen Geschichte aufzuarbeiten und zu erhalten“, so Braun. Mit aus der Informatik stammenden Methoden wie Textmining, Visualisierung oder Georeferenzierung können große Datenbestände von Texten oder Bildern aus den Geisteswissenschaften untersucht und in Beziehung gesetzt werden.

Das BMBF fördert im Rahmen der so genannten „eHumanities“ Förderlinie 24 interdisziplinäre Projekte von Geisteswissenschaftlern und Informatikern, unter anderem in den Themengebieten Gesellschaft, Geschichte, Politik, Musik, Kultur und Recht. Für diese Projekte stellt das BMBF insgesamt 19,5 Millionen Euro zur Verfügung.

Neben GeoBib werden im Rahmen der „eHumanities“ Förderlinie unterschiedlichste geistes-, kultur-, rechts- und sozialwissenschaftlichen Projekte gefördert. Weitere Bespiele sind:

Das Projekt „DaSom“ befasst sich mit Bürgerprotesten im Netz, dem Aufstieg der Piratenpartei oder der Rolle von Facebook und Twitter im „arabischen Frühling“: Politische Kommunikation verläuft im Internet anders als in den klassischen Massenmedien. Wie sich Themen im Internet verbreiten und wie dort Meinungsbildung stattfindet – dazu fehlen bisher noch wissenschaftliche Untersuchungen und Instrumente, die nun im Projektverbund „Analyse von Diskursen in Social Media“ entwickelt werden. Damit sollen Auswertungen zur Bewältigung großer Textmengen automatisiert werden (beteiligt: Uni Münster, LMU München, Uni Hohenheim, Uni Potsdam).

Im Rahmen des Projekts MayaArch3D wird ein System geschaffen, das an großen Ruinenplätzen weltweit einsetzbar und exemplarisch für den Aufbau kombinierter Visualisierungs- und Analysewerkzeuge ist. Durch die Zusammenführung von Daten der UNESCO-Weltkulturerbestätte Copan in Honduras – einem der wichtigsten Zentren der Maya-Kultur – auf einer 3D-fähigen Internetplattform wird es verschiedenen Arbeitsgruppen ermöglicht, in internationaler Zusammenarbeit die komplexe Archäologie von Copan räumlich und zeitlich zu analysieren, um so Erkenntnisse über die soziale und politische Struktur der Gesellschaft der Maya zu gewinnen (beteiligt: Deutsches Archäologisches Institut, Uni Heidelberg)

Das Projekt „ARGUMENTUM“, an dem Wissenschaftler aus der Rechtswissenschaft, Philosophie und Informatik beteiligt sind, erarbeitet anhand des Textkorpus der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ein Werkzeug, das durch Einsatz künstlicher Intelligenz ganze Argumente bzw. Argumentationsstrukturen inhaltlich erfasst und somit neue Möglichkeiten der Informationsrückgewinnung – nicht nur für die Rechtswissenschaft – eröffnet (beteiligt: Uni des Saarlandes, Europäische EDV-Akademie, DFKI GmbH).

Weitere Information zu den eHumanities-Projekten findet sich unter:
http://pt-dlr-gsk.de/de/992.php

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