FIZ CHEMIE Preis 2011: Nachwuchsforscher werden für ihre Arbeiten am 7. November ausgezeichnet

Neue Medikamente werden heute alternativ zur traditionellen Methode im Labor auch am Computer entworfen. Erst im zweiten Schritt erfolgt dann die Überprüfung im Labor, bei der untersucht wird, ob die berechneten und als vielversprechend eingestuften chemischen Verbindungen tatsächlich pharmakologisch so wirken, wie die Forscherinnen und Forscher es aufgrund der Berechnungen erwarten. Computerbasierte Forschungsmethoden und Simulationswerkzeuge haben deshalb große Bedeutung für die Arzneimittelforschung gewonnen.

Die jungen Wissenschaftler Dr. Volker Dirk Hähnke und Daniel Moser haben 2011 hervorragende Forschungsarbeiten zum Fachgebiet Chemie-Information-Computer vorgelegt. Sie werden dafür mit den FIZ CHEMIE Berlin-Preisen 2011 ausgezeichnet. Diese Preise vergibt die Fachgruppe Chemie-Information-Computer (CIC) der Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V. (GDCh) an Nachwuchswissenschaftler, die mit ihrer Dissertation, Master- oder Diplomarbeit eine besondere Leistung zur Weiterentwicklung des Fachgebietes erbringen.

Volker Hähnke erhält die Auszeichnung für seine Dissertation, in der er ein computergestütztes Such- und Bewertungsverfahren entwickelt hat, das Ähnlichkeiten in der Struktur und in der Funktion von Molekülen gegenüber einem Referenzmodell erkennt und bewertet. Daniel Moser wird für seine Diplomarbeit ausgezeichnet. Er hat Grundlagen für ein Verfahren erarbeitet, das die Entwicklung von Medikamenten mit Mehrfachwirkung voranbringen soll. Durch diesen Ansatz will man Arzneimittel mit höherer Wirksamkeit und geringeren Nebenwirkungen herstellen und mögliche Kreuzreaktionen mit anderen gleichzeitig verabreichten Medikamenten verringern bzw. verhindern. Beide Gewinner der FIZ CHEMIE-Preise 2011 sind Absolventen des Studiengangs Bioinformatik der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main.

Die Auszeichnungen werden am Montag, dem 7. November auf der GCC 2011 (7. German Conference on Chemoinformatics) im niedersächsischen Goslar vom Geschäftsführer des FIZ CHEMIE, Professor Dr. René Deplanque, überreicht. Im Rahmen der Verleihung, die um 15.45 h beginnt, haben die Preisträger die Gelegenheit, ihre Forschungs- und Entwicklungsarbeiten dem fachkundigen Publikum in einem Vortrag vorzustellen. Zudem erhalten sie eine finanzielle Anerkennung in Höhe von 500,- Euro für die Dissertation und 250,- Euro für die prämierte Diplomarbeit.

Dr. Volker Dirk Hähnke: FIZ CHEMIE Berlin-Dissertationspreis 2011
Volker Hähnke erhält die Auszeichnung für seine in der Forschungsgruppe von Prof. Dr. Gisbert Schneider an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt und später an der ETH Zürich erarbeitete Dissertation „Text-Based Similarity Searching for Hit- and Lead-Candidate Identification“. Er hat in dieser Arbeit eine chemoinformatische Fragestellung – die Berechnung der Ähnlichkeit von Molekülen – mit einer bioinformatischen Methode zur Ähnlichkeitssuche in Gensequenzen – dem Sequenzalignment – bearbeitet.

Zu dieser Forschung erklärt Professor Schneider: „Es ist Dr. Hähnke gelungen, globales paarweises Sequenzalignment auf den funktionellen Vergleich wirkstoffartiger organischer Moleküle anzuwenden und die erste rigorose Methode zur Berechnung von E/P-values bereitzustellen. Durch diese Bewertung werden beim virtuellen Screening in Moleküldatenbanken diejenigen Substanzen gefunden, die der vorgegebenen Referenzstruktur in ihrem Muster an Interaktionsmöglichkeiten am ähnlichsten sind. Sie sind damit wahrscheinlich auch in ihrer Wirkung am ähnlichsten und eignen sich deshalb besonders gut für den Entwurf neuer Verbindungen für neue Arzneimittel“.

Volker Hähnke hat seine Erkenntnisse im „Pharmacophore Alignment Search Tool (PhAST)“ umgesetzt. In seiner Doktorarbeit wandte er die Software prospektiv für die Suche nach neuen Wirkstoffen zur Bekämpfung von Staphylococcus aureus sowie zur Modifizierung des Verhaltens der Gamma-Sekretase an. Staphylococcus aureus ist in seiner gegen Antibiotika resistenten Form unter der Bezeichnung MRSA ein bekannter Problemkeim in Krankenhäusern. Die Gamma-Sekretase steht unter Verdacht, eine große Rolle bei der Entwicklung von Alzheimer zu spielen. Der Nachwuchswissenschaftler und die Forschungsgruppen, mit denen er seinen Ansatz erprobte, konnten beweisen, dass die Methode funktioniert: Es gelang ihnen, neue aktive Moleküle zu identifizieren, die in den bekannten pharmakologischen Substanzen bisher noch nicht für diesen Zweck eingesetzt werden. Wenn die zugrunde liegenden medizinisch-pharmakologischen Theorien richtig sind, könnten die daraus entstehenden neuen Medikamente bei der Bekämpfung von MRSA helfen und den Krankheitsfortschritt bei Alzheimer verlangsamen.

Auf die Frage, welche Aufgabe innerhalb seiner Forschung für ihn am schwierigsten war, antwortet Volker Hähnke: „Die in Substanzbibliotheken gespeicherten Moleküle in eine eindeutige lineare Form umzuwandeln, damit ich Sequenzalignment für die Ähnlichkeitssuche heranziehen konnte. Sequenzalignment vergleicht Zeichenketten miteinander. In der Genforschung sind das lineare Aneinanderreihungen von Buchstaben, die Proteine oder Nukleinsäuren beschreiben, die von Natur aus linear aufgebaut sind. Wirkstoffartige Moleküle sind aber meist nicht linear. Sie haben Verästelungen und beinhalten Ringe aus Atomen. Ich habe eine Methode der Dimensionsreduktion so angepasst, dass man damit Moleküle in eine eindeutige lineare Form bekommt“.

Die Ergebnisse der Arbeit wurden im Journal of Computational Chemistry in einer Artikelserie veröffentlicht und von der Fachwelt sehr gut aufgenommen. http://onlinelibrary.wiley.com/advanced/search/results

Daniel Moser: FIZ CHEMIE Berlin-Diplomarbeitspreis 2011
Daniel Moser untersuchte in seiner von Junior-Professor Dr. Eugen Proschak für den FIZ CHEMIE Berlin-Preis 2011 vorgeschlagenen Diplomarbeit „Automatische Extraktion von 3-D Pharmacophoren“, wie man mit Hilfe des Computers die Entwicklung von Arzneimitteln mit zwei- oder mehrfacher Wirkung unterstützen könnte. Solche Medikamente könnten bei geringerer Dosierung eine höhere Wirksamkeit haben. Zudem ließen sich mögliche Nebenwirkungen und Kreuzreaktionen schon beim Entwurf des Medikamentes am Computer vorausberechnen und dadurch verringern bzw. verhindern.

Junior-Professor Proschak erläutert dazu: „Der rationale Entwurf von Liganden mit dualer Funktionalität ist eine große Herausforderung in der Medizinischen Chemie. Mit dem von Daniel Moser entwickelten, Pharmacophor-basierten Ansatz können duale Liganden in großen Substanzbibliotheken gefunden werden. Das Verfahren erkennt Gemeinsamkeiten zwischen den selektiven Liganden für unterschiedliche pharmakologische Targets“.

Daniel Moser hat sein Konzept und die von ihm zur Umsetzung seiner Idee entwickelte Software beispielhaft an der an Schmerz- und Entzündungsreaktionen beteiligten Arachidonsäurekaskade erprobt. Moser wählte aus einer Substanzbibliothek potentielle duale Inhibitoren der Enzyme 5-Lipoxygenase (5-LO) und der löslichen Epoxidhydrolase (sEH) aus. Im Labor führte er die pharmakologische Charakterisierung der Substanzen mit Hilfe eines HPLC-basierten Assaysystems für die 5-LO und eines Fluoreszenz-basierten Assaysystems für die sEH durch. Es gelang ihm, eine Verbindung zu identifizieren, die in der Lage war, beide Enzyme zu hemmen.

Daniel Moser bezeichnet als größte Herausforderung bei seiner Diplomarbeit die Testung seines Konzepts im Labor: „Als Bioinformatiker hat man in der Regel nicht so viel Laborerfahrung. Von den sechs Monaten, die ich für meine Arbeit Zeit hatte, habe ich drei Monate im Labor verbracht. Da hätte nichts Größeres schiefgehen dürfen“. Der junge Wissenschaftler setzt seine Arbeiten jetzt in seiner Dissertation fort.

Persönliche Daten und Fakten zu den Gewinnern:

Dr. Volker Dirk Hähnke
Gewinner des FIZ CHEMIE Berlin-Dissertationspreises 2011
Betreuer der Doktorarbeit: Prof. Dr. Gisbert Schneider, Institut für Organische Chemie und Chemische Biologie, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, jetzt ETH Zürich, Institut für Pharmazeutische Wissenschaften http://www.pharma.ethz.ch; Prof. Dr. Ina Koch (Gutachterin), Institut für Informatik, Prof. Dr. Beatrix Süß (Prüferin), Institut für Molekulare Biowissenschaften, Prof. Dr. Ernst Egert (Prüfer), Institut für Organische Chemie und Chemische Biologie, alle Uni Frankfurt

Unterstützung durch Prof. Dr. Alexander K. Hartmann, Institut für Computational Theoretical Physics, Institut für Physik, Carl-von-Ossietzky Universität, Oldenburg, Prof. Dr. Dr. Thomas A. Wichelhaus, Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene, Klinikum und Fachbereich Medizin, Frankfurt, Prof. Dr. Sascha Weggen, Institut für Neuropathologie, Universitätsklinikum Düsseldorf

Titel der prämierten Doktorarbeit: „Text-Based Similarity Searching for Hit- and Lead-Candidate Identification“

Volker Dirk Hähnke wurde am 5. November 1981 in Frankfurt am Main geboren. Sein Abitur legte er an der Heinrich-von-Brentano Gesamtschule in Hochheim am Main ab. Dort hatte er nach eigener Aussage in den naturwissenschaftlichen Fächern die besten Lehrer, was sein von Haus aus vorhandenes Interesse an Biologie, Chemie und Physik verstärkte. Sein Studium der Bioinformatik absolvierte er an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Dort konnte er ab dem 5. Semester Lehrveranstaltungen von Prof. Schneider besuchen, der zu dieser Zeit in Frankfurt die Stiftungsprofessur für Bio- und Chemoinformatik der Beilstein-Stiftung inne hatte. Diese Vorlesungen veranlassten Volker Hähnke, von der Bio- in die Chemoinformatik zu wechseln, die ihm noch ein bisschen spannender erschien. Unter der Betreuung von Prof. Schneider legte der Nachwuchswissenschaftler mit seiner Diplomarbeit „Entwicklung einer Text-Basierten Methode zum Molekülvergleich“ die Grundlagen für sein Dissertationsthema. Seine Doktorarbeit, für die er jetzt den FIZ CHEMIE Berlin-Preis erhielt, erarbeitete Volker Hähnke ebenfalls in der Forschungsgruppe von Prof. Schneider; zwei Jahre in Frankfurt und im letzten Jahr an der ETH Zürich, wohin er seinem Doktorvater nach dessen Ruf in die Schweiz folgte. Von Professor Hartmann, der am Institut für Physik der Carl von Ossietzky-Universität in Oldenburg lehrt, konnte Volker Hähnke bei einem kurzen Aufenthalt eine der fachfremden Methoden lernen, die er in seiner Arbeit auf die chemoinformatische Fragestellung übertragen hat. Die in der prospektiven Anwendung seiner Methode ausgesuchten Substanzen wurden in den Gruppen von Prof. Dr. Dr. Wichelhaus (Staphylococcus aureus Projekt) bzw. Prof. Dr. Weggen (Gamma-Sekretase Projekt) auf ihre biologische Aktivität getestet.

Nach seiner Promotion arbeitet der junge Forscher derzeit in den U.S.A. Er ist im PubChem Projekt am National Institute for Biotechnology Information, National Library of Medicine, National Institutes of Health, Bethesda (Maryland). Was er danach machen will, ist noch nicht entschieden. Er kann sich sowohl eine Arbeit in einer Forschungsabteilung der Industrie, als auch in der Forschung und Lehre an einer Hochschule oder in einer Forschungseinrichtung vorstellen.

Daniel Moser
Gewinner des FIZ CHEMIE Berlin-Diplomarbeitspreises 2011
Betreuer: Jun.-Prof. Dr. Eugen Proschak, Prof. Dr. Dieter Steinhilber (Gutachter), Prof. Dr. Beatrix Süß (Gutachterin).

http://www.pharmazie.uni-frankfurt.de/PharmChem/index.html

Titel der prämierten Diplomarbeit: „Automatische Extraktion von 3-D Pharmacophoren“

Daniel Moser ist am 10. Januar 1985 in Stuttgart geboren. Mit 10 Jahren zog die Familie nach Hessen. Er begann schon früh, sich für Naturwissenschaften und Technik zu begeistern; wählte im Oberstufengymnasium, der Alfred-Delp-Schule im hessischen Dieburg, Informatik und Biologie als Leistungskurse. Nach dem Abitur nahm er sein Studium in Bioinformatik an der Goethe Universität in Frankfurt auf, das er mit seiner preisgekrönten Diplomarbeit mit der Note 1,0 im Juli 2011 als Diplom-Bioinformatiker abschloss. Jetzt bereitet er seine Promotion vor. Um sich sein Studium zu finanzieren, arbeitet er seit 2007 als studentische Hilfskraft im Rechenzentrum der Universität.

Konferenzhomepage GCC 2011
https://www.gdch.de/index.php?id=780
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FIZ CHEMIE ist eine von Bund und Ländern geförderte gemeinnützige Einrichtung mit der primären Aufgabe, der Wissenschaft, Lehre und Industrie qualitativ hochwertige Informationsdienstleistungen im Bereich der allgemeinen Chemie, chemischen Technik und angrenzender Gebiete zur Verfügung zu stellen. FIZ CHEMIE unterhält Beziehungen zu Forschungs- und Informationseinrichtungen im In- und Ausland und hat Marketingabkommen mit Partnerorganisationen weltweit. Das Fachinformationszentrum engagiert sich für die Weiterentwicklung und Verknüpfung der nationalen und internationalen chemischen Fachinformation. FIZ CHEMIE ist ein Institut der wissenschaftlichen Infrastruktur in der Leibniz-Gemeinschaft (WGL).

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