Fettleibigkeitsforscher ausgezeichnet

Preisträger Christian Wolfrum (links) führt Max Rössler durch sein Labor für Fettzellforschung. Bild: Michael Keller / ETH Zürich

«Würden wir alle weniger essen und mehr Sport treiben, bräuchte es meine Forschung nicht», sagt Christian Wolfrum. Doch die Menschen in der industrialisierten Welt kämpfen immer häufiger mit Übergewicht und – ab einem Body Mass Index (BMI) von 30 – mit Fettleibigkeit (Adipositas).

Für viele Betroffene hat dies gravierende Folgen: Rund 70 Prozent aller Fettleibigen entwickeln im Verlauf ihres Lebens Diabetes Typ-2. Zudem gilt Übergewicht heute als wesentlicher Risikofaktor für manche Krebsarten. Derweil deuten wissenschaftliche Daten vermehrt darauf hin, dass sich ein Grossteil dieser Zivilisationserkrankungen eindämmen liesse, wenn wir unser Fettgewebe besser kontrollieren könnten. Genau da setzen Christian Wolfrums Studien an.

Der Professor für Translationale Ernährungsbiologie erforscht zusammen mit rund 15 Mitarbeitern, wie Fettzellen entstehen, und wie der Stoffwechsel das Fettgewebe reguliert. Die Resultate überträgt er auf Anwendungen am Menschen. So gewinnt er Erkenntnisse, die Fettleibigen künftig helfen könnten, das Gewicht zu senken oder Folgeerkrankungen zu vermeiden. Für seine herausragenden Arbeiten an der Schnittstelle zwischen biologischer Grundlagenforschung und Ernährungswissenschaft erhält der 42-jährige Deutsche nun den mit 200‘000 Franken dotierten Max-Rössler-Preis der ETH Zürich.

Diabetes vorbeugen
2011 entdeckten Wolfrum und sein Team einen vielversprechenden Ansatz zur Behandlung von Diabetes Typ-2. Legt unser Körper an Gewicht zu, kann das weisse Fettgewebe, das als Energiespeicher dient, auf zwei verschiedene Arten wachsen: entweder vergrössern sich bestehende Fettzellen, oder das Gewebe bildet neue kleine Fettzellen. Aus epidemiologischen Studien ist bekannt, dass Fettleibige mit kleinen Fettzellen deutlich seltener an Diabetes erkranken als solche mit grossen Zellen. Die Wissenschaftler identifizierten eine körpereigene Substanz, die das Wachstum kleiner Fettzellen fördert und so helfen könnte, Diabetes vorzubeugen. Letztes Jahr gründete Wolfrum zusammen mit Partnern den ETH-Spin-off Glycemicon, um den Wirkstoff in klinischen Studien am Menschen zu testen.

An Dogma gekratzt
Wolfrums Gruppe forscht zudem an braunem Fettgewebe, dessen Zellen die spezielle Eigenschaft haben, Zucker und Fett in grossen Mengen zu verbrennen, um Wärme zu produzieren. Seit wenigen Jahren weiss man, dass braune Fettzellen beim erwachsenen Menschen vorkommen. 2013 konnte Wolfrum erstmals nachweisen, dass sich weisse und braune Fettzellen direkt ineinander umwandeln können und nicht zwingend, wie weithin angenommen, aus unterschiedlichen Vorläuferzellen gebildet werden.

Mit dieser Erkenntnis stellte Wolfrum nicht nur die gängige Lehrmeinung in Frage, sondern zeigte auch einen möglichen Weg für neue gewichtsreduzierende Therapien auf, was in der Ernährungswissenschaft für einiges Aufsehen sorgte. Dass ihn nun seine eigene Hochschule mit dem wichtigsten Förderpreis auszeichnet, kommt für Wolfrum dennoch unerwartet: «Das ist eine unglaubliche Ehre für mich – insbesondere wenn ich mir die hochkarätigen Vorgänger an-schaue. Ich hätte mich zwar selbst nicht in diese Reihe gestellt, aber es fühlt sich auf jeden Fall sehr gut an», sagt er.

Der Donator und promovierte ETH-Mathematiker Max Rössler ist überzeugt, dass sein Fördergeld sinnvoll investiert ist: «Christian Wolfrum forscht auf einem aktuellen und wichtigen Gebiet. Es freut mich sehr, ihn zu unterstützen und der Gesellschaft so etwas zurückzugeben.»

Braune Fettzellen therapeutisch nutzen
Das Preisgeld will Wolfrum gezielt in Experimente stecken, um auf molekularer Ebene aufzuklären, wie braunes Fettgewebe entsteht. «Das wird uns einen enormen Anschub geben, damit wir unseren Vorsprung in diesem hart umkämpften Gebiet weiter ausbauen können», so Wolfrum. Derzeit arbeitet seine Gruppe mit Hochdruck daran herauszufinden, welche Signale weisse Fettzellen in braune umwandeln. Wolfrums Vision ist, einen therapeutischen Ansatz zu formulieren, bei dem braune Fettzellen aktiviert und so Übergewicht kontrolliert werden kann. «Da Reden wir von 10 bis 20 Jahren, aber ich habe ja noch Zeit», sagt er augenzwinkernd.

Wolfrum gilt als international gefragter Experte auf dem Gebiet der Fettleibigkeitsforschung und erhielt bereits eine Reihe von bedeutenden Auszeichnungen, unter anderem den H.P. Kaufmann Award 2000 für Junge Wissenschaftler der Deutschen Gesellschaft für Fettwissenschaften und den Young Investigators Award 2004 der European Federation for the Science and Technology of Lipids. 2008 bewarb er sich erfolgreich für einen der begehrten ERC Starting Grants der Europäischen Forschungskommission. 2012 gewann er den Spark Award der ETH Zürich und 2013 den Hauptpreis beim Start-up-Wettbewerb Venture Kick.

Media Contact

Franziska Schmid ETH Zürich

Weitere Informationen:

http://www.ethz.ch

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