Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft 2004 für Mediziner und Molekularbiologen

Therapien für eine neue Gruppe von Erbleiden
Preisträger wollen mit Hefezellen, Mäusen und Gentechnik Defekte des Eiweiß-Stoffwechsels erforschen

Die Hamburger Körber-Stiftung vergibt in diesem Jahr den mit EUR 750.000 dotierten Körber-Preis an ein internationales Team aus Medizinern, Biochemikern und Zellbiologen, das angeborene Erkrankungen des Glykoprotein-Stoffwechsels erforschen möchte, um neue Diagnoseverfahren und Therapien zu entwickeln. Ein internationales Kuratorium unter Vorsitz des Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft, Prof. Dr. Peter Gruss, hat die Preisträger ausgewählt.

Die Preisträger:

Prof. Dr. Kurt von Figura von der Abteilung Biochemie II der Georg-August-Universität Göttingen (Koordinator der Forschergruppe), Prof. Dr. Markus Aebi vom Institut für Mikrobiologie der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, Prof. Dr. Thierry Hennet vom Physiologischen Institut der Universität Zürich, Prof. Dr. Jaak Jaeken vom Department of Paediatrics des University Hospital Gasthuisberg in Leuven, Prof. Dr. Ludwig Lehle vom Lehrstuhl für Zellbiologie und Pflanzenphysiologie der Universität Regensburg und Prof. Dr. Gert Matthijs vom Laboratory for Molecular Diagnosis am Center for Human Genetics in Leuven.

Bei den von den Preisträgern untersuchten Krankheiten handelt es sich um eine Gruppe von erblichen Defekten, die seit weniger als 25 Jahren bekannt sind. Sie betreffen die Herstellung einer bestimmten Klasse von Eiweißmolekülen – die Glykoproteine – und werden als Congenital Disorder of Glycosylation (CDG) bezeichnet. Die Häufigkeit entspricht etwa der anderer seltener Erbleiden wie dem Veitstanz (Chorea Huntington), der Bluterkrankheit oder der Glasknochenkrankheit.

Diagnosemethoden bis heute unerforscht

CDG-Patienten sind häufig geistig zurückgeblieben und in ihrer körperlichen Beweglichkeit eingeschränkt. Rund ein Fünftel der Erkrankten stirbt in den ersten zwei Lebensjahren an Leber- oder Nierenversagen, Herzmuskelschwäche oder Infekten. Weil die Symptome jedoch nicht so krankheitspezifisch sind wie bei vielen anderen Krankheiten, ist es umso wichtiger, verlässliche Diagnosemethoden zu entwickeln – ein Ziel des Forschungsprojektes. Die Preisträger waren die ersten, die Patienten mit CDG-Syndrom beschrieben haben und sie gehören zur Weltspitze bei der Erforschung dieser Krankheitsgruppe.

Unter den tausenden verschiedener Eiweißmoleküle, die jede Körperzelle herstellt, enthalten etwa ein Drittel auch Zuckeranteile – die Glykoproteine. Sie spielen z. B. bei Wachstum, Zelldifferenzierung, Organentwicklung, Signalübertragung, Abwehr, Entzündungen oder Krebsentstehung eine Rolle. Die Zelle bildet sie, indem sie an ein Eiweißmolekül zusätzlich ein Zuckermolekül anhängt (Glykosilierung). Bei den Patienten mit CDG-Syndrom ist jeweils einer der zahlreichen Schritte, die die Zuckeranheftung steuern, defekt.

Ziele des Forschungsprojekts:

Weshalb die Glykosylierung bei den CDG-Patienten nicht richtig funktioniert, wollen die Arbeitsgruppen um den Koordinator des Körber-Projekts Kurt von Figura mithilfe von Hefezellen sowie an Mäusen erforschen. Im Einzelnen möchten die Preisträger:

– die molekularen Ursachen von CDG aufklären;
– Hefezellen nutzen, um Erbdefekte aufzuspüren;
– das Krankheitsbild an Mausmodellen des CDG untersuchen;
– Diagnose-Methoden für Patienten entwickeln;
– neue Ansätze für Therapien von CDG finden.

Da der Vorgang der Glykosylierung in der Hefe ganz ähnlich abläuft wie in menschlichen Zellen, lässt er sich an diesem Organismus gut untersuchen. Mithilfe mutierter Hefezellen und gentechnischer Methoden lässt sich sogar feststellen, worin der jeweilige genetische Defekt beim Menschen besteht.

Daneben wollen die Preisträger das Krankheitsbild auch an Mäusen beobachten. Weil diese dem Menschen sehr viel ähnlicher sind, lässt sich bei ihnen besser als an Hefen herausfinden, wie die Krankheitssymptome zustande kommen und wie man sie vielleicht heilen kann. Schon jetzt ist es möglich, die Symptome bei zwei Formen von CDG deutlich zu lindern, indem man den Patienten jene Zuckerformen gibt, die ihre Zellen nicht korrekt herstellen. Bei anderen Patienten könnten Verfahren der Gentherapie zum Einsatz kommen.

Die Körber-Stiftung

Die Körber-Stiftung will mit ihren Projekten Bürgerinnen und Bürger aktiv an gesellschaftlichen Diskursen beteiligen. Sie versteht sich in diesem Sinne als ein Forum für Impulse. Chancen zur Mitwirkung bietet das Forum besonders in den Bereichen Politik, Bildung, Wissenschaft und Internationale Verständigung.

Wer sich als Bürger engagiert, kann Wissen weitergeben, Probleme identifizieren und Aktivitäten anregen. Mit diesen Impulsen setzen die Teilnehmer wichtige Akzente zur Alltagskultur der Demokratie.

Kuratorium des Körber-Preises

Prof. Dr. Peter Gruss (Vors.), Prof. Dr. Sir Richard John Brook,
Prof. Dr. Olaf Kübler, Prof. Dr. Volker ter Meulen,
Prof. Dr. David N. Reinhoudt, Prof. Dr. Widmar Tanner,
Prof. Dr. Heinrich Ursprung, Prof. Dr. Sigmar Wittig

Vorstand der Körber-Stiftung
Christian Wriedt (Vors.)
Dr. Klaus Wehmeier (stellv. Vors.)
Dr. Wolf Schmidt

Stiftungsrat der Körber-Stiftung
Ulrich Voswinckel (Vors.)

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