Frischer Wind in der Forschung

Rund 1,5 Millionen Euro für drei weitere Gruppen im Tandem-Programm zur Förderung der fachübergreifenden Zusammenarbeit von Postdoktoranden

Das Tandemprogramm zur Förderung der fachübergreifenden Zusammenarbeit von Postdoktoranden ist in der Forschungsförderlandschaft einmalig. Mit dieser Initiative verfolgt die VolkswagenStiftung die Kombination zweier Ziele: Es geht darum, herausragende Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler im Anschluss an die Promotion zu fördern – und dabei zugleich die jungen Forscher aufzufordern, im Zuge einer neuen, interdisziplinär ausgerichteten Aufgabe die selbstständige fachübergreifende Zusammenarbeit zu erproben und Fachgrenzen inhaltlich wie methodisch zu überschreiten. Gefördert wird ein Team von zwei, gegebenenfalls auch drei Nachwuchsforschern – angesprochen sind alle Fachrichtungen -, die sich auf diese Weise auch frühzeitig für Leitungsaufgaben in der Wissenschaft qualifizieren können, etwa für die Übernahme einer Juniorprofessur. Jetzt hat die VolkswagenStiftung insgesamt rund 1,52 Millionen Euro für drei weitere Tandems bewilligt, die sich als die besten unter rund zwanzig eingereichten Vorschlägen durchsetzen konnten.

576.900 Euro für das Vorhaben „Systemanalytisch und ökobilanziell eingebettete Entwicklung von Geopolymerbindern“ von Dr.-Ing. Anja Buchwald, Mitarbeiterin bei der Professur Bauchemie an der Bauhaus-Universität Weimar, Dipl.-Geol. Marcel Weil vom Institut für Technische Chemie am Forschungszentrum Karlsruhe GmbH und Dr.-Ing. Katja Dombrowski vom Institut für Keramik, Glas- und Baustofftechnik der Technischen Universität Bergakademie Freiberg

Dieses Tandem ist ein Trio und zugleich das erste im Programm geförderte Nachwuchsforscherteam aus den Ingenieurwissenschaften. Die beiden Wissenschaftlerinnen aus Weimar und Freiberg und ihr Karlsruher Kollege beschäftigen sich mit Geopolymeren, einem neuartigen mineralischen Baustoff. Geopolymere bestehen aus einer silikatisch-aluminatischen Feststoffkomponente (das Bindemittel) und einer alkalischen Flüssigkeitskomponente (der Aktivator). Als Feststoff kommen dabei grundsätzlich auch Reststoffe wie Hochofenschlacke, Flug- oder Klärschlammasche als Beimischungen in Frage. Damit liegt auf der Hand, dass dieses kostengünstige, abfallverwertende Vorgehen dann zum Problem wird, wenn unerwünschte Beimengungen – etwa Schwermetalle – als Schadstoffe aus dem Baustoff entweichen.

Das Tandem-Team möchte nun aus den zahlreichen möglichen Feststoffkomponenten zur Herstellung von Geopolymeren die technisch, ökonomisch und ökologisch vorteilhaften Kandidaten für die Materialentwicklung auswählen, prüfen und bewerten – und zwar mittels systemanalytischer Untersuchungen und ökobilanzieller Vergleiche zu herkömmlichen Baustoffen. Neben dem geforderten bautechnischen Eigenschaftsprofil stehen etwa das Langzeitverhalten und die Umweltbilanz im Zentrum der Forschungen. Dabei wird die Ökobilanzierung nicht im Anschluss an die Prozess- und Materialentwicklung vorgenommen, sondern findet begleitend statt – um aussichtsreiche Materialzusammensetzungen frühzeitig identifizieren zu können. Am Ende könnten Vorschläge für neue Anwendungsgebiete der Geopolymere stehen – zum Beispiel Hybridkonstruktionen des billigen Massenstoffs Beton mit speziellen geopolymeren Auflagen für (schwer entflammbare) Innenschalen von Tunnelwänden. Geplant sind für den Verlauf des auf drei Jahre angelegten Vorhabens auch Workshops zu den Themen „Nutzung ökobilanzieller und stoffstromanalytischer Werkzeuge in der Werkstoffforschung“ und „Aspekte der Dauerhaftigkeit von Geopolymeren“.

Kontakt Bauhaus-Universität Weimar:
Professur Bauchemie
Dr.-Ing. Anja Buchwald
Telefon: 03643/584794
E-Mail: anja.buchwald@bauing.uni-weimar.de

Kontakt Forschungszentrum
Karlsruhe GmbH in der Helmholtz-Gemeinschaft:
Institut für Technische Chemie
Dipl.-Geol. Marcel Weil
Telefon: 07247/826718
E-Mail: marcel.weil@itc-zts.fzk.de

Kontakt Technische Universität Bergakademie Freiberg:
Institut für Keramik, Glas- und Baustofftechnik
Dr.-Ing. Katja Dombrowski
Telefon: 03731/39-4241
E-Mail: katja.dombrowski@ikgb.tu-freiberg.de

564.500 Euro für das Vorhaben „Persuasive Kommunikation bei den Wolof: Das Zusammenspiel sprachlicher und kultureller Aspekte“ – unter der Leitung von Dr. Anna Marie Diagne vom Institut für Linguistik der Universität Köln und Dr. Christian Meyer vom Institut für Ethnologie und Afrikastudien der Universität Mainz

Das Köln-Mainzer Forscherteam möchte mit dem Projekt die Formen, Funktionen und Modalitäten persuasiver Kommunikation beim afrikanischen Volk der Wolof im Senegal erfassen. Das Projekt hat zwei Zielsetzungen: Erstens soll das „semantische Inventar“ des Wolof – einer afrikanischen Akzentsprache – rund um die Begriffe Reden/Überreden/Darstellen, Eloquenz, Charisma, Autorität, Einfluss und Macht erforscht werden. Besonderes Augenmerk gilt dabei jenen Kriterien, nach denen ein Redner als kompetent und eloquent und dessen Gebrauch der Sprache in der konkreten Situation als gelungen anzusehen ist. Des Weiteren wird der Zusammenhang untersucht zwischen linguistischen Besonderheiten persuasiver Kommunikation (Prosodie, Grammatik, Semantik) und deren Kontext, der geprägt ist von bestehenden sozialen Beziehungen, situativen Erfordernissen, kulturellen Hintergründen sowie individuellen Kompetenzen, Zielen und Ambitionen.

Die Wissenschaftler – Anna Marie Diagne spricht selbst Wolof – nutzen als Anlässe für ihre Untersuchungen insbesondere die politischen Diskurse im Dorfrat und in soziopolitischen Vereinigungen sowie die informelle Alltagskommunikation, wie sie sich etwa darstellt bei Gesprächen im Gehöft und bei allgemeinen Debatten oder im Verlauf von Anschuldigung und Rechtfertigung. Sie erwarten unter anderem Erkenntnisse über die Spannung zwischen kulturellem Hintergrund und konkreter Handlung, über die Funktionsweise politischer und alltäglicher Persuasion und deren Auswirkungen auf gesellschaftliche Prozesse sowie über die Besonderheiten der Wolof-Rhetorik als Teil der politischen Kultur. Mit dieser Zusammenarbeit eines Ethnologen und einer Sprachwissenschaftlerin eröffnet sich ein Forschungsgebiet, in dem sich Ethnologie und Afrikanistik zu beiderseitigem Nutzen überschneiden – eine im deutschsprachigen Raum bisher nur sporadisch verwirklichte Zusammenarbeit.

Kontakt Universität Köln:
Institut für Linguistik
Dr. Anna Marie Diagne
E-Mail: adiagne@gmx.net

Kontakt Universität Mainz
Institut für Ethnologie und Afrikastudien
Dr. Christian Meyer
Telefon: 06131/392-2542
E-Mail: chmeyer@uni-mainz.de

379.800 Euro für das Vorhaben „Die Beziehung von Musik und Choreographie im Ballett des 16. bis 20. Jahrhunderts“ von Dr. Michael Malkiewicz vom Institut für Musikwissenschaft (Schwerpunkt Tanzforschung) der Universität Salzburg und Dr. Jörg Rothkamm, Musikwissenschaftliches Institut der Universität Hamburg.

Dem deutsch-österreichischen Vorhaben zur „Beziehung von Musik und Choreographie im Ballett des 16. bis 20. Jahrhunderts“ liegt die These zu Grunde, dass Ballettmusik eine besondere choreographiegerechte Komponente besitzt, die anderer Instrumentalmusik fehlt. Im Zentrum der Untersuchungen steht die Frage, inwieweit das „rhythmische Profil“ die für die ästhetische Wahrnehmung maßgebliche Komponente von Ballettmusik ist und inwiefern es das Zeitkonzept dieser Kunstform bestimmt. „Rhythmisches Profil“ bezieht sich dabei auf eine Analysemethode, nach der der Rhythmus der Musik in einem weiter gefassten Sinn als lediglich dem der Notation einer Tondauer verstanden wird. In der Ballettmusik sind die zu koordinierenden Tanz- und Schrittfolgen auf zeitliche Vorlagen und Impulse der Musik angewiesen, zudem müssen in einer wortlosen Kunst wesentliche Handlungsmomente akustisch akzentuiert sein, damit eine sinngemäße ästhetische Wahrnehmung möglich wird.

Im Verlauf der Ballettgeschichte von ihren Anfängen im 16. Jahrhundert bis in die jüngere Gegenwart ist die rhythmische Organisation der Musik immer komplexer geworden, was die Gattung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einem der Experimentierfelder der musikalischen Avantgarde hat werden lassen. Dennoch hat weder die Musik- noch die Tanz- oder Theaterwissenschaft sich dieser Phänomene bisher systematisch angenommen. Diese Lücke wollen die beiden Forscher jetzt schließen. Im Zusammenspiel ihres musik- und tanzwissenschaftlichen Know-hows untersuchen sie an Balletten aus vier Jahrhunderten, ob sich rhythmische Eigenarten der Ballettmusik von choreographischen Implikationen ableiten lassen, inwieweit inhaltliche Bezüge (etwa die Akzentuierung einer konkreten Handlung) dabei eine Rolle spielen und welcher Stellenwert in der Ballettmusik der Verwendung stilisierter Tänze zukommt. Als weiter gehende Zielsetzung wollen sie die ästhetische Position des Balletts und die Interaktion der beteiligten Künste Musik und Tanz in Bezug auf deren zeitliche und räumliche Organisation theoretisch bestimmen. Dies führt letztlich zu einer grundlegenden Theorie des (klassischen) Bühnenballetts.

Kontakt Universität Salzburg:
Institut für Musikwissenschaft
Dr. Michael Malkiewicz
Telefon: 0043/662/8044-4655
E-Mail: caroso@gmx.at

Kontakt Universität Hamburg:
Musikwissenschaftliches Institut
Dr. Jörg Rothkamm
E-Mail: jrothkamm@gmx.de

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Kontakt Förderinitiative der VolkswagenStiftung
Fachgebiete der Abteilung
für Geistes- und Gesellschaftswissenschaften
Dr. Marcus Beiner
Telefon: 0511/8381 – 289
E-Mail: beiner@volkswagenstiftung.de

Fachgebiete der Abteilung für
Natur- und Ingenieurwissenschaften, Medizin
Dr. Ulrike Bischler
Telefon: 0511/8381 – 350
E-Mail: bischler@volkswagenstiftung.de

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Dr. Christian Jung idw

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