Leibniz-Forscher Eberhard Fuchs erhält den Wissenschaftspreis des Stifterverbandes

Göttinger Primaten-Forscher beweist: Gehirnzellen wachsen doch nach – Wirkungsweise von Antidepressiva aufgeklärt – vielversprechende Ansätze für neue antidepressive Medikamente.

Die feierliche Preisverleihung findet auf der Jahrestagung der Leibniz-Gemeinschaft am 28.11.2002 in Berlin statt.

Der Preis steht in einer Reihe mit den Wissenschaftspreisen, die der Stifterverband auf Vorschlag der großen Wissenschaftsorganisationen in unterschiedlichen Kategorien verleiht. Der Stifterverband hat den Wissenschaftspreis vor fünf Jahren initiiert, um Forscher öffentlich auszuzeichnen, die über ihre exzellente Forschung hinaus besonders zukunftsweisende Arbeitsweisen anwenden oder Wirkungen erzielen. Die Leibniz-Gemeinschaft wurde Anfang dieses Jahres in die Reihe der vorschlagenden Organisationen aufgenommen und erhält den Preis in diesem Jahr erstmals.

„Die Leibniz-Gemeinschaft steht für uns in einer Reihe mit den großen deutschen Wissenschaftsorganisationen und die Auswahl des ersten Preisträgers bestätigt, dass hier exzellente zukunftsweisende Forschungsarbeit geleistet wird“, sagte Dr. Arend Oetker, Präsident des Stifterverbandes, anlässlich der Auswahl von Eberhard Fuchs durch die Jury.

Die Zuerkennung des Preises sei eine große Anerkennung für die Leibniz-Gemeinschaft und ihre Wissenschaftler, betonte Henkel. Und Preisträger Fuchs freute sich: „Den Preis sehe ich als Anerkennung der Arbeit eines interdisziplinären Forscherteams.“

„Die Grundlagenforschung von Professor Fuchs ist nicht nur hervorragend, sondern sie hat auch direkten Nutzen in der Praxis. Deswegen haben wir ihn dem Stifterverband als Preisträger vorgeschlagen“, begründete Hans-Olaf Henkel, der Präsident der Leibniz-Gemeinschaft, die Auswahl von Fuchs.

Prof. Dr. Eberhard Fuchs erhält den Wissenschaftspreis des Stifterverbandes in der Kategorie „Gesellschaft braucht Wissenschaft“. Der Preis wurde in Zusammenarbeit mit der Leibniz-Gemeinschaft entwickelt und geht jeweils an einen Forscher aus ihren Reihen. Fuchs erforscht mit seiner Arbeitsgruppe am Deutschen Primatenzentrum (DPZ) in Göttingen, einer Einrichtung der Leibniz-Gemeinschaft, die Spuren, die Stress im Gehirn hinterlässt. Er konnte in Tierexperimenten erstmals erklären, worauf die lindernde Wirkung der gängigen Medikamente gegen Depressionen beruht. Daraus ergeben sich vielversprechende Ansätze für die Entwicklung neuer antidepressiver Medikamente und damit bessere Behandlungsmöglichkeiten für die rund zehn Prozent der Bevölkerung, die im Lauf ihres Lebens depressive Erkrankungen erleiden.

Gehirnzellen wachsen doch nach

Fuchs und andere Wissenschaftler konnten in den vergangenen Jahren zeigen, dass sich auch im erwachsenen Gehirn ständig neue Nervenzellen bilden. Das steht im Widerspruch zu der traditionellen Lehrmeinung, nach der das erwachsene Gehirn höherer Wirbeltiere (einschließlich des Menschen) keine regenerativen Fähigkeiten besitzt. Aber die Göttinger Experimente an Tupaias (Spitzhörnchen, die den Primaten sehr ähneln) brachten an den Tag, dass sich insbesondere im so genannten Gyrus dentatus ständig neue Nervenzellen bilden. Weitergehende Untersuchungen zeigten, dass unter Stress die Neubildungsrate der Nervenzellen in dieser Region des Gehirns deutlich abnimmt. Die Fachleute sprechen von einer eingeschränkten Plastizität des Gehirns. „Damit wurde zum ersten Mal nachgewiesen, dass psychosozialer Stress klare morphologische Veränderungen in einem Hirngebiet induziert, das eine wichtige Rolle bei Lern- und Gedächtnisvorgängen spielt“, erklärt Fuchs das überraschende Ergebnis.

Wirkungsweise von Antidepressiva aufgeklärt – Chancen für bessere Medikamente

Antidepressiva wie das Medikament Tianeptine (StablonÒ) stellen diese Plastizität teilweise wieder her. Darauf beruht eine ihrer Wirkungen, wie Fuchs und seine Gruppe unlängst in weiteren Untersuchungen an Tupaias herausfanden. Die Neubildungsrate von Nervenzellen steigt wieder an, der Hirnstoffwechsel normalisiert sich. Diese Experimente machen erstmals klar, wie die eingesetzten Medikamente wirken. Das öffnet neue Perspektiven für die Entwicklung besserer Psychopharmaka und damit eine gezieltere Behandlung der Betroffenen.

Zur Person Eberhard Fuchs

Eberhard Fuchs geboren 1947 und aufgewachsen in München – dort auch studiert (Biologie und Chemie) – nach dem Staatsexamen Beginn der Promotionsarbeit bei Prof. Autrum über sozialen Stress bei Tupai. 1975 begann eine nordwärts gerichtete Wanderbewegung. Sie führte zunächst für knappe sieben Jahre an die neugegründete Universität Bayreuth. Von dort ging es weiter nach Göttingen an das im Aufbau befindliche Deutsche Primatenzentrum. Hier arbeitete er zunächst in der Abteilung Reproduktionsbiologie und seit 1990 in der Abteilung Neurobiologie.

Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft

Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft entwickelt Förderprogramme und unterstützt Initiativen, die exemplarisch zur Lösung von strukturellen Problemen in Hochschule und Wissenschaft beitragen. Der Stifterverband versteht sich dabei als unkonventionelle Ideenschmiede und als Moderator in einem überbürokratisierten Wissenschaftssystem, das kontinuierlich neue Freiräume und kritische Anstöße braucht. Die besondere Rolle des Stifterverbandes im deutschen Wissenschaftssystem besteht in seiner Networkerfunktion zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik.

Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz

Der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz gehören das Deutsche Primatenzentrum und 78 weitere außeruniversitäre Forschungsinstitute und Serviceeinrichtungen für die Forschung an. Das Spektrum der Leibniz-Institute ist breit gefächert und reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Sozial- und Raumwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften und Museen mit angeschlossener Forschungsabteilung. Die Institute beschäftigen rund 12.000 Mitarbeiter und haben einen Gesamtetat von 820 Millionen Euro. Sie arbeiten nachfrageorientiert und interdisziplinär und sind von überregionaler Bedeutung. Da sie Vorhaben im gesamtstaatlichen Interesse betreiben, werden sie von Bund und Ländern gemeinsam gefördert.

Prof. Dr. Eberhard Fuchs
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E-Mail: efuchs@gwdg.de

Dr. Frank Stäudner
Telefon: 030/20604942
E-Mail: staudner@wgl.de

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