ORCHEM 2008 – ihre Preisträger, ihre Themen

Wegen stetig steigender Teilnehmerzahlen muss die ORCHEM, die bedeutendste Tagung zum Gesamtgebiet der organischen Chemie in Deutschland, nach langen Jahren in Bad Nauheim 2008 ihren Tagungsort wechseln. Ausgewählt wurde Weimar.

Für die erwarteten 400 Wissenschaftler – viele von ihnen präsentieren sich mit Postern – haben Professor Dr. Ulrich Koert (Universität Marburg) und die Liebig-Vereinigung der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) ein interessantes, hoch aktuelles Vortragsprogramm zusammengestellt. Im Fokus stehen vom 1. bis 3. September Themen aus der Katalyseforschung, der medizinischen-chemischen Forschung und neue organische Materialien. Die Emil-Fischer-Medaille, benannt nach dem Chemie-Nobelpreisträger von 1902, wird in Weimar an Professor Dr. Peter Hofmann, Heidelberg, verliehen. Die ORCHEM-Preise für Nachwuchswissenschaftler gehen 2008 an Professor Dr. Magnus Rueping, Frankfurt, und Dr. Peter Spiteller, München.

Als die Emil-Fischer-Medaille 1912 zum ersten Mal verliehen wurde, hieß der Preisträger Fritz Hofmann. Er hatte zahlreiche Arzneimittel, beispielsweise Schlaf- oder Malariaschutzmittel, entwickelt, erlangte aber Weltruhm vor allem durch die Erfindung des synthetischen Kautschuks „Buna“, die 1909 patentiert wurde. Peter Hofmanns Stärken liegen in der modernen organisch-chemischen Grundlagenforschung und in der interdisziplinären Zusammenarbeit. Zukunftsweisend sind seine Arbeiten in der Organometallchemie, zu Ligandendesign und Ligandensynthesen für die Katalyse sowie zur detaillierten Aufklärung von Reaktionsmechanismen. Glänzend gelingt ihm hier der Brückenschlag zwischen Theorie und Experiment.

Hofmann hat in seiner Heimatstadt Nürnberg Chemie studiert. Als Postdoktorand absolvierte er von 1974 bis 1977 einen Forschungsaufenthalt beim Chemie-Nobelpreisträger von 1981, Roald Hoffmann, an der Cornell University in den USA. Nach seiner Habilitation für das Fach Organische Chemie in Nürnberg und im Anschluss an eine Gastprofessur in Berkeley, eine C2-Professur in Erlangen-Nürnberg und eine Gastprofessur am anorganisch-chemischen Institut der Technischen Universität München wurde er als Extraordinarius an das Münchener Institut berufen. Weitere Gastprofessuren und eine Forschungsaufenthalt bei der BASF folgten, bevor Hofmann 1994 den Ruf auf einen Lehrstuhl für Organische Chemie an der Universität Heidelberg erhielt. Seit 1995 ist er dort Ordinarius und Direktor am Institut für Organische Chemie.

In München entwickelte Hofmann die Theoretische Chemie erstmalig zu einem Werkzeug für das Verständnis metallorganischer Katalysatoren – ein richtungsweisender Schritt für die moderne Katalyse. Hofmann entwickelte auch die Grundlagen für das rationale Design von Liganden für Homogenkatalysatoren, wodurch sich die Syntheseforschung auf Erfolg versprechende Leitstrukturen fokussieren konnte. Hofmann ist einer der Initiatoren, Gründungsväter und derzeitiger Leiter des CaRLa (Catalysis Research Laborotary), des 2006 gegründeten gemeinsamen Forschungsinstituts der BASF und der Universität Heidelberg für homogene Katalyse. Außerdem ist er seit dessen Gründung im Jahr 2002 Sprecher des DFG-Sonderforschungsbereichs „Molekulare Katalyse: Struktur und molekulares Design“. „Sowohl aufgrund seiner international anerkannten wissenschaftlichen Leistungen als auch wegen seiner zahlreichen Initiativen zur Stärkung der wissenschaftlichen Zusammenarbeit ist Peter Hofmann ein würdiger Träger der Emil-Fischer-Medaille“, äußerte sich GDCh-Vizepräsident Professor Dr. Dieter Jahn im Vorfeld der Verleihung.

Magnus Rueping, einer der beiden ORCHEM-Preisträger, gilt als „Shooting Star“ auf dem Gebiet der Organokatalyse. Er hat die enantioselektive Brønsted-Säure-Katalyse zu einer interessanten Alternative zu Metallkatalysatoren weiterentwickelt. Rueping studierte Chemie an der TU Berlin, promovierte an der ETH Zürich und war Postdoktorand an der Havard University in den USA, bevor er 2004, im Alter von 32 Jahren, direkt auf eine Professur an die Universität Frankfurt berufen wurde. Seither ist er Degussa-Stiftungsprofessor für Organische Synthese. In Weimar stellt er in einem Plenarvortrag die Methode der enantioselektiven Brønsted-Säure-Katalyse und einige ihrer spektakulärsten Anwendungen wie die Aktivierung von Carbonylverbindungen vor. Ferner erläutert er, wie die Methode zur Synthese von Naturstoffen genutzt werden kann.

Naturstoffe sind auch das Forschungsgebiet des zweiten ORCHEM-Preisträgers, Peter Spiteller – aber in ganz anderer Weise. Er beschäftigt sich mit der chemischen Ökologie höherer Pilze, also mit den Wechselwirkungen zwischen höheren Pilzen und anderen Organismen. Das ist wichtig für die systematische Suche nach neuen Wirkstoffen aus diesen Pflanzen, beispielsweise Wirkstoffen, die antitumoraktiv sind. Er entdeckte aber auch einen neuen Weg, auf dem einige Pilze die hochgiftige Blausäure zur chemischen Verteidigung produzieren. Spiteller studierte in seiner Heimatstadt Bayreuth Chemie und Physik, promovierte am Department Chemie der Ludwig-Maximilians-Universität München, war Postdoktorand an der University of Washington in Seattle und ist seit 2004 Habilitand an der TU München. Seine Forschungsarbeiten stellt er in einem Vortrag im Anschluss an die Preisverleihungen vor.

Der erste Konferenztag wird abgeschlossen mit einem Abendvortrag über molekulare Elektronik, gehalten von Professor Dr. Klaus Müllen, Direktor am Max-Planck-Institut für Polymerforschung und Präsident der GDCh. Die Botschaft seines Vortrags ist, dass interdisziplinär betriebene organische Chemie im Zentrum neuer Entwicklungen für organische Licht-sammelnde Einheiten, für neuartige Solarzellen sowie für wichtige Bauteile in Batterien und Transistoren steht. Den organischen Synthesechemikern wird hohes Können abverlangt, wenn sie Eigenschaften wie Ladungstransport und Energietransfer in der gewünschten Weise in den neuen Materialien und an deren Grenzflächen realisieren. Hier wird Perfektion von molekularen und supramolekularen Strukturen gefordert. Dies wird Müllen anhand von nanostrukturierten Graphenen, das sind feste Kohlenstoff-Monolagen, die als Ein-Elektron-Transistoren die Silizium basierten Transistoren ablösen könnten, von Struktur und Form beständigen Dendrimeren, von konjugierten makrocyclischen Verbindungen sowie von anderen Supramolekülen und Nanoverbünden erläutern.

Dendritische, also verästelte Molekülstrukturen, bieten sich auch für die Herstellung von Nanotransportern an, die man in der Medizin nutzen möchte, um Diagnostika und Therapeutika gezielt an ihren Wirkort in der Körperzelle zu schleusen. Dies ist besonders interessant für die Krebstherapie. Andere medizinisch-chemische Themen sind auf der ORCHEM 2008 die Forschung über neuartige Enzyminhibitoren, die aufgrund ihrer ausgeklügelten organometallischen Struktur an das spezifische Enzym binden, es funktionslos machen und so den gestörten Stoffwechsel unterbinden oder verlangsamen sowie neue Kandidaten für Malariaimpfstoffe, die in Mikroreaktoren synthetisiert werden. Ein Vortrag aus der BASF stellt neue Synthesewege zu chiralen und enantiomerenreinen Substanzen vor, die der pharmazeutischen Industrie als Ausgangsstoffe zur Herstellung von Wirkstoffen dienen.

Die Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) gehört mit über 28.000 Mitgliedern zu den größten chemiewissenschaftlichen Gesellschaften weltweit. Sie hat 25 Fachgruppen und Sektionen, darunter die Liebig-Vereinigung für Organische Chemie mit über 1.500 Mitgliedern. Hauptanliegen der Liebig-Vereinigung für Organische Chemie sind u.a., Forschungsrichtungen und Forschungsvorhaben auf dem Gebiet der Organischen Chemie anzuregen, über wesentliche Aktivitäten auf diesem Gebiet zu informieren und durch intensive Öffentlichkeitsarbeit wichtige und aktuelle Aspekte der Organischen Chemie bekannt zu machen.

Kontakt:
Dr. Renate Hoer
Öffentlichkeitsarbeit
Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V. (GDCh)
Postfach 900440
60444 Frankfurt
Tel.: 069/7917-493
Fax: 069/7917-307
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