Aufklärung einer Signalkaskade, die einen pflanzlichen Minimotor antreibt

Dr. Alexandra Furch von der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) erhält den Horst Wiehe-Preis 2011 der Deutschen Botanischen Gesellschaft (DBG). Sie hat an lebenden Pflanzen zeigen können, wie die so genannten Forisomen auf zellulärer Ebene funktionieren. Forisomen sind Proteine in Erbsen, Bohnen und anderen Schmetterlingsblütlern (Fabaceae), die innerhalb einer Minute die Leitungsbahnen verschließen, sobald die Pflanze verletzt wird.

Die wie ein Minimotor arbeitenden Forisomen werden von Calcium angetrieben. Sie schützen die Pflanze vor dem „Ausbluten“ zuckerreicher Nährlösung und verhindern das Eindringen von Krankheitserregern. Dr. Furch wird die mit 1.500 Euro dotierte Auszeichnung am 19. September 2011 während der Botanikertagung in Berlin entgegennehmen.

Furch schlägt in ihrer nun ausgezeichneten Dissertation eine Brücke zwischen Zellbiologie und dem Verhalten der ganzen Pflanze. Zwar sind Forisome bereits seit 100 Jahren bekannt, aber nun konnte der zugrunde liegende physiologische Prozess, der zu einer reversiblen Reaktion führt, entschlüsselt werden. „Das Anschwellen der Forisome wird durch ein komplexes Zusammenspiel von einem elektrischen Signal und von Calcium-Ionen vermittelt“, erklärt Furch.

In wenigen Sekunden wie aufgeblasen

Wie die Pflanzenwissenschaftlerin zeigte, blähen sich die Forisomen innerhalb von zehn bis 60 Sekunden auf und verstopfen die als Siebelemente bezeichneten Leitungsbahnen. „Auch das Abschwellen der Forisome geht recht zügig, nämlich innerhalb von fünf bis 15 Minuten“, ergänzt Furch. Innerhalb dieser Zeit habe sich dann ein langfristiger Verschluss aus Callose aufgebaut, der die Pflanze anschließend schütze. Außerdem fand sie heraus, dass sich nur Forisomen verformen, die direkt neben Calcium-Kanälen liegen, die den Einstrom von Calcium-Ionen regulieren. Aufbauend auf früheren Arbeiten von Michael Knoblauch bestimmte Furch ferner, welche Menge an Calcium-Ionen nötig sind, um das Aufblähen auszulösen und untersuchte, wie die Kanäle und die Calcium-Speicher in den Leitungsbahnen verteilt sind. Anhand dieser Ergebnisse konnte sie auf die molekulare Bewegung der an den Enden gegabelten Proteine schließen.

Forisome als Nanomotor

An diesem Mechanismus sind auch Nanoforscher interessiert. Sie würden Forisome gerne als Nanomotoren nutzen, die auf kleinstem Raum arbeiten, um etwa Poren zu öffnen oder Verschmutzungen abzusprengen. Auch Pflanzenforscher freuen sich über ihre Erkenntnisse. „Mit ihrer Arbeit hat Frau Furch die grundlegende Basis gelegt, um den Signalweg aufzuklären, der er von einem äußeren Reiz über Calcium zum Verschluss der Leitungsbahnen führt“, begründet Prof. Dr. Ulf-Ingo Flügge, Präsident der DBG. Aufgrund ihrer wegweisenden Ergebnisse erhielt Furch nun ein Stipendium, das ihr erlaubt, sich am Gießener Institut für Phytopathologie und angewandte Zoologie weiter der Forschung zum Verschluss der Siebelemente, ausgelöst durch Phytopathogene, und zur Signalweiterleitung im Phloem zu widmen.

Horst-Wiehe-Preis

Die Deutsche Botanische Gesellschaft (DBG) e.V. verleiht den Horst-Wiehe-Preis alle zwei Jahre für eine pflanzenwissenschaftliche Arbeit. Das Preisgeld stammt aus einer Stiftung von Horst Wiehe und soll die Karriere junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler befeuern. Neben der Unterstützung des Nachwuchses fördert die DBG die wissenschaftliche Pflanzenforschung und dient ausschließlich gemeinnützigen Zwecken. Ihre Hauptaufgaben sind die Veröffentlichung der Zeitschrift Plant Biology sowie das Abhalten botanischer Kongresse. Damit unterstützt die Gesellschaft den Gedankenaustausch ihrer etwa 850 Mitglieder.

Nutzungsrechte:
Das Foto darf für redaktionelle und wissenschaftliche Berichte anlässlich der Preisverleihung oder für Berichte über die wissenschaftliche Leistung honorar- und genehmigungsfrei reproduziert werden, unter Nennung des Urhebers sowie des Instituts.
Weitere Informationen:
Die Doktorarbeit von Alexandra Furch trägt den Titel „Calcium-regulierter Verschluss der Siebelemente“. Die Arbeit wurde 2009 in der Fachzeitschrift The Plant Cell veröffentlicht: www.plantcell.org/content/21/7/2118
Kontakt:
Dr. Alexandra Furch,
Institut für Phytopathologie und angewandte Zoologie der JLU Gießen
Telefon: 0641 99-35156
E-Mail: Alexandra.C.Furch@bot1.bio.uni-giessen.de
Presse-Meldung: Dr. Esther Schwarz-Weig, Redaktionsbüro Wissensworte www.WissensWorte.de Telefon: 09206 993579, E-Mail: esw@wissensworte.de

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Charlotte Brückner-Ihl idw

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