Starke Konkurrenz für Wasserstoff

Noch vor wenigen Jahren prophezeiten uns Experten das Wasserstoffzeitalter. Unsere Straßen seien schon in wenigen Jahrzehnten dominiert von Autos, die sauber Gas geben – so die kühne Vision. Kraftwerke produzierten statt Strom Wasserstoff, der schließlich in Pipelines und Hausanschlüssen Erdgas ersetze.

Die überzogene Hoffnung: Wasserstoff beendet unsere Abhängigkeit von der knappen Ressource Öl und löst das Klima-, Verteilungs- und Versorgungsproblem. Doch gerade jetzt, wo wir die Entzugserscheinungen von fossilen Brennstoffen stärker denn je zu spüren bekommen, kippt die Stimmung. Denn Wasserstoff hat eine Menge starker Konkurrenz bekommen.

Gut möglich, dass die Autos der Zukunft mit Lithiumbatterien fahren, auch wenn diese nur für kleine Autos und kurze Strecken reichen. Um die gängigen Lithiumbatterien zu verbessern, setzen die Materialforscher am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung ihr ganzes Repertoire ein und erproben und verwandeln neue Leiterkombinationen. Auch in den alten Erdgasleitungen wird in Zukunft wahrscheinlich nicht Wasserstoff strömen, sondern weiterhin Methan, das aus biologischen Abfällen oder der mikrobiellen Reduktion von Kohlendioxid mit Wasserstoff stammen könnte. Lokale kleine Kraftwerke können die Abfälle einer Region mit Mikroorganismen vergären und als Energie lieferndes Gas an die Haushalte zurückschicken. Denkbar ist auch, Brennstoffzellen mit methanhaltigem Biogas anstelle von Wasserstoff zu betreiben, um mittelständische Firmen oder Mehrfamilienhäuser mit Strom zu versorgen.

Keine falschen Versprechen

Als Universallösung wurde uns das Wasserstoffzeitalter noch bis vor Kurzem präsentiert. Doch bei näherer Betrachtung könnte sich die verheißungsvolle Aussicht mittlerweile als Scheinriese entpuppen, der immer mehr an Substanz verliert, je näher man ihm kommt. Denn in der Zwischenzeit scheinen alternative Nischenkonzepte, auf eine bestimmte Anwendung zugeschnitten, oft sinnvoller. Doch universale Anwendbarkeit oder die Lösung des Energieproblems hat die Wasserstofftechnologie ohnehin nie versprochen. In der Hitze der Energiediskussion wurde bisweilen vergessen, dass Wasserstoff an sich keine Energiequelle ist, sondern ein Energiespeicher. In Reinform kommt er in der Natur nur in kleinen Mengen vor und muss mit Energieaufwand aus anderen Stoffen wie Methan oder Wasser abgetrennt werden. Diese Energie kann man teilweise später wieder abrufen, indem man ihn beispielsweise wieder zu Wasser reagieren lässt. Als ein solcher Energiespeicher ist Wasserstoff nach wie vor ein Kandidat mit guten Chancen. Seine hohe Energiedichte, praktisch unbegrenzte Verfügbarkeit und seine klimaschonende Verbrennung sind bisher ungeschlagen. Trotzdem sind Herstellung und Transport noch nicht effizient genug. Forschungen an anderen Technologien haben die Wasserstofftechnik an manchen Stellen inzwischen überholt.

Batterie mit den richtigen Zutaten

So beispielsweise die Entwicklung von Batteriesystemen. „Die Zukunft – und ein Großteil der Gegenwart – gehört Lithium-basierten Systemen“, sagt Joachim Maier, Direktor der Abteilung für Physikalische Chemie am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung.

Als leichtestes Alkalimetall verspricht Lithium hohe Energiedichten sowie sehr hohe Zellspannungen. Das kleine Element kann sich außerdem sehr schnell in anderen Stoffen bewegen. Beim Laden und Entladen einer Batterie wandert Lithium zwischen der positiven und negativen Elektrode hin und her. Dabei wird das Element in Elektronen und Ionen gespalten, die jeweils über andere Wege dorthin gelangen. Erstere schlagen den Weg durch einen Energieabnehmer ein und treiben so etwa einen Rasenmäher oder ein Auto an, während Letztere den Elektrolyt durchqueren, die leitende Schicht zwischen den Elektroden.

Die Materialforscher der Abteilung von Joachim Maier suchen Möglichkeiten, diese Teilchenwanderung zu beschleunigen und von vornherein mehr Lithium zu speichern. „Neue Strukturen und Verbindungen öffnen die Tür zu neuen Eigenschaftswelten“, sagt Joachim Maier. „Mit den richtigen Zutaten und Kunstgriffen können wir diese Eigenschaften dann optimieren.“ Aber auch neue Speichermechanismen lassen sich finden. An Rutheniumoxid haben die Stuttgarter einen erstaunlichen Effekt demonstriert: Sie mischten zwei Stoffe miteinander, von denen einer nur Lithium-Ionen aufnehmen kann, der andere nur Elektronen und zerkleinerten das feste Gemenge bis in die Nanometerskala, sodass möglichst viele Grenzflächen zwischen den beiden Stoffen entstanden. Obwohl keiner der beiden Stoffe neutrale Lithium-Atome einzeln speichern kann, ermöglicht die Arbeitsteilung durch beide Partner das Anlagern des Metalls an den Grenzflächen. Durch das nanoskalige Gemenge bewegt sich Lithium außerdem sehr schnell. Eine solche Batterie kann also binnen kurzer Zeit geladen werden.

Automobil-Konkurrent Lithium

Das Laden könnten beispielsweise Kraftwerke erneuerbarer Energien übernehmen. Deren so oft beklagte Schwankungen der Energieleistung bei Wolken, Windstille oder Dürre stören das Energienetz erheblich und verhindern derzeit, dass man sich auf alternative Energien allein verlassen kann. Eine große Flotte von Elektroautos könnte in einem künftigen Energiesystem in Verbindung mit „intelligenter“ Netztechnologie als ortsverteilter Speicher dienen und schwankende Einspeisung von elektrischer Energie abpuffern. Dazu muss allerdings die Anfälligkeit der Batterien gegen häufiges Laden und Entladen erheblich verringert werden. Dasselbe ist natürlich über Wasserstofferzeugung möglich, dem langfristigeren Speicher, jedoch mit knapp dreimal so großem Energieverlust. „In den letzten Jahren hat die Forschung zur Wasserstoffspeicherung nicht die Fortschritte gemacht, die man sich erhofft hatte. Die Voraussagen in Hinblick auf eine künftige Automobiltechnologie scheinen momentan in Richtung Lithiumbatterie zu kippen“, sagt Ferdi Schüth, Direktor am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung und Mitherausgeber des Buchs „Die Zukunft der Energie“. Dass Elektroantriebe in naher Zukunft weiter reichen als 200 Kilometer, ist trotz dieser Entwicklung unwahrscheinlich. Nach dieser Strecke muss eine neue Batterie her, denn das Aufladen dauert noch sehr lange. Trotzdem ist denkbar, dass wir irgendwann viel mit Elektro-Autos fahren werden. Dafür müsste sich allerdings das Verkehrssystem, wie wir es kennen, radikal verändern. Das für die Deutschen so heilige eigene Auto, mit dem man in den Urlaub wie zum Einkaufen fährt, wird dann vielleicht aussterben.

Energie aus Abfällen

Eine weitere Nischenlösung basiert auf einem Milliarden von Jahren alten Prozess, der sich in seiner Entwicklungsgeschichte immer weiter verbessert hat: der Bildung von Methan. Ob der hitzigen Diskussion um Biokraftstoffe etwas in Verruf geraten, birgt die Erzeugung von Biogas nach wie vor Potenzial, obwohl die Wirkungsgrade der Herstellung von Biogas aus Biomasse, bezogen auf die Energie des einfallenden Sonnenlichtes, katastrophal sind. Da eine Pflanze bereits nur etwa ein Prozent der auf sie einfallenden Sonnenenergie speichert, kann man sich vorstellen, wie viel nach Ernte, Umwandlung in Gas und Transport davon noch übrig sind. Muss man nun noch den Aufwand für ihren Anbau hinzurechnen, inklusive Düngen, ergibt sich manchmal sogar eine negative Energiebilanz.

Diese Gegenargumente sind allerdings hinfällig, wenn es sich nicht um angebaute Biomasse, sondern um Abfälle handelt. „Die Methanerzeugung ist gerechtfertigt, wenn ich sie mit Abfällen befüttere, die man sowieso reinigen muss. Klärschlamm etwa, Müll auf Deponien oder Gülle aus der Landwirtschaft“, sagt Rudolf Thauer. Als Emeritus leitet er am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie eine Forschungsgruppe zu Mikroorganismen. „Es wäre völlig unvernünftig, diese Energie nicht auszuschöpfen. Und dafür ist die Methangewinnung die optimale Lösung.“ Mit lokalen Bioreaktoren könnten so etwa ein Prozent der Deutschen über die irgendwann leeren Erdgasleitungen mit Energie versorgt werden. Keine Lösung für das Energieproblem, unter dem Gesichtspunkt der Umwelt aber dennoch sinnvoll.

Minikraftwerk Methanothermobacter

Biogasbildung könnte man auch verwenden, um Wasserstoff zu speichern – in Methan. „Im Augenblick gibt es noch keine technischen Prozesse dafür, aber die Natur hat einen erfunden“, sagt Thauer.

Diese Erfindung haben die Forscher um Thauer entdeckt. Sie heißt Methanothermobacter marburgensis. Nur 200 Gramm dieses Mikroorganismus können aus Wasserstoff und Kohlendioxid pro Tag elf Kilogramm Methan katalysieren. Das klingt viel, deckt aber lediglich den täglichen Energieverbrauch eines Menschen in Deutschland. Außerdem muss der reine Wasserstoff, den der Organismus für die Reaktion benötigt, erst einmal mit Energie hergestellt werden. Im Gegenzug hat man zwei Aufgaben auf einen Streich erledigt: Das CO2 erst einmal weiterverwertet und einen Weg gefunden, den flüchtigen Wasserstoff leichter zu speichern und zu transportieren – wiederum beispielsweise in Erdgasleitungen. „Wasserstoffanhänger sagen natürlich, wozu den Wasserstoff mühselig umwandeln? Aber solange das Speicherproblem nicht gelöst ist, ist Methan eine gute Möglichkeit“, erklärt Thauer.

Das unbekannte Innere der Zelle

Doch statt einen Schritt hinzuzufügen, kann man sich auch einen sparen. Am Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme wurde die sogenannte Schmelzcarbonat-Brennstoffzelle entwickelt, die den letzten Schritt der Wasserstoffgewinnung selbst erledigt. Gefüttert wird sie mit Biogas, das ein Bioreaktor in der Nähe liefern könnte. Einige Prototypen dieser Sorte gibt es bereits. In der Projektgruppe Integrierte Prozesse untersuchen Direktor Kai Sundmacher und sein Team diese Zellen und beschreiben die Abläufe in deren Innerem mit mathematischen Modellen. Unbekannte Faktoren wie Temperatur und Reaktionsgeschwindigkeit werden an den bestehenden Prototypen gemessen und im Modell detailliert abgebildet. Anschließend können die Forscher die Variablen verändern und in der Simulation sehen, ob die Zelle dann effizienter arbeitet oder länger lebt.

„Bei einer stattlichen Stückzahl könnten die Schmelzcarbonat-Brennstoffzellen als erschwingliche Technologie Kleinbetriebe, Mehrfamilienhäuser und Hotelanlagen mit Energie versorgen. Das Biogas käme einfach über den Erdgasanschluss“, sagt Kai Sundmacher. Immerhin 300 Kilowatt produzieren die Systeme bereits. Damit sind sie in der Lage, einen Beitrag zu einer lokalen Energieversorgung zu leisten, in der nicht ein großes Kraftwerk alle mit Energie beliefert, sondern viele kleine Reaktoren. Brennstoffzellen erzeugen dann mit geringen Verlusten Elektrizität. Wasserstoff spielt in diesem Szenario erneut eher eine Nebenrolle.

Rangliste der Wirkungsgrade

„Im Moment wäre ich mit der Vision der Wasserstoffgesellschaft vorsichtig. Ich glaube, der Trend geht zu viel mehr Vielfalt an nutzbaren Energien“, sagt Sundmacher. Wissenschaftler Ferdi Schüth gibt ihm recht: „Meine Vorhersage ist: Unsere Welt wird elektrischer werden. Den wachsenden Strombedarf decken wir dann mit einer Mischung aus vielen verschiedenen Energiequellen. Aber um stoffliche Speicher werden wir nicht herumkommen. Und da hat Wasserstoff noch große Chancen.“ Auch wenn das Element in manchen Anwendungen in den Hintergrund getreten ist, so scheint es doch trotz aller Schwierigkeiten der bisher beste, langfristige Energiespeicher. Doch für zahlreiche Anwendungen können Alternativen weniger Energieverluste vorweisen.

Solche Vergleichsrechnungen sind Ziel eines weiteren Projekts von Kai Sundmacher. Die sind aber gar nicht so einfach: „Die Thermodynamik lässt sich nicht betrügen, daher können wir maximale Wirkungsgrade schon ausrechnen“, sagt er. „Aber um reale Wirkungsgrade vorherzusagen, sind wir oft auf Daten angewiesen, die es nicht gibt. Und da wo wir schätzen müssen, ergeben sich natürlich Fehler.“ Einige derzeit angewandte Technologien würden vor einem solchen Test wahrscheinlich nicht bestehen, ja sogar negative Energiebilanzen offenlegen müssen, berücksichtigt man alle Einzelschritte. „Doch für viele Technologien, die so angepriesen werden, wurden die Energieumwandlungsketten noch gar nicht erstellt. Das ist aber unbedingt nötig, um sich für die sinnvollste entscheiden zu können“, sagt Sundmacher.

Wie auch immer diese Entscheidungen für die Zukunft unserer Energie aussehen werden, bedenkt man das Tempo, mit dem wir unsere leicht wandelbaren Ressourcen ausschöpfen, ist eines sicher: Nicht Öl, nicht Wasserstoff, sondern Technik ist der Rohstoff der Zukunft.

Zu diesem Thema gibt die Max-Planck-Gesellschaft eine Sammlung von Aufsätzen von Wissenschaftlern heraus, die sich mit Energieforschung von Biokraftstoffen über Batterie und Brennstoffzelle bis zur Fusion beschäftigen.

Die Zukunft der Energie. Die Antwort der Wissenschaft.

Herausgegeben von Peter Gruss und Ferdi Schüth
Ein Report der Max-Planck-Gesellschaft, erschienen im C.H. Beck-Verlag, September 2008
Etwa 336 Seiten mit über 50 zum Teil farbigen Abbildungen.
Broschiert etwa € 16,90 [D]/ sFr 30,90* / € 17,40 [A], 978-3-406-57639-3

Media Contact

Dr. Christina Beck Max-Planck-Gesellschaft

Weitere Informationen:

http://www.mpg.de

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