Schadensfälle durch Erdwärmesonden sind sehr selten

In sechs Meter hohen Versuchsaufbauten analysieren Forscher die Verfüllqualität von Erdwärmesonden. (Foto: Julian Rolker/Solites)

Mehr als 30 000 Erdwärmesonden für die oberflächennahe Geothermie wurden in Baden-Württemberg bis Ende 2013 installiert. Sie ermöglichen, nachhaltig Wärme zu gewinnen und vorhandene Ressourcen zu schonen, helfen den Energieimport zu reduzieren und CO2-Emissionen zu senken.

Zudem lassen sie sich dezentral einsetzen und benötigen wenig Platz. Die Wahrscheinlichkeit eines Schadensfalls ist gering: Wie Wissenschaftler am Institut für Angewandte Geowissenschaften (AGW) des KIT für Baden-Württemberg errechnet haben, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass bei Erdwärmesondenbohrungen ein Schadensfall eintritt, bei weniger als 0,002 Prozent pro Jahr.

„Im Vergleich dazu liegt die Wahrscheinlichkeit, an den Folgen der Luftverschmutzung durch Kohlekraftwerke zu sterben, in Deutschland bei 0,003 Prozent pro Jahr, die Wahrscheinlichkeit, in Deutschland bei einem Verkehrsunfall tödlich zu verunglücken liegt sogar bei 0,007 Prozent pro Jahr“, sagt Manuel Grimm, Forscher am Institut für Angewandte Geowissenschaften (AGW) des KIT und Hauptautor der Studie. Dieser Berechnung liegen Erdwärmesondenbohrungen zugrunde, die noch nicht nach heute gültigen Qualitätsanforderungen erstellt wurden.

Die KIT-Wissenschaftler haben neun Schadensfälle durch Erdwärmebohrungen in Baden-Württemberg qualitativ und quantitativ untersucht, darunter auch die Ereignisse in Staufen im Breisgau, Rudersberg, Schorndorf und Leonberg. Für die Untersuchung zogen die Karlsruher Forscher Daten des Landesamts für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGRB), Daten von Landratsämtern, Gutachten und Veröffentlichungen heran.

In 90 Prozent der untersuchten Fälle sind Grundwasserleiter durch auf- oder absteigende Wässer miteinander verbunden worden. Die Ursache lag dabei in einer unvollständigen, undichten Hinterfüllung der Erdwärmesonden. Die Hinterfüllung des Hohlraums zwischen Bohrlochwand und Rohren ist ein wichtiger Beitrag für den Grundwasserschutz.

In fast 70 Prozent der Fälle lag die Schadensursache außerdem darin, dass die Bohrung eine hydraulische Verbindung zwischen den Gesteinseinheiten Keuper und Muschelkalk geschaffen hatte. „Eine erste Einschätzung hat ergeben, dass sich die Wahrscheinlichkeit eines Schadenfalls mit dem Erreichen der Grenze zwischen Keuper und dem darunter liegenden Muschelkalk um das 40-Fache erhöht“, berichtet Professor Philipp Blum vom AGW des KIT.

In solchen Fällen kann sich bei Wasserzutritt eventuell anstehender Anhydrit in Gips umwandeln. Dabei nimmt das Gestein erheblich an Volumen zu, was zu Geländehebungen und zu Rissen in Gebäuden wie in Staufen oder Böblingen führen kann.

Dass aber auch geologisch sehr heterogene Fälle grundsätzlich beherrschbar sind, zeigen rund 820 Erdwärmesondenanlagen in Baden-Württemberg, welche die Grenze zwischen Keuper und Muschelkalk erreicht haben. Maßnahmen zur Qualitätssicherung geben die in Baden-Württemberg 2011 veröffentlichten „Leitlinien Qualitätssicherung Erdwärmesonde“ (LQS EWS) vor.

Sie betreffen unter anderem die Hinterfüllung oder das Vorgehen bei unter Druck stehenden Grundwasserleitern. Anpassungen des Sondendesigns, beispielsweise Koaxialsonden, können zusätzlich helfen, Fehlstellungen beim Einbringen der Hinterfüllung zu vermeiden. Bei allen bisher bekannten Schadensfällen wurden die Sonden noch vor Erscheinen der LQS EWS installiert.

Diese Analyse erlaubt es, zielgerichtet Kriterien zur Qualitätssicherung aufzustellen. „Es ist wichtig, eine für die Durchsetzung der Energiewende bedeutende Technologie weiterzuentwickeln und dabei eine umfassende Betrachtung mit Hinterfüllung und Monitoring vorzunehmen“ erklärt Professor Thomas Kohl vom AGW. So beziehen sich laufende und geplante Arbeiten am KIT, die mit Unterstützung des Umweltministeriums in Stuttgart vorgenommen werden, auf die Anlagenkontrolle und Behebung möglicher Schäden im Untergrund.

„Es besteht ein Bedarf an weiteren Forschungsprojekten zur Qualitätssicherung, um Schäden künftig noch wirksamer zu verhindern“, berichtet Professorin Ingrid Stober, ebenfalls vom AGW. „Zusätzliche Maßnahmen wie eine regionale Tiefenbeschränkung der Bohrungen würde das Risikio ebenfalls minimieren, würden letztlich jedoch zu einer geringeren Effizienz führen, da dann mehrere kürzere Sonden installiert werden müssen“, ergänzt Professor Philipp Blum.

Manuel Grimm, Ingrid Stober, Thomas Kohl, Philipp Blum: Schadensfallanalyse von Erdwärmesondenbohrungen in Baden-Württemberg. In: Grundwasser – Zeitschrift der Fachsektion Hydrogeologie. 2014. DOI 10.1007/s00767-014-0269-1

Weiterer Kontakt:
Kosta Schinarakis, PKM – Themenscout, Tel.: +49 721 608 41956, Fax: +49 721 608 43658, E-Mail: schinarakis@kit.edu

In der Energieforschung ist das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) eine der europaweit führenden Einrichtungen. Das KIT unterstützt die Energiewende und den Umbau des Energiesystems in Deutschland durch seine Aktivitäten in Forschung, Lehre und Innovation. Hier verbindet das KIT exzellente technik- und naturwissenschaftliche Kompetenzen mit wirtschafts-, geistes- und sozialwissenschaftlichem sowie rechtswissenschaftlichem Fachwissen. Die Arbeit des KIT-Zentrums Energie gliedert sich in sieben Topics: Energieumwandlung, erneuerbare Energien, Energiespeicherung und Energieverteilung, effiziente Energienutzung, Fusionstechnologie, Kernenergie und Sicherheit sowie Energiesystemanalyse. Klare Prioritäten liegen in den Bereichen Energieeffizienz und erneuerbare Energien, Energiespeicher und Netze, Elektromobilität sowie dem Ausbau der internationalen Forschungszusammenarbeit.

Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts nach den Gesetzen des Landes Baden-Württemberg. Es nimmt sowohl die Mission einer Universität als auch die Mission eines nationalen Forschungszentrums in der Helmholtz-Gemeinschaft wahr. Thematische Schwerpunkte der Forschung sind Energie, natürliche und gebaute Umwelt sowie Gesellschaft und Technik, von fundamentalen Fragen bis zur Anwendung. Mit rund 9 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, darunter mehr als 6 000 in Wissenschaft und Lehre, sowie 24 500 Studierenden ist das KIT eine der größten Forschungs- und Lehreinrichtungen Europas. Das KIT verfolgt seine Aufgaben im Wissensdreieck Forschung – Lehre – Innovation.

Diese Presseinformation ist im Internet abrufbar unter: www.kit.edu 

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Monika Landgraf idw - Informationsdienst Wissenschaft

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