Energiesysteme neu denken – Einsparpotenzial Kältesysteme

© Kurt Fuchs / Fraunhofer IISB In industrietypischen Kältesystemen – wie am Fraunhofer IISB in Erlangen – lassen sich durch Optimierung der Betriebsparameter und gezielte Investitionen ca. 20 % der Energiekosten einsparen. Im Rahmen des bayerischen Energieforschungsprojektes SEEDs wurden am IISB verschiedene Effizienzmaßnahmen identifiziert und umgesetzt.

Kältesysteme sind überall dort zu finden, wo definierte Temperaturbedingungen unterhalb der Jahresumgebungstemperatur einzuhalten sind. Beispiele hierfür stellen die Frischhaltung von Lebensmitteln, die Klimatisierung von Gebäuden oder die Kühlung industrieller Prozesse dar.

Der Betrieb von Kälteanlagen verursacht in Deutschland etwa 14 % des gesamten Strombedarfs. Der Anreiz für Effizienzmaßnahmen ist deshalb groß: Experten schätzen das Energieeinsparpotenzial in Kältesystemen auf bis zu 56 % der betriebsgebundenen Kosten.

In einem typischen größeren Industriebetrieb wird Kälteenergie sowohl für die Klimatisierung der Büroräume und Fertigungshallen als auch für die Kühlung von Prozessanlagen und Serverräumen benötigt. Im Laufe der Jahre erfahren die dafür eingesetzten Anlagen und ihre Bestandteile häufig zahlreiche Erweiterungen und Revisionen.

Neue Verbraucher und Rohrleitungen kommen hinzu und alte Komponenten sind auszutauschen. Die ursprünglich zentralisierte Steuerung der Anlage bekommt zunehmend einen dezentralen Charakter und wo zuvor noch eine einzelne Maschine ausgereicht hat, werden mehrere Kältemaschinen parallel betrieben. Durch die stetige Veränderung des Systems schleichen sich Ineffizienzen ein, welche ein Unternehmen viel Geld kosten.

Ein dediziertes Monitoringsystem, mit dem sich zentrale Effizienzkennzahlen des Kältesystems überwachen ließen, fehlt. Mögliche Optimierungspotenziale und versteckte Kostentreiber bleiben dadurch unentdeckt. Ein weiteres, typisches Problem in Kältesystemen stellen hohe Umgebungstemperaturen in den Sommermonaten dar.

Aufgrund des höheren Bedarfs an Klimatisierung für Produktionsräume, Labore und Büroflächen treten signifikante Spitzenlasten auf. Daraus resultieren wiederum höhere Leistungspreise für das Unternehmen. Im Extremfall kann es sogar zu Ausfällen von Kältemaschinen kommen, was die Fertigung in den Stillstand versetzt. Für viele Betreiber sind aber häufig erst die Ausfälle oder auch größere Veränderungen im Bestand ein Anlass, den Zustand der Kälteinfrastruktur genauer zu betrachten.

Im Rahmen des bayerischen Energieforschungsprojekt SEEDs haben die Wissenschaftler am Fraunhofer IISB als Modell für einen typischen mittelgroßen Industriebetrieb die eigene Labor- und Gebäudeinfrastruktur unter die Lupe genommen und zahlreiche Optimierungsmaßnahmen erfolgreich umgesetzt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: eine über 20 % höhere Effizienz des Kältesystems. Im Realbetrieb entspricht das einer jährlichen Einsparung von 135 MWh an elektrischer Energie.

Die Voraussetzung für solche Ergebnisse ist zunächst eine gründliche Erfassung des Status quo, welche mit Hilfe stationärer oder auch mobiler, nicht-invasiver Messtechnik erfolgen kann. Bei der Quantifizierung der Auslastung und des Effizienzpotenzials des Kältesystems gehen die Spezialisten schrittweise vor. Die im laufenden Betrieb erfassten Daten werden fortlaufend dokumentiert und anschließend analysiert.

Häufig können auf Basis der Messdaten bereits erste Maßnahmen zur Optimierung der Betriebsparameter des Kältesystems definiert werden. Mit Hilfe von modellbasierter Simulation entwickeln die Wissenschaftler außerdem Systemkonzepte und -konfigurationen, mit denen sich die Effizienz weiter steigern lässt. Dabei werden auch innovative Ansätze, wie die Integration von Energiespeichern, freier Kühlung sowie die Entwicklung von speziellen Betriebsstrategien für die Komponenten des Kältesystems, in Betracht gezogen.

Beispielsweise kann sich herausstellen, dass Kältemaschinen falsch dimensioniert sind, unnötig hohe Kaltwasservolumenströme vorliegen oder Betriebspunkte ungünstig und Regelungen ineffizient sind. Häufig wird auch nicht berücksichtigt, dass für Teile der Prozesskühlung keine gesonderte Kältemaschine nötig ist, da bereits die Verdunstungskühlung vorhandener Kühltürme ausreichend Kühlleistung liefert. Eine entsprechende Anpassung kann dann etwa 10 % der Betriebskosten einsparen. Die typischen Lastspitzen im Sommer lassen sich auch durch einen Kaltwasserspeicher mit integriertem Lastmanagement relativieren. Letzterer kann zusätzlich eingesetzt werden, um die Betriebspunkte der Kältemaschinen zu optimieren und einen Teil der Kältebereitstellung in die Nachtstunden zu verlagern. Hierdurch lässt sich der Energiebedarf der Kälteanlage nochmals um 15 % reduzieren.

Die hier aufgeführten Maßnahmen zur Senkung der elektrischen Energiekosten sind nur einige Beispiele für mögliche Handlungsoptionen. Welche Maßnahmen genau das größte Einspar-potenzial haben, hängt immer von den Randbedingungen des jeweiligen Standorts ab. Das IISB betreibt ein Kältesystem im industriellen Maßstab, in welchem ganz unterschiedliche Strategien erfolgreich kombiniert und umgesetzt werden konnten.

SEEDs-Projektleiter Dr. Richard Öchsner: „Viele Gewerbebetriebe befinden sich in einer ähnlichen Situation: Wertvolle Einsparpotenziale sind unentdeckt und die Systeme laufen nicht so effizient, wie sie eigentlich könnten. Mit unserer umfangreichen Erfahrung und den aufgezeigten Maßnahmen zur Effizienzsteigerung können wir jedoch die Firmen dabei unterstützen, ihre Kältesysteme zu optimieren und Energiekosten zu reduzieren.“

Über das Projekt SEEDs

SEEDs ist ein gemeinsames Projekt der Fraunhofer-Institute IISB, IIS und ISC in Kooperation mit zahlreichen bayerischen Industriepartnern. Im Projekt SEEDs wird die gesamte Kette der Energietechnik betrachtet und genutzt. Der Schwerpunkt ist die effiziente Verknüpfung von Teilsystemen und einzelnen Komponenten durch leistungselektronische und kommunikationstechnische Schnittstellen zu einem optimalen Gesamtsystem.

Das Fraunhofer IISB dient dabei selbst als Forschungs- und Demonstrationsplattform. Durch umfangreiche Büro- und Laborflächen, breitgefächerte Gebäudeinfrastruktur und einen kontinuierlichen Reinraumbetrieb ist die Leistungsklasse des Instituts vergleichbar mit einem mittleren Industriebetrieb. Stark schwankende Lasten, Spitzenlasten und ein erheblicher Sekundärenergiebedarf bieten Raum für umfassende Forschungstätigkeiten und energetische Optimierungsmaßnahmen.

Das Projekt wurde 2013 ins Leben gerufen und wird vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Energie und Technologie gefördert.

Über das Fraunhofer IISB

Das 1985 gegründete Fraunhofer-Institut für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie IISB betreibt entsprechend dem Fraunhofer-Modell angewandte Forschung und Entwicklung in den Geschäftsbereichen Leistungs- und Energieelektronik und Halbleiter. Dabei deckt das Institut in umfassender Weise die Wertschöpfungskette für komplexe Elektroniksysteme ab, vom Grundmaterial zum vollständigen Elektronik- und Energiesystem. Schwerpunkte liegen in den Anwendungsgebieten Elektromobilität und Energieversorgung.

Das Institut erarbeitet für seine Auftraggeber Lösungen auf den Feldern Materialentwicklung, Halbleitertechnologie und -fertigung, elektronische Bauelemente und Module, Aufbau- und Verbindungstechnik, Simulation, Zuverlässigkeit, bis hin zur Systementwicklung in der Fahrzeugelektronik, Energieelektronik und Energieinfrastruktur. Das IISB verfügt u.a. über umfangreiche Halbleiterprozesstechnik, ein Testzentrum für Elektrofahrzeuge und ein Anwendungszentrum für Gleichstromtechnik.

Der Hauptstandort des Fraunhofer IISB ist in Erlangen, daneben gibt es Standorte am Energie Campus Nürnberg sowie in Freiberg. Das Institut hat mehr als 280 Mitarbeiter und einen Betriebshaushalt von rund 25 Mio. €.

Philipp Puls
Fraunhofer IISB
Schottkystraße 10, 91058 Erlangen
Tel. +49 9131 761-245
Fax +49 9131 761-102
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