Die Tandem-Solarzelle kann‘s einfach besser

Die halbtransparente Perowskit-Solarzelle absorbiert UV-Licht und blaues sichtbares Licht. Rotlicht und Infrarot-Strahlung lässt sie durch. Auf dieser Basis lässt sich eine zweistufige «Tandem-Solarzelle» bauen, deren Wirkungsgrad weit höher liegt als bei einstufigen Solarzellen. (Foto: Empa)

Was bei Doppelklingenrasierern gut ist, gilt auch für Solarzellen: zwei Arbeitsschritte sind gründlicher. Wenn man zwei Solarzellen übereinander legt, von denen eine halb transparent ist, dann lässt sich ein grösserer Anteil der Lichtenergie in Strom umwandeln. Bislang wurde die aufwändige Technik vorwiegend in der Raumfahrt eingesetzt.

Für die Massenproduktion waren sogenannte Tandem-Zellen zu teuer. Ein Empa-Team um Stephan Bücheler und Ayodhya N. Tiwari vom Labor für Dünnschicht und Photovoltaik hat es nun geschafft, eine preisgünstige Tandem-Solarzelle herzustellen, die sich auf flexible Kunststofffolien auftragen lässt. Ein wichtiger Meilenstein zur Massenproduktion hoch effizienter Solarzellen ist damit erreicht.

Der Clou an dem neuen Verfahren: Die Forscher erzeugen die zusätzliche Solarzellenschicht in einem Niedrigtemperaturverfahren bei nur 50 Grad Celsius. Das verspricht für künftige Herstellungsprozesse einen Energie und Kosten sparenden Produktionsschritt.

Auf Anhieb erreichte die Tandem-Solarzelle einen Wirkungsgrad von 20.5 Prozent bei der Umwandlung von Licht in Strom. Sie liegt damit auf Augenhöhe mit den besten bisher produzierten flexiblen Solarzellen der Welt. Dabei ist ihr Potential noch längst nicht ausgeschöpft, wie die Empa-Forscher betonen.

Molekulare Fussbälle als Unterlage für den Zauberkristall

Der Schlüssel zu dem Doppel-Erfolg war die Entwicklung einer halbtransparenten Solarzelle aus Methyl-ammonium-Bleiiodid, das sich in Form winziger Perowskit-Kristalle abscheidet. Als Unterlage für den Perowskit dient eine Substanz mit dem Kürzel PCBM (Phenyl-C61-Buttersäure-Methylester). Jedes Molekül PCBM enthält 61 Kohlenstoff-Atome, die in Form eines Fussballs miteinander verknüpft sind. Auf diese Fussballschicht wird sozusagen «lauwarm» der Perowskit aufgedampft.

Dieser Zauberkristall schluckt UV-Strahlen und den blauen Anteil des sichtbaren Lichts und verwandelt diese in Strom. Rotes Licht und Infrarot-Strahlung lässt der Kristall jedoch passieren. So können die Forscher unter der halbtransparenten Perowskit-Zelle eine weitere Solarzelle anordnen, die das restliche Licht in Elektrizität umwandelt.

Vorteil der zweistufigen Zelle: bessere Nutzung des Sonnenlicht-Spektrums

Als untere Schicht der Tandem-Solarzelle dient den Empa-Forschern eine CIGS-Zelle (Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid) – eine Technik, an der das Team bereits seit Jahren forscht.

Auf Basis der CIGS-Zellen läuft bereits eine Kleinserien-Produktion für flexible Solarzellen (s. Empa-Medienmitteilung vom 11. Juni 2015). Der Vorteil von Tandem-Solarzellen liegt in der besseren Ausnutzung des Sonnenlichts.

Eine Solarzelle kann nur Strahlung umwandeln, deren Energie grösser ist als die Bandlücke des verwendeten Halbleitermaterials. Ist die Strahlung schwächer, entsteht kein Strom. Ist die Strahlung energiereicher, dann wird die überschüssige Strahlungsenergie in Wärme verwandelt und geht verloren. Eine zweistufige Solarzelle wie die Perowskit-CIGS-Zelle der Empa kann Substanzen mit verschiedenen Bandlücken kombinieren und so einen grösseren Anteil der eingestrahlten Sonnenenergie in Elektrizität umwandeln.

Mehr als 30 Prozent Effizienz sind möglich

Während sehr gute einstufige Solarzellen maximal 25 Prozent der Sonnenenergie in Strom umwandeln, könnten Tandem-Solarzellen auch die 30-Prozent-Marke knacken, sagt Ayodhya Tiwari, Leiter des Labors für Dünnschicht und Photovoltaik.

Doch bis dahin sei noch viel Forschungsarbeit nötig. «Was wir jetzt erreicht haben, ist erst der Anfang. Bis dieses ambitiöse Ziel erreicht ist, müssen noch etliche Hürden genommen werden. Wir brauchen dazu viel interdisziplinäre Erfahrung und eine grosse Zahl an Kombinations-Experimenten, bis eine halbtransparente Hochleistungszelle zusammen mit der passenden Basiszelle gefunden ist.»

Stephan Bücheler, der in Tiwaris Team die Laborforschung koordiniert, weist darauf hin, dass das Wettrennen um Effizienzen in der Solarzellenforschung beileibe nicht nur ein akademisches Schaulaufen ist.

«Bei der Herstellung von Solarstrom wird nur die Hälfte der Kosten durch die Solarmodule selbst verursacht. Die andere Hälfte der Kosten kommt von der Infrastruktur: Wechselrichter, Verkabelung, Tragekonstruktionen für die Zellen, Ingenieurskosten und Installation. All diese Nebenkosten sinken, wenn die Solarzellen effizienter werden und folglich kleiner gebaut werden können. Effiziente Solarzellen sind damit der Schlüssel zu preisgünstigem Ökostrom.»

Weitere Informationen:

http://www.empa.ch/plugin/template/empa/1389/162669/—/l=1 Mitteilung auf der Empa-Website.
http://www.nature.com/ncomms/2015/151118/ncomms9932/full/ncomms9932.html Publikation in Nature Communications

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Rainer Klose EMPA

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