Ulm Photonics: Vom Uni-Keller in die Weltspitze

„Mit der Nummer zwei auf dem Weltmarkt sind wir schon auf Augenhöhe. Jetzt wollen wir die Nummer eins werden“, sagt Dr. Martin Grabherr, 35, Mitgründer und Geschäftsführer von Ulm Photonics.

Das gerade mal sechs Jahre junge Unternehmen, eine Ausgründung der Universität Ulm, begann in einem Keller-Labor mit der Entwicklung und Herstellung vertikaler Laserdioden. Im Vorjahr entdeckte Microsoft die inzwischen im Science Park tätigen Spezialisten als Zulieferer. Jetzt eröffnen sich mit den Einstieg des Elektronikriesen Philips völlig neue Möglichkeiten. Ulm Photonics plant bereits einen Neubau, Neueinstellungen und den Ausbau der Produktion für einen riesigen Markt: Die Automobilindustrie.

Martin Grabherr, Roland Jäger, Roger King und Dieter Wiedenmann, vier Doktoranden, drei Elektrotechniker und ein Physiker. Sie begeisterten sich bei ihrem gemeinsamen Doktorvater für ein zukunftsträchtiges Thema, das dieser bereits 1989 bei seiner Berufung nach Ulm im Auge hatte: Die Entwicklung vertikaler Laserdioden, winziger aus künstlichen Kristallen gewonnener Lichtquellen also, erfunden vom japanischen Professor Kenichi Iga. Eine Hochtechnologie auf dem Sektor Optoelektronik, an der jungen ingenieurwissenschaftlichen Fakultät konstant weiterentwickelt von Professor Karl Joachim Ebeling, Doktorvater seinerzeit von rund 30 Nachwuchswissenschaftlern, später einige Jahre als Forschungsvorstand bei Infineon und inzwischen seit mehr als drei Jahren Präsident der Universität Ulm.

„Aus dieser Doktoranden-Gruppe hat sich unser Quartett dann rekrutiert“, erinnert sich Martin Grabherr. Gemeinsam mit Mentor Ebeling insofern die Basis von Ulm Photonics, bis heute schon gewachsen auf 25 Mitarbeiter. Dass eben diese vier ihrem Chef mit viel Mut, Elan und Unternehmergeist in das Abenteuer Firmengründung gefolgt seien, ist Grabherr zufolge kein Zufall gewesen. „Wir waren in der Promotion am weitesten, noch wichtiger aber war das gute Verständnis untereinander“, sagt er heute.

Denn die Aufbauphase sei kein Zuckerschlecken gewesen, harte Arbeit vielmehr, aufreibend und nicht ohne persönliche Risiken. Einen Kollegen, Roger King, habe sein Einsatz sogar die Promotion gekostet, kurz vor dem Ziel. Tag und Nacht praktisch im Labor, zuviel für den letzten Schritt in eigener Sache. Für die Personalfindung zunächst nicht minder wichtig: „Wir brauchten für jeden Bereich geeignete Spezialisten“, so Dr. Grabherr. Dr. Jäger, der Physiker, Experte für Kristallwachstum, Roger King für die Bauelemente, Dr. Wiedenmann für die Mess- und er selbst für die Prozesstechnik.

Allesamt überzeugt von ihrer Idee, die Technologie im Griff. Aber wie Fuß fassen in einem Markt, auf dem sich bereits 35 Unternehmen tummelten? Und dies weltweit, denn das nationale Kundenpotenzial schien beschränkt. „Zum einen wollten wir nicht mit Risikokapital arbeiten“, erläutert Martin Grabherr, „zum anderen wollten wir einen Partner, der sich um alles Nicht-Technische kümmert“. Die Verwaltung also im weiteren Sinne und vor allem den Vertrieb. Die Lösung versprach eine Kooperation mit der Mainzer Schott AG, einem führenden Glashersteller. Nur: „Das hat nicht funktioniert“, meint Grabherr rückblickend. Grund: Zu hoher Erklärungsbedarf für das Produkt beim Verkauf. „Erfolgreich kann das nur ein Fachmann übernehmen.“ Deshalb dann im Vorjahr die Trennung, einvernehmlich und ohne Groll. „Im Gegenteil. Schott hat uns unterstützt, bis wir auf eigenen Füßen stehen konnten“, dankt er dem Ex-Partner.

Dass diesem Schritt das bislang erfolgreichste Geschäftsjahr gefolgt sei, resultiere indes aus einer ganz anderen neuen Entwicklung: Dem ersten und später einem weiteren Großauftrag von Microsoft. Ulm Photonics liefert nun Laser für die kabellosen Mäuse des Software- und Zubehör-Giganten. Martin Grabherr schmunzelt: „Eigentlich wollten wir da gar nicht ran, haben keine Chancen für uns gesehen und die Ausschreibung anfangs ignoriert.“ Dann habe sie Microsoft aber zu einem Angebot aufgefordert. Wie bitte? Microsoft wirbt um einen schwäbischen Mittelständler?

Die Erklärung liefert der Geschäftsführer prompt und gerne. Die Überlegungen dort seien denkbar einfach gewesen: Hochwertige Laserdioden, Ebeling, Ulm und Ulm Photonics. „Professor Ebeling gilt weltweit als Top-Kapazität auf diesem Gebiet“, sagt Grabherr respektvoll, das sei sicher der Schlüssel zu diesem Erfolg gewesen. Und der Sprung von Nischenmärkten in die großen Stückzahlen dazu. Der sei freilich hart erarbeitet worden. „Die von Microsoft verlangte Qualität, neben dem Preis wichtiges Kriterium, konnten wir gewährleisten“, wusste der Ulmer. „Aber es musste schnell gehen.“ Konkurrent Logitech hatte mit einer Laser-Maus vorgelegt, jetzt wollte Microsoft nachziehen. Die Konsequenz für die Mittdreißiger – nur Jäger hat das Schwabenalter schon erreicht – und ihre im Durchschnitt deutlich jüngere Belegschaft: Viele lange Abende und Wochenende in ihrem Domizil am Rande der Ulmer Wissenschaftsstadt, aber auch Stolz, Aufbruchstimmung und Motivation pur.

Überdies stimmen die Zahlen. „Drei Jahre lang haben wir unseren Umsatz verdoppelt, zuletzt verdreifacht auf mehr als vier Millionen Euro“, berichtet der Geschäftsführer. Seine Zwischenbilanz: „Wir hatten fünf wirklich harte Jahre. Das sechste hat uns dafür entschädigt.“ Er weiß freilich auch: „Zu große Abhängigkeit von einem Abnehmer ist nicht ohne Risiken.“ Das habe Ulm Photonics schon beim Einbruch der Kommunikationstechnik vor ein paar Jahren erfahren müssen, von den findigen Jungunternehmern seit 2002 kompensiert mit dem Einstieg in die Sensorik. Hier vertraut Siemens der Ulmer Lasertechnologie beim Messen von Temperatur und Sauerstoffgehalt in der Abluft von Müllverbrennungsanlagen und Wärmekraftwerken. Ferner setzt Ulm Photonics weiterhin auf die Datenkommunikation, liefert Lichtquellen für höhere Daten-Bandbreiten bei Internet-Anbindungen und extrem schnelle Übertragungen bei der Kommunikation von Großrechnern.

Bei allem Erfolg auf diesen Gebieten: „Unsere Zukunft sehen wir in der Automobilindustrie“, betont Martin Grabherr. Sie biete einen riesigen Markt, einen langfristigen dazu. „Und wir sind schon drin.“ Mehr noch: „Derzeit sind wir hier noch der einzige Anbieter.“ Zahlreiche Zulieferer weltweit setzen demnach auf die Technologie der Ulmer Tüftler. Von der Tote-Winkel-Überwachung über diverse Fahrerinformationssysteme bis zur Kollisionserkennung bieten die Laser-Winzlinge unterschiedlichste Anwendungsbereiche.

Dabei soll, darf es nicht bleiben. „Natürlich forschen wir permanent und intensiv weiter.“ Nach wie vor weiter in enger Zusammenarbeit mit dem Institut für Optoelektronik der benachbarten Universität, für Ulm Photonics nicht nur wichtiger Partner in Sachen Know how. Auch hoch qualifizierte Mitarbeiter wechseln gerne auf die andere Seite der Albert-Einstein-Allee, darunter bisher zwei promovierte Optoelektroniker. Weitere werden folgen. „Im Moment beabsichtigen wir zehn Neueinstellungen“, sagt Martin Grabherr.

Auch für ihn sind die Mitarbeiter, die „Köpfe“ eben, das wichtigste Firmenkapital und die Basis des Erfolgs: „Vom ersten Tag an haben wir von unserem Fachwissen und unseren Uni-Erfahrungen profitiert.“ In Europa habe Ulm Photonics bezogen auf die technischen Eigenschaften der Produkte „die Konkurrenz abgehängt“. Auf dem Weltmarkt sei das Unternehmen „mindestens so gut wie die Wettbewerber“. Letztere rekrutierten sich weitgehend aus den USA. Allen voraus ist der Ulmer Hersteller Grabherr zufolge aber bei der Produktivität: „Wir holen mehr gute Stücke aus einer Kristallscheibe. Das bringt uns deutliche Kostenvorteile.“

Gleichwohl zielen die Ulmer auf weitere Verbesserungen. Einen Viertel auf einen Viertel Millimeter misst ihr Produkt momentan. Das nächste soll auf jeweils einen Fünftel Millimeter schrumpfen. Als Fernziel nennt Martin Grabherr einen Zehntel Millimeter. Wohl habe Ulm Photonics seine Technologie auf den wichtigsten Märkten von Europa über die USA und Japan bis Taiwan durch Patente abgesichert, eines davon übrigens gemeinsam mit Wissenschaftlern der Uni-Optoelektronik, dennoch gelte gerade für die Produktentwicklung: „Immer einen Schritt schneller zu sein als der Wettbewerb.“

Die ehrgeizigen Pläne indes erfordern neben zusätzlichem Personal auch Investitionen, in neue hochwertige Geräte etwa und einen Neubau, für einen vierten und großen Reinraum vor allem. „Wir wollen auf dem Oberen Eselsberg bleiben“, macht Martin Grabherr deutlich. Schließlich habe sich die komplette Fertigung vor Ort bewährt. Das heißt in diesem Fall Kristallzucht, Halbleitertechnologie und die enorm wichtige Qualitätssicherung in unmittelbarer Nachbarschaft, auch zur Forschung und Entwicklung natürlich. Auf „mehrere Millionen Euro“ beziffert der Geschäftsführer die anstehenden Investitionen.

„Unsere Interessen haben sich perfekt ergänzt“, kommentiert Grabherr den Einstieg von Philips bei Ulm Photonics. Der neue Eigentümer sei zwar schon Weltmarktführer als Zulieferer der Automobilindustrie und verzeichne eine hohes Wachstum bei Festkörperlichtquellen, so genannten Leuchtdioden also, aber der Laser-Bereich habe bei Philips bisher gefehlt. „Wir hatten einen Partner gebraucht, sie einen kompetenten gesucht“, bringt es der Geschäftsführer auf den Punkt. Und Kontakt hatten beide Seiten schon zuvor. Martin Grabherr: „Sie waren ja schon Kunde bei uns. Das war für uns sicher die beste Empfehlung.“

Weitere Informationen: Dr.-Ing. Martin Grabherr, Ulm Photonics, Tel. 0731/550194014

Media Contact

Willi Baur idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-ulm.de/

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