Neues Bauelement für die verlustarme Hochgeschwindigkeits-Quantenelektronik

Forschern der TU Ilmenau und der Universität Twente/Niederlande ist es gelungen, mit einem neuartigen technologischen Fertigungsprozess die reproduzierbare Herstellung zahlreicher Josephson-Kontakte auf einem Chip zu ermöglichen.


In der schnellen Einzelflussquantenelektronik (engl. RSFQ) wird die digitale Information in Form eines quantisierten magnetischen Flusses (eine Flussquant = 2.07*10^-15 Vs) innerhalb einer supraleitenden Leiterschleife dargestellt. Das aktive Kernelement dieser Elektronik ist der 1962 von Brain Josephson entdeckte Josephson-Kontakt, welcher durch eine nur wenige Nanometer (2-18nm) dünne Isolationsbarriere ein quantenelektronisches supraleitendes Bauelement bildet. Er arbeitet als eine Art Tor für den gesteuerten Austausch von Flussquanten und damit von binären Informationen zwischen benachbarten Schaltungsbausteinen.

Für die Modellierung dieser Elektronik dient neben der Stromstärke auch die Phasendifferenz der supraleitenden Ladungsträger als beschreibende Zustandsgröße, letztere ist das Analogon zur elektrischen Spannung in der klassischen Elektrotechnik.

Bereits 1985 wurde das Funktionsprinzip der Einzelflussquantenelektronik formu liert und durch geeignete Entwurfswerkzeuge und Herstellungstechnologien bis heute zu einer anwendungsbereiten leistungsarmen Digitalelektronik weiterent wickelt.

Diese Elektronik zeichnet sich besonders durch hohe Taktfrequenzen bei gleichzeitig sehr geringer Verlustleistung aus: Es wurden komplexe Schaltungen bei Frequenzen von 20 GHz erfolgreich betrieben, wobei die dabei umgesetzte Verlustleistung um das 10000-fache geringer ist als in der konventionellen Halbleiterelektronik. Zur Zeit wird ihr der Rang einer CMOS-Nachfolgeelektronik für spezielle Anwendungen eingeräumt, in denen extrem hohe Schaltfrequenzen bei gleichzeitig sehr geringem Leistungsumsatz notwendig sind.

Im Jahr 1993 wurde dazu erstmals ein neuer Josephson-Kontakt mit einer intrinsischen PI-Phasenverschiebung vorgestellt und experimentell demonstriert. Dieser PI-Josephson- Kontakt ist ein komplementäres Bauelement zu dem klassischen Josephson-Kontakt (ähnlich der p- und n-leitenden Transistoren).

An der Universität Twente/Niederlande wurde ein neuartiger technologischer Fertigungsprozess entwickelt, der durch eine Kombination von einem Hochtemperatursupraleiter (YBCO), einer 15nm dünnen, trennenden Goldbarriere
und einem Tieftemperatursupraleiter (Nb) die reproduzierbare Herstellung zahlreicher Josephson-Kontakte auf einem Chip ermöglicht.

In enger Zusammenarbeit der RSFQ Design-Forschungsgruppe der TU Ilmenau(Prof. F.H. Uhlmann, Dr. T.Ortlepp, O. Mielke) mit der Forschungsgruppe an der Universität Twente/Niederlande (Prof. H. Hilgenkamp) konnten die theoretischen Vorhersagen zur Anwendung aktiver PI-Kontakte weltweit erstmals im Herbst 2004 demonstriert und erste Vorhersagen für die Anwendung dieser Kontakte in der Einzelflussquantenelektronik getroffen werden: Schaltungskonzept, Entwurf und Optimierung wurden an der TU Ilmenau entwickelt und durchgeführt, die Chip-Herstellung erfolgte an der Universität Twente/ Holland.

Bei den anschließenden gemeinsam durchgeführten Messungen konnte die quantengenaue digitale Funktion der Schaltung experimentell nachgewiesen werden.

Im Rahmen der Exzellenzförderung der TU Ilmenau war es möglich, diese Arbeiten für ein Jahr durchzuführen und jetzt erfolgversprechende Ergebnisse zur Funktion digitaler Schaltungskomponenten hierfür abzuleiten. Die Verwendung von PI-Josephson-Kontakten ermöglicht erstmals einen symmetrischen Schaltungsaufbau mit einer deutlich höheren Funktionsstabilität. Man kann aus diesem Grund davon ausgehen, dass diese nun wesentlich erweiterte Einzelflussquantenelektronik auch für die Anforderungen der Kommunikationstechnik sowie industrieller Anwendungen bereit ist.

Diese Forschungsergebnisse wurden von der amerikanischen Zeitschrift „Science Magazin“ zur Veröffentlichung angenommen und als ein ausgewähltes wissen schaftliches Highlight auf Weltniveau am 20. April 2006 bereits vor der Druck legung in „Science Express“ online veröffentlicht.

Veröffentlichung dazu:

Science Magazine, online in Sciencexpress am 20. April 2006:
„Flip-Flopping Fractional Flux Quanta“,
Thomas Ortlepp 1*, Ariando Ariando 2, O. Mielke 1, C. J. M. Verwijs 2,
K. F. K. Foo 2, H. Rogalla 2, F. H. Uhlmann 1, H. Hilgenkamp 2

1 Institute of Information Technology, RSFQ Design Group, Technische Universität
Ilmenau, Post Office Box 100565, D-98684 Ilmenau, Germany.
2 Faculty of Science and Technology and MESA+ Institute for
Nanotechnology, University of Twente,
Post Office Box 217,7500 AE Enschede, Netherlands.

Für weitere Informationen, Fragen und evtl. Bilder wenden Sie sich bitte an

Dr. Thomas Ortlepp
Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik
Institut für Informationstechnik/FG TET/EMF
TU Ilmenau
98684 Ilmenau
Tel. 03677/691185
thomas.ortlepp@tu-ilmenau.de

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Wilfried Nax M.A. idw

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