Der Energiepass – Verbrauchs- oder Bedarfspass?

Schematische Darstellung des Energiebedarfspasses (Vorschlag des ifeu-Instituts)

Noch in diesem Jahr wird aufgrund der europäischen Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden die Ausstellung von Energiepässen bei Neubau, Verkauf und Vermietung zur Pflicht. Doch noch immer sind viele Fragen offen: Soll es ein Verbrauchspass oder ein Bedarfspass werden? Wie sollen die Kennzeichnung und die mit dem Energiepass verbundenen Modernisierungsempfehlungen genau aussehen? Das ifeu-Institut hat im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbandes e.V. (vzbv) untersucht, ob ein Bedarfs- oder Verbrauchspass besser geeignet ist, die Anforderungen der EU-Richtlinie aus Sicht von Mietern und Käufern zu erfüllen.

Mit der Pflicht zur Vorlage eines Energiepasses für potenzielle Nutzer setzt die EU-Gebäuderichtlinie auf die Nachfrager nach Wohnraum. Bei der bisherigen Diskussion wurde die Perspektive der potenziellen Mieter und privaten Käufer bislang nur unzureichend berücksichtigt. Die Studie des ifeu-Instituts legte den Fokus deshalb auf die Sicht dieser potenziellen Nutzer. Primär möchten sie wissen, mit welchen Energiekosten sie bei einer Anmietung oder beim Kauf rechnen müssen und mit welchen Maßnahmen zu welchen Kosten gegebenenfalls eine energetische Verbesserung erreicht werden kann. Dazu benötigen sie unter anderem Informationen über die energetische Qualität des Gebäudes.

Anhand aktueller Auswertungen wurde herausgearbeitet, dass es im Einzelfall selbst bei größeren Gebäuden zur erheblichen Abweichung zwischen dem berechneten Energiebedarfskennwert und dem tatsächlichen Energieverbrauchskennwert kommt. Die Vorstellung, von einem bekannten realen Verbrauch (zum Beispiel aufgrund der letzten Heizkostenabrechnung) auf einen nutzerunabhängigen Bedarf rückschließen zu können oder umgekehrt, ist daher unrealistisch. Auch kann der Verbraucher aufgrund des unterschiedlichen Nutzerverhaltens weder mit Hilfe des Energiebedarfs noch des Energieverbrauchs seine persönlichen zukünftigen Energiekosten verlässlich einschätzen.

Auf der anderen Seite ist durch das Ziel der Gebäuderichtlinie, mit dem Energiepass als Ranking-Instrument indirekt die Energieeffizienz der Gebäude zu erhöhen, die Richtung bereits vorgegeben. Allein aus der Darstellung des aktuellen spezifischen Energieverbrauchs kann nur sehr begrenzt ein verlässlicher Vergleich mit anderen Gebäude erfolgen. Zudem gibt die Richtlinie vor, dass dem Energiepass „Empfehlungen für die kostengünstige Verbesserung der Gesamtenergieeffizienz“ beigefügt werden sollen. Spezifische Empfehlungen für Modernisierungsmaßnahmen können jedoch nicht aus einem Verbrauchspass abgeleitet werden.

Ein aussagekräftiger Energiepass im Wohngebäudebereich für Altbau und Neubau kann daher nur ein Energiebedarfspass sein. Dieser stellt die energetische Qualität des Gesamtgebäudes bei einer Standardnutzung dar und erlaubt einen objektiven Vergleich mit anderen Gebäuden. Zugleich bietet er eine Basis für die Ausarbeitung von Maßnahmenempfehlungen.

Weitere Empfehlungen der Studie beziehen sich auf das Layout des Energiepasses, Übergangsfristen und Kontrollmechanismen. Aus Sicht der potenziellen Käufer oder Mieter sollte neben dem Primärenergieverbrauch zusätzlich an prominenter Stelle die Qualität der Gebäudehülle (Dämmstandard) und der Anlagentechnik aufgezeigt und bewertet werden. Bei Heizungssystemen mit einem hohen Anteil an erneuerbaren Energien kommt es beispielsweise auch dann zu einem günstigen Primärenergieverbrauch, wenn Gebäude in Teilaspekten erhebliche Mängel aufweisen. Um zu vermeiden, dass das Instrument Energiepass bereits in der Einführungsphase durch mangelnde Qualität der Ausstellung in Misskredit gerät, sollte zudem ein System der Qualitätskontrolle aufgebaut werden.

Kontakt:
Hans Hertle
ifeu – Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg
Wilckensstraße 3, 69120 Heidelberg
Tel.: 06221/4767-17
Email: hans.hertle@ifeu.de

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Elke Dünnhoff idw

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