Die wundersame Vermehrung des Ökostroms

Stromversorger müssen ihre Kunden künftig über die Herkunft ihres Stroms informieren. Doch der Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) setzt auf Verschleierung statt Transparenz. Die Deutsche Umwelthilfe präsentiert eigenen Vorschlag und fordert eine verbindliche Regelung

Die bevorstehende Kennzeichnungspflicht für Strom droht zu einem Flop zu werden, wenn sich Vorschläge der Elektrizitätswirtschaft zur Ausgestaltung der gesetzlichen Vorgaben durchsetzen. Darauf hat die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) hingewiesen und gleichzeitig einen eigenen Vorschlag für eine verbrauchergerechte Stromkennzeichnung unterbreitet. „Die großen Stromkonzerne haben sich jahrelang dagegen gesperrt, ihren Kunden über die Zusammensetzung ihres Stroms Auskunft zu geben. Nun versuchen sie, die Regelung mit durchsichtigen Tricks ins Leere laufen zu lassen“, erklärt DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. „Besonders verwerflich ist, dass die Umsetzung ihrer Vorschläge zu einer systematischen Vermehrung des in Deutschland beliebten Stroms aus Erneuerbaren Energien führen würde – allerdings nur auf dem Papier. Im Gegenzug würde der in Atom- oder Kohlekraftwerken erzeugte Stromanteil auf wundersame Weise schrumpfen. “

Nach der im vergangenen Sommer verabschiedeten Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes müssen die Energieversorger ihre Kunden ab dem 15. Dezember 2005 auf Stromrechnungen und in Werbematerialien über die Herkunft des gelieferten Stroms informieren. Allerdings fehlen aufgrund der massiven Einflussnahme der Unternehmen während des Gesetzgebungsprozesses klare, einheitliche und verbindliche Vorgaben für die konkrete Darstellung des Strommixes und der mit den jeweiligen Brennstoffen – Steinkohle, Braunkohle, Erdgas, Uran – verbundenen Umweltbelastungen. Die Regelungslücke macht sich der von den großen Energiekonzernen dominierte Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) zunutze, der in einem „Leitfaden Stromkennzeichnung“ von Mitte Oktober seinen Mitgliedern eine Umsetzung der Kennzeichnungspflicht empfiehlt. Die Umsetzung des Leitfadens würde die Verbraucher jedoch eher in die Irre führen, als sie aufzuklären.

Das vom VDEW vorgeschlagene Stromlabel unterscheidet nicht zwischen Strom aus Braunkohle, Steinkohle und Erdgas, obwohl diese Brennstoffe sehr unterschiedlich zum globalen Klimawandel beitragen. Es unterscheidet nicht zwischen Strom aus Erneuerbaren Energien, zu dessen Weitergabe an ihre Kunden die Energieversorger aufgrund des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) verpflichtet sind (auch wenn sie selbst keine Kilowattstunde erzeugen) und solchem Ökostrom, den sie selbst aufgrund einer strategischen Zukunftsentscheidung erzeugen oder am Markt einkaufen. Der Vorschlag öffnet schließlich der Verbrauchertäuschung Tür und Tor, indem er den wachsenden Stromanteil, den die Versorger an der Strombörse oder im Ausland beziehen, pauschal dem so genannten europäischen UCTE-Mix zuschreibt. Dieser Strommix enthält derzeit etwa 13 Prozent Strom aus Wasserkraft. Bezieht ein Stromversorger zum Beispiel 30 Prozent seines Stroms über die Strombörse, würden allein 13 Prozent davon als Ökostrom im Label auftauchen – selbst wenn das Unternehmen in der realen Welt kein einziges Wasserkraftwerk oder sonstige regenerative Energietechnologien einsetzt.

Auch andere Tricks sind nach den Vorstellungen des VDEW programmiert. So könnte ein Stromversorger den von ihm produzierten Atomstrom an der Börse verkaufen und dort im Gegenzug ebenso viele Kilowattstunden ordern. Ergebnis: hundert Prozent Atomstrom wären im Handumdrehen „veredelt“ zu einem ausgewogenen Mix aus nuklear, fossil und 13 % Wasserkraft.

„Wir müssen aufpassen, dass das Transparenzmittel Stromkennzeichnung nicht von ihren Gegnern in ihr Gegenteil verkehrt wird und am Ende ein Instrument zur Verschleierung der Stromzusammensetzung dabei herauskommt“, so Cornelia Ziehm, Leiterin Verbraucherschutz und Recht bei der DUH. Sinn der Stromkennzeichnung sei es, Verbrauchern, Verbraucherinnen und Unternehmen, auf der Basis klarer, einheitlicher und vollständiger Informationen über die Herkunft des Stroms eine freie Entscheidung über ihren Stromlieferanten zu ermöglichen. „Die Stromverbraucher müssen auf verlässlicher Basis entscheiden können, ob sie Kunde eines Stromversorgers bleiben wollen, der weiter auf das Klima belastenden Kohlestrom setzt oder auf die Risiken der Atomenergie oder ob sie lieber zu einem Unternehmen wechseln, das die Umstellung auf umweltfreundlichen Strom schon eingeleitet oder bereits vollzogen hat. Eine systematische Falschbezifferung der Erneuerbaren Energien, wie sie der VDEW seinen Mitgliedern empfiehlt, konterkariert dieses Ziel offensichtlich“, so Ziehm.

Die DUH präsentierte einen eigenen Kennzeichnungsvorschlag mit einer der heute üblichen farbigen „Kuchengrafiken“ als Kernelement. Darin enthalten sind die jeweiligen Stromanteile aus den fossilen Energieträgern Braunkohle, Steinkohle und Erdgas, aus Atomenergie und aus Erneuerbaren Energien – letztere aufgeschlüsselt nach EEG-Strom und „eigenem“ Strom aus Erneuerbaren Energien. Außerdem gibt es eine Kategorie für den „grauen Börsenstrom“ (Strom unbekannter Herkunft), der so nicht zur Verschleierung des wirklichen Strommixes missbraucht werden kann. In einer dem Diagramm angefügten Tabelle können die Kunden das Stromportfolio ihres Versorgers auf einen Blick mit dem durchschnittlichen deutschen Strommix vergleichen und werden außerdem über die CO2-Emissionen (in g/kWh), die radioaktiven Abfälle und Emissionen (jeweils in Becquerel/kWh) unterrichtet.

„Als anerkannter Verbraucherschutzverband werden wir in den nächsten Wochen und Monaten sehr genau beobachten, inwieweit die Stromwirtschaft ihrer Kennzeichnungspflicht sachgerecht nachkommt oder sich im Werfen von Nebelkerzen übt“, so Jürgen Resch. „Notfalls werden wir auch gerichtlich gegen den Missbrauch der Regelung vorgehen“. Die Bundesregierung forderte der DUH-Geschäftsführer auf, eine am DUH-Vorschlag orientierte einheitliche Regelung verbindlich vorzuschreiben. Es sei überhaupt nicht einzusehen, „warum der Energieverbrauch von Autos oder Kühlschränken nach klaren Regeln zu erfolgen hat, die Kennzeichnung von Strom aber nicht.“

Das DUH-Stromlabel und ein DUH-Hintergrund zum Thema „Stromtransparenz ist kein Selbstläufer“ können im Internet unter www.duh.de abgerufen werden.

Media Contact

Jürgen Resch DUH Presse

Weitere Informationen:

http://www.duh.de

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