Zwei in eins-Enzym: ungewöhnlich flexibel

Ein Virus, das das im Ozean lebende Cyanobakterium Prochlorococcus befällt, kann bestimmte Farbstoffe besser herstellen als sein Wirt. Anders als das Bakterium braucht es dazu nur ein Enzym, Prochlorococcus braucht zwei. Trick des Virus ist die Phycoerythrobilin Synthase, ein „Zwei in eins“-Enzym.

Thorben Dammeyer hat im Rahmen seiner Doktorarbeit in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Nicole Frankenberg-Dinkel (Physiologie der Mikroorganismen) in Kooperation mit Juniorprofessor Dr. Eckhard Hofmann (Röntgenstrukturanalyse an Proteinen) die 3D-Struktur dieses Enzyms aufgeklärt.

Entdeckt wurde eine überraschende Flexibilität: Verschiedene Bereiche des Proteins können unterschiedliche Positionen einnehmen – eine ungewöhnliche Eigenschaft für Proteine in Verbindung mit ihrem Substrat. Über ihre Erkenntnisse berichten die Forscher im „Paper of the week“ der aktuellen Ausgabe des Journal of Biological Chemistry.

Farbstoffe werden in zwei Schritten hergestellt

Das Virus namens P-SSM2 mit dem „Zwei in eins“-Enzym befällt das Cyanobakterium Prochlorococcus, das unter den Cyanobakterien, die in Gewässern und Meeren in großer Menge vorkommen, eine Ausnahme darstellt: Anders als seine Artgenossen fängt es Licht für die Photosynthese nicht mittels roter und blauer Pigmente sondern wie höhere Pflanzen mittels Chlorophyll ein. Trotzdem verfügt Prochlorococcus über die Erbinformation für die komplette Maschinerie, um diese Pigmente herzustellen, und zwar in zwei Schritten mit zwei verschiedenen Enzymen als Katalysatoren.

Grün wird rot in einem Schritt

„Die Tatsache, dass wir in dem Virus den genetischen Bauplan für ein Enzym gefunden haben, das das rote Pigment effizienter herstellen kann als sein Wirt, hat uns einerseits überzeugt, dass der Farbstoff für Prochlorococcus nicht unwichtig sein kann, selbst wenn es ihn zum Lichtfang nicht braucht“, so Nicole Frankenberg-Dinkel.“ Andererseits wollten wir natürlich wissen, wie es sein kann, dass ein Enzym zwei Funktionen übernimmt.“ Um das Enzym näher zu untersuchen, wandten die Forscher unter anderem die Röntgenstrukturanalyse an und betrachteten so die dreidimensionale Struktur des Enzyms hoch aufgelöst sowohl alleine als auch im Verbund mit seinem natürlichen Substrat, dem grünen Biliverdin IXalpha. Dabei konnten sie die sog. Bindetasche auflösen, in der das Substrat an das Enzym fixiert und in den roten Farbstoff umgewandelt wird. „Wir konnten sehen, dass verschiedene Bereiche des Enzyms um die Bindetasche herum in der Lage sind, unterschiedliche Positionen einzunehmen“, erklärt Frankenberg-Dinkel. „Diese Fähigkeit ist für Proteine in Lösung vielleicht nicht ungewöhnlich, aber sehr selten in Proteinkristallen zu finden.“ Die beobachteten Strukturvariationen geben den Forschern einen ersten Hinweis auf die Bewegung des Enzyms bei der Katalyse.

Nächster Schritt: Die Evolution verfolgen

Nächster Schritt in der Erforschung des ungewöhnlich flexiblen Proteins werden Studien an gezielt und zufällig genetisch veränderten Formen sein. „Damit wollen wir die Evolution dieses besonderen Enzyms im Reagenzglas verfolgen“, so Frankenberg-Dinkel. Die Forschergruppen um Nicole Frankenberg-Dinkel und Eckhard Hofmann werden gefördert im Sonderforschungsbereich 480 „Molekulare Biologie komplexer Leistungen von Botanischen Systemen.

Titelaufnahme

Dammeyer, T., Hofmann, E. & Frankenberg-Dinkel, N. (2008): Phycoerythrobilin synthase (PebS) of a marine virus. Crystal structure of the biliverdin-complex and the substrate free form. J.Biol. Chem. 283, 27547-27554.

Weitere Informationen

Prof. Dr. Nicole Frankenberg-Dinkel, Fakultät für Biologie und Biotechnologie, Physiologie der Mikroorganismen, Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum; NDEF 06/598; Tel.: 0234-32-23101, FAX: 0234-32 14620, nicole.frankenberg@rub.de

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Dr. Josef König idw

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